Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

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Название Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831200



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      Ich trat den Rückweg an, ließ die Tür, sie mit beiden Händen stützend, zufallen und legte das Schloß vor.

      Der Bodenraum war hier mit allerlei Gerümpel gefüllt. Auch zerbrochene Möbel waren darunter. Der Lichtkegel streifte jetzt etwas, das halb hinter einem Schrank stand, – ein Götzenbild! Ein indisches Götzenbild, die Göttin Kali darstellend, die blutige Kali, die Schutzpatronin der einst so gefürchteten Mördersekte des Thugs.

      Ich trat unwillkürlich näher. Die fast lebensgroße Statue weckte allerlei Erinnerungen in mir. Es gab ja eine Zeit – und sie lag keine zwei Jahre zurück, wo auch wir in Indien gegen diese Mördersekte gekämpft hatten. Und – was war das für ein Kampf gewesen! Überreich an Aufregungen, Überraschungen, Gefahren! Und doch – bei alledem hatte der poetische Reiz des Zauberlandes Indien das Häßliche so stark abgeschwächt, daß ich in diesem Augenblick, wo die Vergangenheit so lebendig in mir wurde, eine leise Sehnsucht nach dem fernen Wunderreiche der phantastischen Marmortempel in mir aufsteigen fühlte. – Dann besann ich mich: Domke war ja in Indien als Eisenbahningenieur tätig gewesen! Domke hatte die Statue der Kali aus Indien mitgebracht.

      Noch einmal schaute ich mir den Götzen an. Dann schlich ich weiter der nächsten Tür zu. Bald stand ich auf der Treppe, die in den zweiten Stock hinabführte.

      Da, von rechts aus dem Flur ein kurzes Aufleuchten.

      Das konnte nur eine Taschenlampe gewesen sein. Sollte Harald bereits –

      Wirklich – er bog schon um die Ecke. Er winkte mir zu. Ich eilte die Stufen hinab. Er ging mir voran, bog in den rechten Seitenflügel ein.

      Auch hier im Flur Tür an Tür; bald Flügeltüren, bald einfache Türen; alle gelbgrau gestrichen; alle mit alten, dicken blanken Messingdrückern.

      Harst öffnete jetzt eine Flügeltür, trat ein, ließ mich vorbei, schloß von innen ab. Der Schlüssel steckte im Schloß.

      Seine Taschenlampe flammte auf; der weiße Lichtfinger betastete nur wenige Möbel, nur wenige Bilder an den Wänden – alles Dinge, die uralt waren. In diesem Steinkasten war ein Vermögen an antiken Sachen untergebracht.

      „Hier endet die elektrische Leitung,“ sagte Harald leise. „Dort in dem Schränkchen ist sie an die Hausleitung angeschlossen; dort befindet sich auch ein Schalter, um den Strom für die Glühbirne oben auf dem Turm schließen und unterbrechen zu können; von hier kann man durch die Fenster nach dem Walde hinüberschauen. Dies dürfte das Spukzimmer des Schlosses sein.“

      „Wie bist Du denn hier eingedrungen? War ein Fenster offen?“ fragte ich gespannt.

      „Nein. Ich habe eine sehr merkwürdige Entdeckung gemacht. Wäre ich nicht am Turme hinabgeklettert, hätte ich nie die kleine Eisentür gefunden, die außen am Turme unter dem Efeu verborgen ist. Sie ist gerade groß genug, einen Menschen kriechend hindurchzulassen. Ich glaube, weder Domke noch sonst einer der letzten Besitzer des Schlosses ahnt etwas von dieser Tür. Es war nicht leicht, sie nach innen aufzudrücken. Sie hat ein altes Schloß, das eingerostet war. Aber – die elektrischen Drähte gingen durch das große Schlüsselloch hindurch –“

      Ich hörte atemlos zu.

      „Ja, und als ich sie aufgedrückt hatte, fand ich dahinter einen schrägen Schacht in der Mauer und eine Steintreppe. Diese Treppe endete vor einer zweiten eisernen Tür, die nur angelehnt war. Ein Gang zieht sich dort durch Außenmauern hin, und die beiden Drähte wiesen mir den Weg –“

      Er trat jetzt an einen halb in die Wand eingelassenen Schrank heran, öffnete ihn und – schob die Rückwand empor. Der Lichtkegel erleuchtete den schmalen Gang, erleuchtete vier Stufen.

      „So, nun wollen wir die Tür wieder aufschließen,“ meinte Harald. „Und dann werde ich Dir noch etwas zeigen –“

      Ich drehte den Schlüssel der Flurtür um. Wir stiegen die vier Stufen hinab, schlossen den Schrank, schoben die Rückwand herunter und tappten weiter – bis zu der Stelle, wo der Seitenflügel an den Mittelbau stieß.

      Harald deutete stumm auf eine Treppe, die hier abwärts führte. Der Gang selbst zog sich in scharfer Krümmung noch weiter.

      „Dort unten war ich noch nicht,“ sagte Harst leise.

      Die Treppe war so eng, daß man die Ellenbogen an den Leib drücken mußte. Als wir nach unserer Berechnung im Erdgeschoß waren, zog sich wieder ein Gang nach rechts hin. Dann abermals vier Stufen; abermals die Rückwand eines in die Mauer eingefügten Eichenholzschrankes.

      Harald schob die Rückwand hoch. Hier hingen in dem Schranke Anzüge – Männeranzüge.

      Harst besah sie sich genau, flüsterte dann: „Für jetzt mag’s genug sein. Kehren wir um.“

      Unangefochten kamen wir wieder in das Spukzimmer. Harald schlug den einen Fenstervorhang zurück und nahm sein Fernglas zur Hand, richtete es auf den Wald und meinte: „Wir wollen warten. Vielleicht kehrt der Mann zurück –“

      Kaum zwei Minuten mochten vergangen sein, als er das Glas sinken ließ.

      „Bitte – schau’ mal hindurch!“

      Und – ich fand den Mann sehr bald. Er lief. Und er hatte in der Rechten ein großes Paket. Er lief auf die Parkmauer zu. Dann verschwand er, da die Bäume ihn verbargen.

      „Gehen wir schlafen, mein Alter. Wir können zufrieden sein,“ sagte Harald. „Wir werden mit meinen fünf Millionen unter einem Dache schlafen. Und die Hauptsache: der Mann hat keinerlei Argwohn geschöpft, hält uns wirklich für Handwerker. Sonst würde er das Paket nicht mitbringen!“

      Gleich darauf waren wir in unserem Zimmer.

      Beim Auskleiden erzählte ich Harald von der Statue der Göttin Kali oben auf dem Boden.

      Er schien sehr überrascht zu sein. „Du hast recht,“ meinte er, „es ist sehr merkwürdig, daß Domke den Götzen dort hingestellt hat –“ – Sein Gesicht war nachdenklich geworden.

      Ich schlüpfte ins Bett und schlief auch sofort ein. Ich war hundemüde gewesen. –

      Um sieben Uhr weckte Harald mich.

      „Meester, nu wird’s sachte Zeit,“ sagte er, denn den Tapeziermeister Klormig spielte ich hier, und Harst den Gesellen Karl Hanf. „Det Frihstick is all da, Meester. Und et is ’n scheenet Frihstick. Sonne Worscht wie die da jibt’s nur uf’s Land, Meester.“ –

      Dann setzte ich mich an den gedeckten Tisch. Neben meiner Kaffeetasse lag ein Zettel. Darauf stand in Haralds Schrift mit Bleistift:

      Geduld, mein Liebling. Bisher hat D. nichts gemerkt. Sonntag wie immer. Dein treuer Erich.

      Dann folgte ein Bleistiftstrich, und unter diesem war zu lesen:

      Tausend Küsse. Arbeite nicht zuviel. Ich freue mich auf Sonntag. In Liebe Deine Elly.

      Ich schaute meinen „Gehülfen“ verwundert an.

      Und – der lächelte –! Lächelte und flüsterte:

      „Das ist der Text der beiden Lichtdepeschen von der verflossenen Nacht.“

      „Natürlich bedeutet jedes dieser harmlosen Worte etwas ganz anderes,“ meinte ich leise.

      „Vielleicht – vielleicht auch nicht, Meester! Ich bin bereits anderthalb Stunden fix und fertig angezogen und habe mir auch schon die beiden Zimmer angesehen, die wir tapezieren sollen, habe zwei Eimer für den Kleister besorgt, einen lagen Tisch, eine Trittleiter und – habe Domke gesprochen.“

      „Ah – und das alles habe ich verschlafen!“

      „Du hast nichts verloren dabei. Was Domke mir über den Spuk sagte, sollst Du sofort erfahren. Als Domke das Schloß vor zwei Jahren kaufte, spukte es noch nicht. Aber – es hatte früher gespukt und zwar sollte der hingerichtete Herr von Argendecher nachts unsichtbar mit Ketten beladen durch die