Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel

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Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835246



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href="#u9ec6df62-50e5-5226-b90b-cfa06f8314e6">15. Entweihtes Paradies

       16. Das Nest des Aasgeiers

      1. Kapitel

       In den Kalkbergen des Wadi Arabah

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn man von dem Rätsellächeln der Asiaten spricht, von diesem Lächeln, das alles und nichts besagen kann: Mein Kamerad Gupa war Asiate, war sogar reinblütiger Mongole vom großen Volke der Chalcha, — aber sein Lächeln war so selten wie der Regen im Felsengewirr des Wadi Arabah, jenes Kalkplateaus mit den tiefen, breiten Talkerben, das nun meine neue Heimat geworden war.

      Wenn Gupa, ein Riese von ebenmäßigem Körperbau, überhaupt lächelte, verzog er den Mund nur zu einem spöttisch-geringschätzigen Bogen.

      Und als er damals über mein verwirrtes Gesicht lächelte, nachdem ich Wera Zubanoffs Brief gelesen hatte, empfand ich keinerlei Aerger über diese seine schlecht verhehlte Verachtung für zartere Gefühle, denn — er war Mongole, und die Frauen bedeuteten ihm nur Spielzeug oder Sklavin.

      — Der Morgen weckte mich in meiner kleinen Zelle. Zu den altgewohnten Störenfrieden des Klosters St. Antonius gehören die in den Felsklüften zahllos nistenden Raben. Diese schwarzen Gesellen vertreten hier die nützlicheren Herren einer Hühnerschar. Kein Hahnenschrei weckte mich: Rabengekrächz! Es war eine unruhige Nacht gewesen. Wera kommt …!

      … Ich träumte von Fesseln, die meine Freiheit für immer beschwerten … Ich hatte es verlernt, mich auf etwas zu freuen. Das war es.

      Nur das?!

      Oder hatte ich mich nicht vielmehr an diese schrankenlose Freiheit zu sehr gewöhnt?! Würde mir diese Frau nicht jenen Weg weisen, der nichts anderes war als die ausgetretene Straße des Alltags?! … Ich hatte rasch gefrühstückt … Eine Hand voll Datteln, ein Trunk Wasser genügten. Leise verließ ich die Zelle. Ueber den Klosterbauten lag noch das fahle Licht der Dämmerung, in dem Garten zeigte sich noch keiner der arbeitsamen jüngeren Mönche, der Bruder Torhüter fragte nur erstaunt:

      »So früh?! Wohin?!«

      »Zu Gupa … Wir werden Wera Zubanoff entgegenreiten …«

      Gupa mied das Kloster. Er hauste droben in den weißen Klippen, von denen man ein Stückchen des Nordteiles des Roten Meeres erspähen kann. Seine Höhle war lang und schmal und hatte noch einen zweiten Ausgang und kleinere Abzweigungen.

      »Sei vorsichtig!« mahnte der alte Mönch, den ich nie ohne seinen Tschibuk sah. »Denke an die Kugeln, denke an …«

      Ich klopfte mit dem Knöchel des Zeigefingers auf den Kolben der Büchse, und dann streichelte ich meines Hundes rostbraunen Kopf.

      »Die beiden schützen mich, Bruder … Keine Sorge!«

      Der Greis, dem der Pfeifenrauch den weißen Bart um den Mund gelblich gefärbt hatte, sagte trotzdem nochmals und eindringlicher: »Die Kugeln in der Dunkelheit gestern galten dir …! Eine Kugel ist unberechenbar wie ein störrisches Maultier. Du mußt einen Feind haben, Bruder.«

      Er blickte mich dabei aus noch immer seltsam klaren Augen vertraulich an. Wir standen hier auf der Ringmauer des Klosters, und Wrangel, mein Hund, und die frechen Raben waren die einzigen Zeugen seiner Warnung. »Die Frau, die hierher kommen will, hat einen Gatten, Bruder … Er ist koptischer Christ wie ich, — trotzdem …«

      »Zubanoff der Schütze?! Niemals!« — und das war meine ehrliche Ueberzeugung.

      Der Greis meinte sanft: »Ich kenne nichts von der Welt und ihren Fallstricken, nichts von den Lastern, Vergnügungen und Zerstreuungen all der Abermillionen, die jenseits dieser weißen, ewig sonndurchglühten Berge wohnen. Ich kam als vierzehnjähriger Knabe hierher. Darüber ist ein Menschenalter vergangen …«

      Seine graublauen Augen, die jetzt auf den Kuppen der Felswildnis mit verlorenem Ausdruck ruhten, waren durchaus die eines reinblütigen Europäers. Seine faltige Gesichtshaut freilich hätte mehr auf einen Bewohner des nur hundertfünfzig Kilometer entfernten Niltales hingedeutet.

      Dieser Bruder Pförtner, Theodorus ward er genannt, war im Vergleich zu den übrigen Koptemönchen dieses ältesten Klosters der Welt ein verschlossener Charakter. Heute schien er in ganz bestimmter Absicht das Gespräch auf seine Vergangenheit zu lenken.

      » … Bruder Olaf, es sind fast sechzig Jahre her … Unser Kloster war damals, als ich hierher kam, erst wieder durch milde Spenden der koptischen Gemeinden bewohnbar gemacht worden. Es hatte lange Zeit leer gestanden. Ich kam hierher, weil einige Brüder, die nach Kairo pilgerten, um notwendige Dinge einzukaufen, unterwegs eine von Wüstenräubern überfallene kleine Karawane fanden — nur Tote … Ich … war der einzige Ueberlebende. Ich hatte mich während des Angriffs der Beduinen in den Klippen verkrochen, aber der Schreck und die Angst hatten mir die Sprache geraubt und warfen mich monatelang auf das Krankenlager. Als ich hier in diesen friedlichen Mauern endlich genesen war, war auch mein Gedächtnis tot. Da die Brüder bei den bereits in Verwesung übergegangenen Leichen keinerlei Papiere gefunden hatten und da sich auch nicht feststellen ließ, woher die kleine Karawane in diese öden Berge des Wadi Arabah gelangt sein könnte, weiß ich nichts über meine Eltern, über meine Heimat, über meinen Namen …«

      Sein Blick streifte mein braunes Gesicht. »Bruder, du bist einer der Ruhelosen … Ich kenne deine Schicksale. Deine nordische Heimat mußt du meiden. Wir alle haben dich gern. — Bruder, ich weiß nur eins über meine Eltern … Sie müssen wie du ziellose Erdenpilger gewesen sein, denn die Behörden in Aegypten konnten über die zehn Toten, alles Europäer, nichts in Erfahrung bringen. Es sind sechzig Jahre seit jenem Ueberfall dahingegangen, und …« — er zögerte — » … und selbst du, der vielleicht mein Sehnen nach Aufklärung über meine Herkunft stillen könnte, wirst kaum etwas ausrichten.«

      Also, das war es!

      Ich reichte ihm die Hand. »Bruder Theodorus, wir werden ein andermal eingehender darüber sprechen. Jetzt muß ich aufbrechen. Der Anstieg zu Gupas Höhle im Sonnenschein ist eine Qual, und Gupa und ich werden Wera Zubanoff entgegenreiten. Sie wird den Weg über Ab-el-Ejam vom rechten Nilufer wählen, es ist der für Dromedare bequemste, und als gute Kamelreiterin dürfte sie für die Strecke kaum zwei Tage brauchen … Lebe wohl, Bruder, auf Wiedersehen.«

      Der Hund und ich schritten auf der breiten Ringmauer hin nach Osten bis zu der verfallenen Treppe.

      Eine seltsame Schwere lastete auf meinen Gliedern, das ekle Geschrei der Raben war mir widerwärtig, und ich fühlte bereits die Unfreiheit, die meiner drohte. Ich war ehrlich vor mir selbst: Ich taugte nicht zum Liebesgefährten einer Frau von Weras bezaubernder Schönheit. Erst einmal Sklave solcher Schönheit, und meine Lebenslinie würde abbiegen in das Grau des Alltags, die Ernüchterung würde kommen und dann vielleicht … ein Auseinandergehen voller Enttäuschung, voll geheimen Hasses.

      Nur das nicht!! —

      Ich begann zu klettern. Und die Anspannung der Muskeln, das Spiel der Kräfte war Ablenkung und frohe Aufmunterung. Vor Gupas Höhle zog sich eine Terrasse hin, in deren nördlichem Schattenwinkel eines jener nie versiegenden, daher rätselhaften Wasserlöcher sich befand, die dem Gebirge ringsum eigentümlich sind.

      Gupa stand vor der Zisterne und holte gerade am langen Strick den Wassereimer hoch.

      »Morgen, Gupa …«

      »Morgen, Olaf …« Er ließ sich nicht stören, er wandte kaum den Kopf. Er war nackt bis auf ein Hüfttuch, und dieser muskelstrotzende athletische Körper erregte erneut meine Bewunderung.

      Gupa nahm sein Morgenbad, goß sich den gefüllten Eimer über den Kopf und schüttelte die Nässe ab, legte dann seine Kleidungsstücke an, ganz leichte Unterwäsche, darüber einen braunen, mehr grauen mantelartig geschnittenen Leinenstoff, den er mit einem Lederriemen zusammenhielt. Er zog die derben