Название | August Bebel - Die Frau und der Sozialismus |
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Автор произведения | Bebel August |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027205295 |
Sugenheim 44 meint, das jus primae noctis als ein Recht des Grundherrn stamme daher, daß er die Zustimmung zur Verheiratung zu geben hatte. Aus diesem Rechte entsprang in Béarn, daß alle erstgeborenen Kinder einer Ehe, in der das jus primae noctis geübt worden war, freien Standes waren. Später wurde dieses Recht allgemein durch eine Steuer ablösbar. Am hartnäckigsten hielten, nach Sugenheim, an dieser Steuer die Bischöfe von Amiens fest, und zwar bis zu Beginn des fünfzehnten Jahrhunderts. In Schottland wurde das Recht der ersten Nacht von König Malcom III. zu Ende des elften Jahrhunderts durch eine Steuer für ablösbar erklärt. In Deutschland bestand es aber noch weit länger. Nach dem Lagerbuch des schwäbischen Klosters Adelberg vom Jahre 1496 mußten zu Börtlingen seßhafte Leibeigene das Recht damit ablösen, daß der Bräutigam eine Scheibe Salz, die Braut aber 1 Pfund 7 Schilling Heller oder eine Pfanne, »daß sie mit dem Hinteren darein sitzen kann oder mag«, entrichtete. Anderwärts hatten die Bräute dem Grundherrn als Ablösungsgebühr so viel Käse oder Butter zu entrichten, »als dick und schwer ihr Hinterteil war«. An noch anderen Orten mußten sie einen zierlichen Korduansessel, »den sie just damit ausfüllen konnten«, geben 45. Nach den Schilderungen des bayerischen Oberappellationsgerichtsrats Welsch bestand die Verpflichtung zur Ablösung des jus primae noctis noch im achtzehnten Jahrhundert in Bayern 46. Ferner berichtet Engels 47, daß bei den Walisern und Skoten sich das Recht der ersten Nacht durch das ganze Mittelalter erhielt, nur daß hier, bei dem Fortbestand der Gentilorganisation, nicht der Grundherr oder sein Vertreter, sondern der Clanhäuptling, als Vertreter sämtlicher Ehemänner, dieses Recht ausübte, sofern es nicht abgekauft wurde.
Es besteht also kein Zweifel, daß das Recht der ersten Nacht nicht nur während des Mittelalters, sondern noch bis in die Neuzeit bestand und eine Rolle im Kodex des Feudalrechts spielte. In Polen maßten sich die Edelleute das Recht an, jede Jungfrau zu schänden, die ihnen gefiel, und sie ließen hundert Stockstreiche dem geben, der sich beklagte. Daß die Opferung jungfräulicher Ehre auch noch heute dem Grundherrn oder seinen Beamten als etwas Selbstverständliches erscheint, das kommt nicht nur, weit häufiger als man glaubt, in Deutschland vor, sondern auch sehr häufig, wie Kenner von Land und Leuten behaupten, im ganzen Osten und Südosten Europas.
In der Feudalzeit waren die Eheschließungen im Interesse des Grundherrn, denn die daraus erwachsenden Kinder traten zu ihm in dasselbe Untertänigkeitsverhältnis wie ihre Eltern; seine Arbeitskräfte wurden dadurch vermehrt und hoben sein Einkommen. Daher begünstigten geistliche und weltliche Grundherren die Eheschließungen ihrer Untertanen. Anders gestaltete sich das Verhältnis für die Kirche, wenn sie Aussicht hatte, infolge von Eheverhinderungen durch Vermächtnis Land in kirchlichen Besitz zu bringen. Das betraf aber in der Regel nur die niederen Freien, deren Lage durch Umstände, wie sie angedeutet wurden, immer unhaltbarer wurde, und die ihr Besitztum an die Kirche abtraten, um hinter den Klostermauern Schutz und Frieden zu suchen. Andere wieder begaben sich gegen Leistung von Abgaben und Diensten in den Schutz der Kirche. Häufig verfielen aber auf diesem Wege ihre Nachkommen dem Los, dem ihre Vorfahren entrinnen wollten, sie gelangten allmählich in die Hörigkeit der Kirche, oder man machte sie zu Novizen für die Klöster.
44. Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft und Hörigkeit in Europa bis um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. St. Petersburg 1861.
45. Memminger, Stälin und andere, Beschreibung der württembergischen Ämter. Heft 20. (Oberamt Göppingen.) Hormayr, Die Bayern im Morgenlande. Anmerkung S. 38. Siehe Sugenheim, a.a.O., S. 360.
46. Über Stetigung und Ablösung der bäuerlichen Grundlasten mit besonderer Rücksicht auf Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, Preußen und Österreich. Landshut 1848.
47. A.a.O., S. 97.
3. Das Aufblühen der Städte. Klosterwesen und Prostitution
Die seit dem elften Jahrhundert aufblühenden Städte hatten ein lebhaftes Interesse, den Bevölkerungszuwachs zu begünstigen, indem sie die Niederlassung und die Eheschließung möglichst erleichterten; sie wurden Asyle für die dem unerträglichen Drucke sich entziehenden Landbewohner, für flüchtige Leibeigene und Hörige. Aber später änderten sich wieder diese Verhältnisse. Sobald die Städte Macht erlangt hatten und ein sich behaglich fühlender Handwerkerstand vorhanden war, wuchs bei diesem die Feindseligkeit gegen Neuhinzuziehende, die sich als Handwerker niederlassen wollten, in denen man unbequeme Konkurrenten erblickte. Es wurden Schranken gezogen gegen die Neuanziehenden. Hohe Niederlassungsgebühren, kostspielige Meisterprüfungen, Beschränkung der Gewerbe auf eine gewisse Kopfzahl von Meistern und Gesellen zwangen Tausende zur Unselbständigkeit, zum außerehelichen Leben und zur Vagabondage. Als dann im Laufe des sechzehnten Jahrhunderts, aus später anzuführenden Ursachen, die Blütezeit der Städte vorüber war und ihr Verfall begann, lag es in den beschränkten Anschauungen der Zeit, daß die Hindernisse zur Niederlassung und Selbständigmachung sich noch vermehrten. Andere Ursachen wirkten ebenfalls mit.
Die Tyrannei der Grundherren steigerte sich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt so, daß viele ihrer Untertanen vorzogen, ihr Jammerleben mit dem Geschäft des Bettlers, des Landstreichers oder Räubers, das durch die großen Wälder und den schlechten Zustand der Verkehrswege begünstigt wurde, zu vertauschen. Oder sie wurden, bei den vielen kriegerischen Streitigkeiten jener Zeit, Landsknechte (Söldner), die sich dorthin verkauften, wo der Sold am größten war und die reichste Beute lachte. Es entstand ein zahlreiches männliches und weibliches Lumpenproletariat, das zur Landplage wurde. Die Kirche trug zur allgemeinen Verderbnis redlich bei. Lag schon in der zölibatärischen Stellung der Geistlichkeit eine Hauptursache zur Förderung geschlechtlicher Ausschweifungen, so wurden diese durch den unausgesetzten Verkehr mit Italien und Rom noch begünstigt.
Rom war nicht bloß die Hauptstadt der Christenheit, weil Residenz des Papsttums, es war auch, getreu seiner Vergangenheit in der heidnischen Kaiserzeit, das neue Babel, die europäische Hochschule der Unsittlichkeit geworden und der päpstliche Hof ihr vornehmster Sitz. Das römische Reich hatte bei seinem Zerfall dem christlichen Europa alle seine Laster hinterlassen. Diese wurden in Italien gepflegt, und sie drangen von dort, begünstigt durch den Verkehr der Geistlichkeit mit Rom, nach Deutschland. Die ungemein zahlreiche Geistlichkeit, die zu einem großen Teil aus Männern bestand, deren geschlechtliche Bedürfnisse durch träges und üppiges Leben aufs äußerste gesteigert wurden und durch erzwungene Ehelosigkeit auf illegitim Befriedigung oder auf widernatürliche Wege gewiesen war, trug die Sittenlosigkeit in alle Kreise der Gesellschaft; sie wurde eine pestartige Gefahr für die Moral des weiblichen Geschlechtes in Städten und Dörfern. Mönchs- und Nonnenklöster, und ihre Zahl war Legion, unterschieden sich nicht selten von öffentlichen Häusern nur dadurch, daß darin das Leben noch zügelloser und ausschweifender war. Und zahlreiche Verbrechen, namentlich Kindesmorde, konnten dort um so leichter verborgen bleiben, weil in ihnen nur diejenigen die Gerichtsbarkeit ausüben durften, die oft mit an der Spitze dieser Verderbnis standen. Vielfach suchten Bauern ihre Frauen und Töchter vor geistlicher Verführung dadurch zu sichern, daß sie keinen als