Название | Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch |
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Автор произведения | Walther Kabel |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075831200 |
„Ich denke, nun hat der Geist ausgespukt. Nun können wir mal den Turm besuchen.“ –
Der Turm war dem Mittelbau aufgesetzt. Wir mußten, als wir den Bodenraum erreicht hatten, erst eine eiserne, dann eine hölzerne Tür aufschließen, dann eine dritte und die Falltür, durch die man auf die Plattform gelangte.
Wir hatten die drei ersten Türen hinter uns wieder versperrt. Nur das Vorlegeschloß der Falltür konnten wir nicht verschließen. Aber wir hatten sie wieder zugeklappt.
„Vorsicht – nicht aufrichten!“ meinte Harald jetzt.
Die viereckige Plattform hatte eine ein Meter hohe Einfassung von Ziegeln in Form von Burgzinnen, außerdem aber auch in dieser Einfassung unten zwei Reihen herzförmiger Öffnungen. Die Efeustauden hatten sich bis hier nach oben gerankt, waren durch die Öffnungen eingedrungen und hatten die Einfassung stellenweise vollständig mit ihrem dunkelgrünen Laub umsponnen.
Harst hatte die Konservenbüchse bald gefunden, hatte sie vorsichtig aus der nach Nordost gerichteten Öffnung herausgezogen und besichtigte sie nun beim Schein der Taschenlampe.
Wir knieten dicht nebeneinander auf dem Zinkblechbelag der Plattform. Wir sahen, daß der Deckel der Büchse herausgeschnitten war und daß die elektrische Glühbirne mit dem Glaskörper nach der Deckelseite zu durch Bindfaden, der durch die Wandung ging, befestigt war. Die beiden Isolierdrähte, grün besponnen, liefen durch Löcher im Boden der Büchse hindurch und dann durch das nächste Mauerloch offenbar an der Außenseite des Turmes nach unten.
Während wir noch diesen primitiven Scheinwerfer prüften, geschah etwas, das meinen Verdacht nur bestätigte: die Birne glühte plötzlich auf!
„Ah,“ meinte Harald. „Lichttelegraphie!“
Genau dasselbe hatte ich vermutet.
Er schob die Büchse rasch wieder, die Birne nach außen, in die Maueröffnung hinein.
An dem Lichtschein, der den Außenrand der Öffnung noch mit erleuchtete, konnten wir bequem feststellen, in welchen Pausen die Birne aufflammte.
Harald hatte schon sein Notizbuch gezogen und zeichnete durch Striche und Punkte genau die Reihenfolge der längeren und kürzeren Lichtblitze, ebenso auch die ganz langen Pausen, wahrscheinlich also die Pausen zwischen einzelnen Worten, auf.
Dann nichts mehr. Die Glühbirne sandte ihre Strahlen nicht mehr in die Nacht hinaus.
„So,“ meinte Harald. „Nun müßte jemand antworten. Oder – die Glühbirne gab die Antwort auf Lichtzeichen, die bereits aus der Ferne gekommen waren.“
Wir erhoben uns, reckten die Köpfe über die Zinnen und spähten gen Nordost über die nächtliche Landschaft hinweg.
Schloß Domkenhof lag inmitten ebener Felder. Nordost zu erkannten wir den dunklen Strich eines Waldes, der etwa sechshundert Meter entfernt sein mochte. Und über diesem Walde blinkte es jetzt zeitweise auf wie ein Stern, dessen Leuchtkraft in Intervallen erlosch.
„Die Antwort!“ flüsterte Harald. „Die Antwort aus der Krone eines offenbar sehr hohen Baumes.“
Er griff unter seinen Kittel, holte das Fernglas hervor, stellte es ein und erklärte dann:
„Ja – es ist ein Baum. Es kann der Form der Krone nach eine Eiche sein –“
Dann schrieb er wieder die Lichtzeichen mit – lang, kurz – Strich, Punkt – lang, lang – Strich, Strich – – und so weiter.
Die ferne Lichtquelle stellte ihre Arbeit um drei Viertel drei ein.
„Man soll das Eisen schmieden, so lange es warm ist,“ sagte Harald nachdenklich. „Wenn die Uhr vier geschlagen hat, dürfte der, der von einem Fenster unten die Lichtzeichen aus der Eiche beobachtet hat, zur Ruhe gegangen sein. Dann werde ich an den Efeustauden hinabklettern und feststellen, wo die beiden Isolierdrähte wieder im Innern des Schlosses verschwinden. Diese Kletterpartie ist ganz ungefährlich. Der Efeu hält besser als ein Strick.“
„Was mag die Telegraphie zu bedeuten haben, Harald?“
„Ja – wenn ich das wüßte! Ich habe wirklich keine Ahnung, was hier geplant wird, mein Alter. Wir sind ja auch erst wenige Stunden hier.“
„Glaubst Du, daß Orstra hierbei seine Hand mit im Spiel hat?“
Er zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf das Zinkblech. Ich nahm neben ihm Platz.
„Wie soll ich das jetzt schon entscheiden?“ erwidert er. „Daß Orstra sich hier auf dem Gebiet des Gutes umgezogen und in die Radlerin verwandelt hat, steht fest. Er hat sich in dem Gebüsch wahrscheinlich auch rasiert. Als er gerade umgekleidet war, sah er Domke kommen. Er überlegte blitzschnell. Es schien ihm wohl zu gefährlich, den Rucksack mitzunehmen. Domke hätte vielleicht verlangt, daß er ihn öffnete. So ließ er ihn liegen und spielte die harmlose Dame, die einen Radausflug macht. – Es kann ein Zufall sein, daß Orstra hier die Umkostümierung vornahm – kann! Aber – ich nehme an, es wird kein Zufall gewesen sein. Das zufällige Zusammentreffen von drei Tatsachen: Schloßgespenst, Lichttelegraphie und Orstras Auftauchen hier, wäre zu merkwürdig. Vielleicht hatten Orstra und Gumlowsky in Domkenhof einen Streich vor, irgend eine ganz besondere Sache! Jedenfalls steckt dann hier im Schloß ein Komplice von ihnen. Und es wird unsere Aufgabe sein, diesen Komplicen, der Lichtsignale gibt und empfängt, herauszufinden.“
Er rauchte ein paar Züge und starrte vor sich hin.
„Dieser Komplice – es mag auch ein Weib sein – kann auch das Gespenst spielen,“ fügte er hinzu. „Rätselhaft an dieser Geistergeschichte ist übrigens nur eins: daß der Hund auskniff und sich verkroch. Aber auch dies ließe sich erklären, wenn –“
Er hatte immer langsamer gesprochen – so, wie einer, der mit den Gedanken anderswo ist.
Jetzt eine Pause. Dann:
„Nein – daß mir das nicht sofort eingefallen ist! – Wo hat Orstra die Geldpakete gelassen?! Er ist doch fraglos, nachdem er sich in Berlin ein Rad gekauft hatte, davongefahren. Er muß das Geld und auch die falschen Banknoten bei sich gehabt haben. Wo und wann verbarg er sie? Er kann sie doch nur vergraben haben, oder – er vergrub sie nur für kurze Zeit und wollte sie dann anderswo unterbringen – anderswo – vielleicht gar hier!“
3. Kapitel
Er stand schnell auf; er hatte das Fernglas schon vor den Augen.
Auch ich erhob mich. Ich ahnte, wonach er hinausspähte in das bläulichweiße Halbdunkel der schwindenden Nacht: nach dem Komplicen, der jetzt vielleicht das Schloß verließ, um mit dem zusammenzutreffen, der vom fernen Baume die Lichtsignale erwidert hatte!
Das Fernglas bewegte sich langsam – bald hierhin, bald dorthin. Ich selbst konnte mit unbewaffnetem Auge kein lebendes Wesen entdecken. Dann stieß Harald ein leises: „Also doch!“ aus.
„Du siehst jemand?!“ fragte ich.
„Ja – einen Mann. Er ist schon recht weit entfernt; er läuft – dem Walde zu – auf einem Feldweg entlang. Der hellere Strich zwischen den Feldern ist der Weg –“
Dann setzte er das Glas ab.
„Nun kann der Mann mich nicht stören, wenn ich an den Efeuranken hinabklettere; ihn zu verfolgen wäre zwecklos; er wäre längst im Walde verschwunden, bevor wir den Waldrand erreicht hätten. Wenn er uns bemerken würde, wäre auch alles verdorben. Es ist am besten, wir benutzen seine Abwesenheit hier zu einer gründlichen Untersuchung.“
Er schwang sich schon auf die Zinne, die über der Öffnung lag, durch die die Drähte in die Tiefe führten.
„Vorsicht!“