Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde. Оскар Уайльд

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Название Die wichtigsten Werke von Oscar Wilde
Автор произведения Оскар Уайльд
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027225644



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Inhaltsverzeichnis

      Es war am neunten November, am Vorabend seines achtunddreißigsten Geburtstages, wie er sich später oftmals erinnerte.

      Er ging gegen elf Uhr aus Lord Henrys Wohnung, bei dem er gegessen hatte, nach Hause und war in einen schweren Pelz gehüllt, da die Nacht kalt und neblig war. An der Ecke von Grosvenor Square und South Audley Street ging im Nebel ein Mann sehr eilig an ihm vorbei, der den Kragen seines grauen Ulsters hochgeschlagen hatte. Er trug eine Reisetasche. Dorian erkannte ihn. Es war Basil Hallward. Ein seltsames Angstgefühl, über das er sich keine Rechenschaft geben konnte, befiel ihn. Er ließ nicht merken, daß er ihn erkannt hatte und setzte rasch seinen Weg fort in der Richtung seines Hauses.

      Aber Hallward hatte ihn gesehen. Dorian hörte, wie er zuerst auf dem Trottoir stehenblieb und ihm dann nacheilte. In ein paar Augenblicken lag eine Hand auf seinem Arm.

      »Dorian! Was für ein besonders glücklicher Zufall! Ich habe seit neun Uhr in deiner Bibliothek auf dich gewartet. Schließlich tat mir dein ermüdeter Diener leid, und als er mich herunterließ, sagte ich ihm, er möchte zu Bett gehen. Ich fahre mit dem Mitternachtszug nach Paris, und ich hatte den dringendsten Wunsch, dich vor meiner Abreise noch zu sehen. Ich dachte, das mußt du sein, oder mindestens dein Pelz, als du vorbeigingst. Aber ich war doch nicht ganz sicher. Hast du mich denn nicht erkannt?«

      »Bei so einem Nebel, lieber Basil? Ich kann nicht einmal Grosvenor Square erkennen. Ich vermute, mein Haus ist hier irgendwo in der Nähe, aber ich bin mir nicht ganz sicher. Es tut mir leid, daß du verreist, denn ich habe dich ja eine Ewigkeit nicht gesehen. Aber ich denke, du kommst doch bald wieder?«

      »Nein; ich bleibe sechs Monate von England fort. Ich will mir in Paris ein Atelier mieten und mich darin einschließen, bis ein großes Bild fertig ist, das ich im Kopf habe. Aber ich wollte nicht über mich reden. Da sind wir an deiner Tür. Laß mich einen Augenblick mit herein. Ich habe dir was zu sagen.«

      »Es wird mir eine große Freude sein. Aber versäumst du auch deinen Zug nicht?« sagte Dorian Gray mit müder Stimme, als er die Treppe hinaufstieg und die Tür mit seinem Drücker öffnete.

      Das Lampenlicht kämpfte mit dem Nebel, und Hallward sah auf die Uhr. »Ich habe noch eine Menge Zeit«, antwortete er. »Der Zug geht zwölf Uhr fünfzehn, und es ist eben elf. Offen gesagt, ich war gerade auf dem Weg in den Klub, um dich zu suchen, als ich dich traf. Mein Gepäck wird mich, wie du siehst, nicht sehr aufhalten, weil ich die schweren Sachen vorausgeschickt habe. Hier in der Tasche ist alles, was ich mitnehme, und nach Victoria Station kann ich bequem in zwanzig Minuten kommen!«

      Dorian sah ihn lächelnd an. »Für einen berühmten Maler eine merkwürdige Art, zu reisen! Eine Handtasche und ein Ulster! Komm herein, sonst dringt der Nebel ins Haus! Und bitte, sprich über nichts Ernsthaftes mit mir. Nichts ist heutzutage ernsthaft. Wenigstens sollte es nichts sein.«

      Hallward schüttelte den Kopf als er eintrat, und folgte Dorian ins Bibliothekzimmer. Dort brannte in dem offenen Kamin ein helles Holzfeuer. Die Lampen waren angezündet, und ein offenstehender holländischer Likörkasten aus Silber stand nebst ein paar Sodawassersiphons und großen geschliffenen Gläsern auf einem eingelegten Tischchen.

      »Du siehst, dein Diener hat es mir gemütlich gemacht, Dorian. Er hat mir alles gegeben, was ich brauchte, sogar deine besten Zigaretten mit Goldmundstück. Es ist ein recht gastfreundlicher Mensch. Ich mag ihn viel lieber als den Franzosen, den du vor ihm hattest. Was ist übrigens aus dem Franzosen geworden?«

      Dorian zuckte die Achseln. »Ich glaube, er hat Lady Radleys Kammermädchen geheiratet und sie in Paris als englische Schneiderin etabliert. Ich höre, daß Anglomanie zurzeit drüben sehr Mode ist. Scheint mir recht töricht von den Franzosen, nicht wahr? Aber – weißt du noch? – er war wirklich kein schlechter Bedienter. Ich mochte ihn zwar auch nie so recht leiden, aber er gab mir keinen Grund zur Klage. Man bildet sich oft Dinge ein, die ganz sinnlos sind. Er war mir wirklich sehr ergeben und schien ganz traurig, als er wegging. Willst du noch einen Kognak und Soda? Oder lieber Wein mit Selter? Ich nehme immer Wein mit Selter. Es ist gewiß etwas im Nebenzimmer.«

      »Danke, ich nehme nichts mehr«, sagte der Maler, legte Mütze und Überrock ab und warf sie auf die Reisetasche, die er in die Zimmerecke gestellt hatte. »Und jetzt, lieber Freund, möchte ich mit dir mal ernsthaft sprechen. Du mußt nicht so böse aussehen. Du machst es mir dadurch nur schwerer.«

      »Was soll das alles?« rief Dorian, offen seine Verdrießlichkeit zeigend und warf sich auf das Sofa. »Ich hoffe, es handelt sich nicht um mich. Ich habe heute abend genug von mir. Ich wünschte, ich wäre ein anderer.«

      »Es handelt sich um dich,« antwortete Hallward mit seiner ernsten, tiefen Stimme, »und ich muß es dir sagen. Ich werde dich kaum ein halbes Stündchen aufhalten.«

      Dorian seufzte und steckte sich eine Zigarette an. »Ein halb Stündchen«, flüsterte er.

      »Das ist nicht viel von dir verlangt, Dorian, und ich spreche wirklich nur zu deinem Besten. Ich halte es für angebracht, daß du endlich die schrecklichen Dinge erfährst, die über dich in London geredet werden.«

      »Ich will nicht das mindeste davon wissen. Ich habe Tratsch über andere Leute recht gern, aber Tratsch über mich interessiert mich ganz und gar nicht. Es hat nicht mal den Reiz der Neuheit.«

      »Es muß dich interessieren, Dorian. Jeder anständige Mensch ist an seinem guten Ruf interessiert. Du darfst doch nicht die Leute von dir reden lassen, wie von einem gesunkenen und abscheulich lasterhaften Menschen. Natürlich hast du deine Stellung, deinen Reichtum und all dergleichen. Aber Stellung und Reichtum sind nicht alles. Auf mein Wort, ich glaube von diesen Gerüchten nichts. Wenigstens kann ich ihnen nicht glauben, wenn ich dich sehe. Die Sünde steht jedem Menschen auf der Stirn geschrieben. Man kann sie nicht verhehlen. Die Menschen schwatzen manchmal von geheimen Lastern. So etwas gibt es nicht. Wenn ein unseliger Mensch ein Laster hat, so zeigt sichs in den Linien seines Mundes, in seinen herabgesunkenen Augenlidern, selbst in der Form seiner Hände. Jemand – ich will seinen Namen nicht nennen, aber du kennst ihn – kam voriges Jahr zu mir und wollte sich malen lassen. Ich hatte ihn nie vorher gesehen und damals nie etwas von ihm gehört, seitdem aber hat man mir eine Menge von ihm erzählt. Er bot mir einen fabelhaften Preis an. Ich habe abgelehnt. An der Form seiner Finger war etwas, das mir ekelhaft war. Jetzt weiß ich, daß ich mit meiner Vermutung über ihn ganz recht hatte. Sein Leben ist fürchterlich. Aber von dir, Dorian, mit deinem reinen, leuchtenden, unschuldigen Gesicht und deiner wunderbaren unberührten Jugend – ich kann nicht das Häßliche glauben, das man gegen dich vorbringt. Und doch, ich sehe dich jetzt so selten, und du kommst gar nicht mehr in mein Atelier, und wenn ich nicht mit dir zusammen bin und alle die abscheulichen Dinge höre, die sich die Leute über dich zuflüstern, dann weiß ich nicht, was ich sagen soll. Woher kommt es, Dorian, daß ein Mann wie der Herzog von Berwick aufsteht und das Klubzimmer verläßt, wenn du eintrittst? Warum wollen so viele Männer in London nicht zu dir kommen und dich niemals zu sich einladen? Du warst doch mit Lord Staveley befreundet. Ich traf ihn vorige Woche bei einem Diner. Dein Name tauchte zufällig im Gespräch in Verbindung mit den Miniaturen auf, die du der Dudley-Ausstellung hergeliehen hast. Stavelen verzog die Lippen und sagte, es mag ja sein, daß du einen äußerst künstlerischen Geschmack habest, aber du seist ein Mann, den kein reines Mädchen kennenlernen solle und mit dem keine anständige Frau im selben Zimmer sein dürfe. Ich gab ihm zu verstehen, daß ich dein Freund sei, und fragte ihn, was er damit meine. Er sagte es mir. Er sagte es mir vor allen Leuten geradeheraus. Es war scheußlich! Warum ist deine Freundschaft für junge Männer solch ein Unglück? Da war der unselige Bursch in der Leibgarde, der Selbstmord begangen hat. Du warst sein bester Freund. Da war Sir Henry Ashton, der England mit einem besudelten Namen verlassen mußte. Du und er, ihr beide wart unzertrennlich. Wie ist es mit Adrian Singleton bestellt und seinem furchtbaren Ende? Was war das mit dem einzigen Sohn Lord Kents und seiner Karriere? Ich traf seinen Vater gestern in St. James Street. Er schien vor Schande und Herzleid gebrochen. Was hattest du mit dem jungen Herzog von Perth? Was für ein Leben führt er jetzt? Welcher Gentleman wollte noch mit ihm Umgang haben?«

      »Hör