August Bebel - Die Frau und der Sozialismus. Bebel August

Читать онлайн.
Название August Bebel - Die Frau und der Sozialismus
Автор произведения Bebel August
Жанр Социология
Серия
Издательство Социология
Год выпуска 0
isbn 9788027205295



Скачать книгу

zusammenhäuften. Er nennt sie die »schlechtesten Menschen«, ein »häßliches Volk« 35.

      Unter der Herrschaft der Römer schlossen sich die Juden immer enger untereinander an. Und unter der langen Leidenszeit, die sie von da ab fast das ganze christliche Mittelalter hindurch zu erdulden hatten, erwuchs jenes innige Familienleben, das der heutigen bürgerlichen Welt als eine Art Muster gilt. Dagegen vollzog sich in der römischen Gesellschaft der Zersetzungs- und Auflösungsprozeß, der das Reich seinem Ende entgegenführte. Der an Wahnsinn grenzenden Ausschweifung trat, als anderes Extrem, die strengste Enthaltsamkeit gegenüber. Wie früher die Ausschweifung, so nahm jetzt die Askese religiöse Formen an. Ein schwärmerischer Fanatismus machte für sie Propaganda. Die alle Schranken niederreißende Schwelgerei und Üppigkeit der herrschenden Klassen stand im grellsten Gegensatz zu der Not und dem Elend der Millionen und aber Millionen, die das erobernde Rom aus allen Ländern der damals bekannten Welt in die Sklaverei nach Italien schleppte. Unter diesen befanden sich auch zahllose Frauen, die vom häuslichen Herd, von den Eltern und vom Manne getrennt und von den Kindern gerissen, das Elend am tiefsten empfanden und sich nach Erlösung sehnten. Eine große Zahl römischer Frauen, angeekelt von dem, was um sie vorging, befand sich in ähnlicher Geistesverfassung. Jede Veränderung ihrer Lage schien ihnen willkommen. Ein tiefes Sehnen nach Veränderung, nach Erlösung ergriff weite Schichten, und der Erlöser schien zu nahen. Die Eroberung des jüdischen Reiches und Jerusalems durch die Römer hatte die Vernichtung der nationalen Selbständigkeit zur Folge und erzeugte unter den asketischen Sekten jenes Landes Schwärmer, welche die Entstehung eines neuen Reiches, das allen Freiheit und Glück bringen werde, verkündigten.

      Christus kam und das Christentum entstand. Es verkörperte die Opposition gegen den bestialischen Materialismus, der unter den Großen und Reichen des römischen Reiches herrschte, es repräsentierte die Auflehnung gegen die Mißachtung und die Unterdrückung der Massen. Aber da es dem Judentum entstammte, das nur die Rechtlosigkeit der Frau kannte und, in der biblischen Vorstellung befangen, sie als die Urheberin alles Übels ansah, predigte es die Verachtung der Frau, die Enthaltsamkeit und die Vernichtung des Fleisches, das in jener Zeit so schwer sündigte, und verwies mit seinen doppelsinnigen Redewendungen auf ein künftiges Reich, das die einen als himmlisches, die anderen als irdisches deuteten, das Freiheit und Gerechtigkeit allen bringe. Mit diesen Lehren fand es in dem Sumpfboden des römischen Reiches einen fruchtbaren Untergrund. Die Frau, wie alle Elenden, auf Befreiung und Erlösung aus ihrer Lage hoffend, schloß sich eifrig und bereitwillig ihm an. Hat doch bis heute keine große bedeutungsvolle Bewegung in der Welt sich vollzogen, in der nicht auch Frauen als Kämpferinnen und Märtyrerinnen hervorragten. Diejenigen, die das Christentum als eine große Kulturerrungenschaft preisen, sollten nicht vergessen, daß es gerade die Frau war, der es einen großen Teil seiner Erfolge zu danken hat. Ihr Bekehrungseifer spielte sowohl im Römerreiche wie unter den barbarischen Völkern des Mittelalters eine gewichtige Rolle. Durch sie wurden oft die Mächtigsten zum Christentum bekehrt. So war es zum Beispiel Chlothilde, die Chlodwig, den Frankenkönig, zur Annahme des Christentums bewog. Es waren Berta, Königin von Kent, und Gisela, Königin von Ungarn, die in ihren Ländern das Christentum einführten. Dem Einfluß der Frauen ist die Bekehrung vieler Großen zu danken. Aber das Christentum lohnte schlecht der Frau. Es enthält in seinen Lehren dieselbe Verachtung der Frau, die alle Religionen des Orients enthalten. Es gebietet ihr, die gehorsame Dienerin des Mannes zu sein, und noch heute muß sie ihm das Gelöbnis des Gehorsams vor dem Altare ablegen.

      Hören wir, wie die Bibel und das Christentum über die Frau und die Ehe sprechen.

      Paulus, der in höherem Grade als selbst Jesus der Gründer des Christentums genannt werden kann, Paulus, der dieser Lehre erst den internationalen Charakter aufdrückte und sie der beschränkten jüdischen Sektiererei entriß, schreibt den Korinthern: »Worüber ihr mir geschrieben habt, antworte ich: es ist dem Menschen gut, daß er kein Weib berühre. Aber um der Hurerei willen soll ein jeglicher sein eigenes Weib und eine jegliche ihren eigenen Mann haben.«... »Die Ehe ist ein niedriger Stand; heiraten ist gut, nicht heiraten besser.« »Wandelt im Geist und widersteht den Wünschen des Fleisches. Das Fleisch verschwört sich wider den Geist und der Geist wider das Fleisch.« »Diejenigen, die Christus erworben hat, haben ihr Fleisch gekreuzigt, mitsamt seinen Leidenschaften und Begierden.« Er selbst befolgte seine Lehren und heiratete nicht. Dieser Haß gegen das Fleisch, das ist der Haß gegen die Frau, aber auch die Furcht vor der Frau, die als die Verführerin des Mannes – siehe die Paradiesszene – dargestellt wird. In diesem Geiste predigten die Apostel und Kirchenväter, in diesem Geiste wirkte die Kirche das ganze Mittelalter hindurch, indem sie die Klöster schuf und das Zölibat der Priester einführte, und sie wirkt noch heute in diesem Geiste.

      Die Frau ist nach dem Christentum die Unreine, die Verführerin, welche die Sünde in die Welt brachte und den Mann zugrunde richtete. Daher haben die Apostel und die Kirchenväter stets die Ehe nur als ein notwendiges Übel angesehen, wie man das heute von der Prostitution sagt. Tertullian ruft: »Weib, du solltest stets in Trauer und Lumpen gehen, dem Blick deine Augen voll Tränen der Reue darbietend, um vergessen zu machen, daß du das Menschengeschlecht zugrunde gerichtet hast. Weib! Du bist die Pforte zur Hölle!« Und: »Ehelosigkeit muß gewählt werden, wenn auch das Menschengeschlecht zugrunde geht.« Hieronymus sagt: »Die Ehe ist immer ein Laster, alles, was man tun kann, ist, sie zu entschuldigen und zu heiligen«, weshalb man sie zum kirchlichen Sakrament machte. Origenes erklärt: »Die Ehe ist etwas Unheiliges und Unreines, Mittel der Sinnenlust«, und um der Versuchung zu widerstehen, entmannte er sich. Augustin lehrt: »Die Ehelosen werden glänzen am Himmel wie leuchtende Sterne, während ihre Eltern (die sie gezeugt) den dunklen Sternen gleichen.« Eusebius und Hieronymus stimmen darin überein, daß der Ausspruch der Bibel: »Seid fruchtbar und mehret euch«, nicht länger der Zeit mehr entspreche und die Christen nicht kümmere. Es ließen sich noch Hunderte von Zitaten der einflußreichsten Kirchenlehrer anführen, die alle in der gleichen Richtung lehrten. Und sie haben durch ihr fortgesetztes Lehren und Predigen jene unnatürlichen Anschauungen über geschlechtliche Dinge und den Verkehr der Geschlechter verbreitet, der doch ein Gebot der Natur, und dessen Erfüllung eine der wichtigsten Pflichten des Lebenszwecks ist. An diesen Lehren krankt die heutige Gesellschaft noch schwer, und sie erholt sich nur langsam davon.

      Petrus ruft mit Nachdruck: »Frauen, seid gehorsam euren Männern.« Paulus schreibt an die Epheser: »Der Mann ist das Oberhaupt des Weibes, wie Christus das Oberhaupt der Kirche«, und an die Korinther: »Der Mann ist das Ebenbild und der Ruhm Gottes und die Frau der Ruhm des Mannes.« Danach kann sich jeder Pinsel von Mann für besser halten als die ausgezeichnetste Frau, und in der Praxis ist es bis heute so. Auch gegen die höhere Bildung der Frau erhebt Paulus seine gewichtige Stimme, indem er, 1. Timotheum 2, 11 usw., sagt: »Ein Weib lerne in der Stille mit aller Untertänigkeit. Einem Weibe aber gestatte ich nicht, daß sie lehre, auch nicht, daß sie des Mannes Herr sei, sondern stille sei.« Und Korinther 14, 34 und 35: »Eure Weiber lasset schweigen unter der Gemeinde, denn es soll ihnen nicht zugelassen werden, daß sie reden, sondern untertan sein, wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so laßt sie daheim die Männer fragen. Es stehet den Weibern übel an, unter der Gemeinde zu reden.« Der heilige Thomas von Aquino