Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

Читать онлайн.
Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



Скачать книгу

trugen ihn zum Lager, weckten Achim und Allan, ließen uns nicht Zeit zu langen Erklärungen. Achim sollte den Ärmsten säubern, verbinden … einen Sterbenden.

      »Kognak!« sagte Coy …

      Und ich entkorkte eine Flasche …

      Coy dachte nicht an seine Würmer, nur an Chubur.

      Der trank, schluckte, hustete … Und das an den Sehnen heraushängende Auge pendelte grauenvoll hin und her.

      Dann tranken wir.

      Soffen … soffen …

      Coy nahm eine Zigarre, biß ein Stück ab – als Prim. Ein guter Gedanke. Ich machte es ihm nach. Dann spielten wir wieder Robben. Vielleicht lebte der skalpierte Chico noch … vielleicht.

      Wir krochen dorthin, wo das Grauen war. Und das Säbeln, Schneiden, Reißen begann von neuem.

      Aber jetzt hatten wir Sprit im Blute, jetzt wurde ich nicht seekrank …

      Es ging fix mit Chico …

      Auch ihn schleiften wir unter einer Seetanghülle in die Grotte hinein. Einen Toten?!

      Der Puls war nicht mehr zu fühlen …

      Allan, lieber kleiner Kerl, – wie tapfer warst du damals …! Wie hat er geholfen, hat mit Coy als Robbe Seewasser geholt, hat den Gang achtmal gemacht, während Achim und ich Ärzte spielten.

      Nun, Mister Gerald Mangrove hatte auch eine Reiseapotheke mit sich geführt. Vorsichtiger Herr. Mörder. Lag nun drüben gen Osten unter Geröll ganz nach Verdienst, und seine Medikamente brachten Chico ins Leben zurück, seine Sublimatpillen säuberten vereiterte Wunden, sein Chinin schluckte Chubur.

      Drei Stunden hatten wir mit den halbtoten Kameraden zu tun. Dann hatten wir getan, was wir tun konnten. Ob wir die schwach flackernden Lebensflämmchen würden erhalten können, – wir zweifelten daran.

      Coy saß und kochte Guanacobrühe – diesmal ohne Zigarrenstummel, für unsere Patienten. Achim fütterte Chubur mit zerkautem Zwieback. Chico war noch immer bewußtlos …

      Und wir drei Männer?

      Wir redeten wenig …

      Aber auch ohne Worte wußten wir, daß von diesen Turido-Bestien nur die Frauen am Leben bleiben würden.

      Coys düstere Miene sagte genug, und Achim hatte nur gemeint: »Wartet, Satansbrut!!«

      Wieder holten Coy und Allan Wasser – zum Waschen. Meldeten, daß in der Bucht alles wie bisher: keine Menschenseele!

      Coy und ich, fettriefend, stinkend, standen nackt da, und Achim und Allan seiften uns ab. Es war feinste französische Seife des Mister Mangrove, von Roger und Gallett in Paris. Monsieur Gallett ahnt wohl kaum, daß sein parfümiertes Fabrikat faulenden Gallert von muskelstrotzenden Gliedern entfernte.

      Mit Seetang schrubberten sie uns ab, und wie!! Ich war nachher krebsrot und duftete wie die Pompadour, wie französisches Dirnengewächs von Klasse.

      Coys Suppe war fertig.

      Chubur schluckte. Mit seinem einen Auge dankte er uns. Reden konnte er nicht. Und nach dem Becher Brühe bekam er Sprit. Dann schlief er, schnarchte bald … Pferdenatur!!

      Mit Chico stand’s schlimmer. Der machte uns die größten Sorgen. Sein erdfarbenes Gesicht, die eingefallenen Backen, die spitze Nase und der herabhängende Kiefer: mehr Leiche als lebend!

      Er mußte schlucken. Und als auch er dann den Becher Brühe im Leibe hatte, da tat er mit einem Male einen tiefen Atemzug …

      Coy lachte gutmütig …

      »Wird durchkommen … Das kennen … Chico nur Sehnen und Knochen … Nicht so leicht krepieren.«

      Wieder behielt er recht.

      Sie krepierten nicht, die beiden. Abends verlangte Chubur schon fast von selbst einen Zwieback, und Chico schlief wie ein Murmeltier.

      Abend war es geworden. Der Tag war dahingeflogen wie ein Nichts. Ein sonniger Tag, ein milder Abend hier am Rande des Stillen Ozeans.

      Und draußen in der Bucht?!

      Allan hatte als Robbe Wache gehalten auf dem Tangberg, hatte keine Menschenseele zu Gesicht bekommen.

      Wir vier waren nun überzeugt, daß die Turidos auf und davon waren und daß nur Tatjana hier zurückgeblieben und den Tod gefunden. Trotzdem wollten wir vorläufig noch in der Höhle bleiben und abwarten, vorsichtig sein …

      Wir hatten das Nachtmahl hinter uns. Achim verband Chuburs leere Augenhöhle von neuem, und ich nahm das Fernrohr und kroch in einem neu gefertigten Robbenanzug als Robbe nach dem Tanghügel.

      Wundervoller Sonnenuntergang. Rot die Randhöhen, rotviolett der Himmel. Die Brandung da vorn ein köstliches Farbenspiel.

      Ich war allein, und ich dünkte mich Gott. Ich hatte ein Tagewerk hinter mir, das Männerarbeit gewesen. Ich fühlte mich stark, gesund, durchglüht von dem Wunsche, die Spur dieser Bestien wiederzufinden. Dort vor mir lag der Wal, Denkmal menschlicher Bestialität! Wartet, Halunken!!

      Auch der Schwanz des Wales lag nun frei. Es war Ebbezeit. Der Wasserstand der Bucht um zwei Meter gesunken. Ich sah’s an den Flutmarken.

      Aus Seetang hatte ich mir eine Deckung geschaffen, konnte nun das Fernrohr benutzen, beäugte die Buchtgestade ganz genau. Wenn wir auch vorhin so ziemlich einig darüber gewesen waren, daß die Turidos die Bucht verlassen hätten, so behauptete eine hartnäckige Stimme, die aus meinem Unterbewußtsein kam, doch das Gegenteil. Und wie ich so dalag, gehüllt in das Robbenfell, die Kapuze über dem Kopf und nur den rechten Arm frei, wie ich jede Kluft, jede Spalte, jeden Vorsprung, jeden Baum und Busch der Steilwände musterte, was ja eine ebenso ergebnislose wie langweilige Beschäftigung war, glitt mein Denken so unversehens rückwärts in die junge, lebensvolle, bunte Vergangenheit.

      Als ich die Freunde vom Kutter »Torstensen« verlassen hatte, als ich mich Coy, Chico und Chubur anschloß, war es meine Absicht gewesen, nach Kapitän Holger Jörnsens Goldlager zu suchen, lediglich aus Fachinteresse. Ich wußte, daß man auf Feuerland verschiedentlich Gold entdeckt und daß ein Strom von Goldgräbern sich um das Jahr 1895 in die Einöden der großen Insel ergossen hatte. Sie alle waren bitter enttäuscht worden, und heute spricht niemand mehr von diesen Flüssen und Bächen, die wohl alle Gold mit sich führen, aber in so geringen Mengen, daß die Ausbeutung mit wenigen Ausnahmen nicht lohnte. Jörnsens Goldfunde dagegen hier auf Santa Ines mußten anderer Art gewesen sein. Er hatte einmal angedeutet, daß er im Urgestein eine richtige Goldader entdeckt habe, die frei zutage träte und die er trotzdem nicht abgebaut habe. Er verachtete das Gold wie ich. Nach dieser Goldader zu suchen, wie ich es beabsichtigt, wäre ein zeitraubendes Vergnügen geworden. Nun – der Kulturmensch, der mitten in der sogenannten Zivilisation lebt, kann sich wohl leicht etwas vornehmen und es auch durchführen. Ihn lenkt so leicht nichts ab. Er findet keine unerwarteten Hindernisse, ihm begegnet kein Joachim Näsler mit Monokel und Schiffskochmütze, der ihm von einem Dampfer »Starost« und von einer Höllenmaschine und zehn Rohrstücken berichtet. Jörnsens Gold war für mich erledigt. Nur der Alltagsweg verläuft schnurgerade. Wege abseits vom Alltag sind Labyrinthe des Zufalls.

      So lag ich denn nun hier, ließ Goldader Goldader sein und suchte die, deren Bestialität bestraft werden mußte.

      Mein Fernrohr schwenkte herum, dorthin, wo das Loch in den Klippen war, wo die See in die Bucht rollte und wo jetzt bei niedrigem Wasser zahllose heimtückische Riffe noch zum Vorschein gekommen waren. Ich wußte ungefähr, wo Tatjanas lecker, für uns unsichtbar gebliebener Kahn versunken war. Ich sah dort jetzt vier Riffe, die ein Viereck bildeten, stumpfe dicke schwarze Felsen, emporragend aus der Tiefe, bei Flut verschwunden – also nach ein paar Stunden wieder bedeckt von den schäumenden Wogen …

      Vier Riffe … Vier von unzähligen anderen.

      Kleinigkeiten sind’s, die den Anstoß zu lawinenartigem Anwachsen bisher nie geahnten Geschehens geben. Beispiel: Mein eigenes Leben! Wenn ich damals vor mehr denn einem Jahre nicht