Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Название Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman
Автор произведения Friederike von Buchner
Жанр Языкознание
Серия Toni der Hüttenwirt Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740939748



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der Pfarrer auf den Weg zur Berghütte. Vorher hatte er an der Kirchentür einen Zettel angebracht. Darauf stand, daß an diesem Tag die Frühmesse ausfallen würde, wegen eines dringenden seelsorgerischen Hausbesuchs. Die neugierigen Waldkogeler, die regelmäßig zur Frühmesse kamen, klingelten alle am Pfarrhaus. Doch die Haushälterin sagte nichts.

      Pfarrer Zandler war mit seinem Auto bis zur Oberländer Alm gefahren. Dort war er kurz bei Hilda und Wenzel eingekehrt. Die beiden freuten sich sehr, den Pfarrer zu sehen, kamen sie doch den Sommer über nicht ins Tal, um in die Messe zu gehen.

      Dann machte er sich an den Aufstieg zur Berghütte. Pfarrer Zandler ließ sich Zeit. Er genoß den Aufstieg, blieb oft stehen und bewunderte Gottes schöne Natur.

      Toni, Anna und der alte Alois waren sehr überrascht, als es plötzlich an der Hüttentür klopfte und der Pfarrer eintrat.

      »Das ist ja eine echte Überraschung! Was führt dich denn hier herauf?« fragte der alte Alois, der den Pfarrer fast als Einziger in Waldkogel duzte, jedenfalls gelegentlich. Denn Alois war schon ein verheirateter Familienvater, als der jetzige Pfarrer als junger Bub in Waldkogel aufwuchs.

      »Gilt der Besuch dem Toni und der Anna, wegen der Hochzeit? Gibt es da noch etwas zu bereden?«

      »Nein, deswegen bin ich nicht da, Alois. Es sind doch Gäste auf der Berghütte, so viel wie ich gehört habe, die Eltern von dem Dennis. Renate und Karsten Niederhauser sind doch einquartiert, wie?«

      »Ah, dann is was mit dem Dennis!« folgerte Alois. »Is es was Schlimmes? Geht es dem Bub net gut?«

      Der Pfarrer schmunzelte.

      »Dem Bub geht’s gut. Ich denke sogar, daß es dem Bub schon lange nicht mehr so gut gegangen ist. Deswegen will ich mit den Eltern reden.«

      »Ah, dann is er gefunden worden. Wo is er denn jetzt?«

      »Alois, des geht nur mich was an. Ich habe den Bub unter meinen Schutz genommen. Den Rest, den möchte ich erst einmal mit den Eltern bereden. Wo sind die?«

      »Die schlafen noch. Die Renate in der Kammer und ihr Noch-Ehemann, wie sie immer betont, der liegt oben auf dem Hüttenboden.«

      Der alte Alois ging zur Tür von Renates Kammer und klopfte mit seinem Stock daran.

      »Rauskommen! Besuch ist da! Der Herr Pfarrer!«

      Dann rief Alois die Stiege zum Hüttenboden hinauf.

      »Karsten, komm runter! Der Pfarrer is da und hat gute Neuigkeiten vom Dennis.«

      Kurz darauf kamen die beiden. Anna stellte ihnen Kaffee hin. »Sie haben unseren Sohn gefunden? Wo ist er? Warum haben Sie ihn nicht mitgebracht?«

      »Frau und Herr Niederhauser, so einfach geht das nicht. Ich habe den Dennis in meinen Schutz genommen. Es geht ihm gut, besonders gut sogar. Ich darf Ihnen sagen, daß der Dennis ein ganz lieber und braver Bub ist. Manche Eltern wären froh, wenn sie so einen braven Jungen hätten, auch wenn er aus dem Internat fortgelaufen ist. Darüber muß man mit Dennis bestimmt noch sprechen. Aber zuerst will ich mit Ihnen beiden sprechen und zwar unter vier, beziehungsweise unter sechs Augen.«

      »Komm, Anna! Komm, Alois! Wir gehen mal raus und lassen den Herrn Pfarrer mit Dennis’ Eltern alleine.«

      »Es ist schon gut, Toni! Ihr müßt nicht gehen. Ich dachte mir, ich mache mit den Eltern einen kleinen Spaziergang. Das kann warten bis nach dem Frühstück.«

      *

      So geschah es dann auch. Zwar versuchte Karsten Niederhauser dem guten Herrn Pfarrer durch geschickte Fragenstellungen, Einzelheiten zu entlocken, aber er bekam keine Antwort.

      Dann gingen die drei fort. Der Geistliche ging in der Mitte, rechts von ihm lief Renate und links ihr Noch-Ehemann Karsten.

      »Ja, meine lieben Eltern. Dem Dennis geht es gut. Ich weiß, wo er ist und habe ihn mit Essen und Sonstigem versorgt. Das werde ich auch die nächsten Tage tun. Vielleicht kommt Dennis auch ein paar Tage mit mir ins Pfarrhaus.«

      Karsten Niederhauser brauste auf.

      »Sie enthalten uns unser Kind vor. Das dürfen Sie nicht. Ich verlange von Ihnen, daß Sie mir sofort den Aufenthaltsort nennen, damit ich meinen Sohn holen kann!« brüllte er so laut, daß sich seine Stimme überschlug und er hustete. »Das kann ich Ihnen als Kindesentführung auslegen.«

      Pfarrer Zandler beeindruckte das nicht. Er lächelte gütig. »Sie leben in Scheidung, wie man sagt. Wer von Ihnen hat das Sorgerecht, oder ist das noch nicht geregelt?«

      »Doch, Herr Pfarrer, das ist geregelt. Wir haben uns über viele Punkte außergerichtlich geeinigt. Ich habe als Mutter das Sorgerecht. Mein Ma…« Sie verbesserte sich sofort. »Mein Noch-Ehemann hat keine Zeit, sich um Dennis zu kümmern.«

      »Aha! Werden Sie den Jungen im Internat lassen?«

      Sofort schaltete sich Karsten Niederhauser ein.

      »Wir waren uns einig, daß das für den Jungen am besten ist. Das ist ein erstklassiges Internat. Ich habe für meinen Sohn natürlich nur das beste gewählt. Ich bestand darauf, daß Dennis auch nach unserer Trennung dort bleibt, zumindest bis er einen ersten Schulabschluß hat. Später wird er mir dankbar dafür sein. Ich hatte als Kind nicht solche Möglichkeiten. Da hat er gleich die richtigen Kameraden. Da werden Seilschaften für das Leben geschlossen. Die werden ihm später nützlich sein.«

      Pfarrer Zandler wurde jetzt leicht ärgerlich.

      »Jetzt halten Sie bitte mal den Mund, Herr Niederhauser.«

      »Ich wollte das nur klarstellen. Sie benötigen doch Fakten.«

      Jetzt riß dem Pfarrer der Geduldsfaden. Er hatte sich wegen des Sohnes dieses Mannes die halbe Nacht um die Ohren geschlagen, seine Frühmesse ausfallen lassen, was kaum jemals vorgekommen war, höchstens, daß sie einmal später angefangen hatte. Die paar Mal, die sie ausgefallen war, lag der Pfarrer mit Grippe und Fieber im Bett.

      »Du aufgeblasener Gockel! Du überdrehter Affe! Du dummer Ochse, so dumm, daß du an sich schon eine Beleidigung für jedes Rindvieh bist. Ich brauche keine Fakten. Und dein Dennis, der braucht auch keine Fakten, was seine Zukunft betrifft. Der Dennis ist kein Posten in einer Bilanz, den man so frisieren kann, daß er automatisch immer auf der Habenseite steht. Um in deiner Sprache zu sprechen, du bescheuerter Größenwahnsinniger im Höhenrausch. Der Dennis braucht etwas ganz anderes. Der braucht Liebe von seinem Vater. Der braucht Zuneigung, Zärtlichkeit, Geborgenheit. Der Junge will angenommen werden.«

      Renate Niederhauser brach in schallendes Gelächter aus. Sie lachte, bis ihr die Tränen über das Gesicht liefen. Sie setzte sich auf einen Felsen am Wegesrand und lachte nur. Sie lachte, wie sie es die letzten Jahre ihres Lebens nicht mehr getan hatte. Jedesmal, wenn sie Karsten anschaute, der stumm dastand mit einem unbeschreiblich überraschten Gesichtsausdruck, mußte sie erneut lachen. In wenigen, aber höchst drastischen Sätzen, hatte der Pfarrer Karsten das an den Kopf geworfen, was sie jahrelang versucht hatte, ihm verständlich zu machen.

      Und Karsten Niederhauser schwieg! Es hatte ihm die Sprache verschlagen!

      Pfarrer Zandler wandte sich an Renate. Er lächelte sie an. Das war das Signal, daß sie ihm auf seine Frage antworten sollte.

      »Herr Pfarrer, ich war nie berufstätig, seit Dennis auf der Welt ist. Mein Ma… Ich meine, Karsten hat immer gut verdient, immer mehr und mehr. Ich übernahm die Rolle einer Frau, an der Seite eines erfolgreichen Mannes. Sein Lebensentwurf überdeckte alles. Alles hatte sich dem unterzuordnen, auch Dennis. Deshalb hat er Dennis ins Internat gegeben. Ich denke, daß es genügen würde, wenn Dennis in eine gute Schule geht, daheim. Dann könnte er nach dem Unterricht nach Hause kommen. Ich wäre da, und er hätte ein Heim, auch wenn wir geschieden sind. Besser nur eine Mutter, als gar keine Eltern! Ich hatte mir vorgenommen, bis zum Ende des Schuljahres mir ein Zimmer in der Nähe des Internats zu nehmen. Dann hätte mich Dennis so oft sehen können, wie er wollte. Im nächsten Jahr hätte ich ihn dann aus dem Internat genommen. Das wollte ich mit Dennis besprechen. Ich hätte ihn jetzt am Wochenende besucht.«