OUTBREAK - Hinter den Linien. Luke Duffy

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Название OUTBREAK - Hinter den Linien
Автор произведения Luke Duffy
Жанр Языкознание
Серия Outbreak
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958352094



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kratzte die Passage über Bassim den Kommandostab überhaupt nicht mehr. Die waren vielmehr brennend an dem Dorf interessiert, obwohl du nur in einem kurzen Abschnitt darauf zu sprechen gekommen bist.«

      Stan biss sich auf die Unterlippe und nickte erneut, während sich seine Gedanken praktisch überschlugen.

      »Wie dem auch sei«, fuhr Gerry fort und schlug dabei einen erfreuteren Tonfall an. »Wo stecken denn die Männer? Sind sie alle okay? Sie können sich ihre Bezahlung und neue Identitäten in meinem Büro abholen – eine gute Flasche Whiskey noch dazu. Wenn du also kurz wartest, begleite ich dich und lasse mich kurz bei ihnen blicken. Ich bin mir sicher, sie wissen meine Geschenke zu schätzen.«

      Die Unterkünfte des Teams entsprachen nicht den durchschnittlichen Soldatenquartieren. Natürlich nannte man sie gewohnheitsmäßig »Kasernenblock«, aber darum handelte es sich beileibe nicht: In Wirklichkeit hatten sie auf Kosten des Verteidigungsministeriums eine ganze Etage von Luxuswohnungen bezogen. Das komplette 18. Stockwerk eines erstklassigen Appartementgebäudes im Herzen von London.

      Die Männer konnten ihrem Anführer Stan für das großzügige Logis danken. Nach ihrer Rückkehr von der Mission in Brüssel waren sie alle unverhofft aus der Dreizimmerwohnung am Rand von Peckham geholt worden, in die sie sich gezwängt hatten, und buchstäblich in die höheren Kreise der Gesellschaft aufgestiegen.

      Während Stan die Umschläge mit ihrem Sold und den Dokumenten zu den besagten Identitäten austeilte, schenkte Gerry den Whiskey ein und setzte seine übertriebene Jubelarie darüber fort, wie sehr er sich darüber freue, sie alle wohlbehalten nach dieser sauber ausgeführten Arbeit wiederzusehen.

      Die Männer erhielten jeden Monat eine beträchtliche Summe Geld, und zwar bar auf die Hand. Sie besaßen keine Bankkonten in Großbritannien, also wanderten die Scheine stets zuerst in geheime Schließfächer und von dort aus zu ausländischen Instituten.

      Über ihren Sold führte man genauso wenig Buch wie über ihre Operationen. Im Verteidigungsministerium würde man keine Spur von ihnen finden. Sie trugen niemals vom Militär ausgegebene Kleidung oder Nutzmittel, sondern zogen sich an, wie sie es wollten. Alles was sie verwendeten, darunter auch Funkgeräte, Nachtsichtbrillen und Navigationsausrüstung, ließ sich auf jedem Schwarzmarkt und selbst im Internet kaufen. Die Seriennummern entfernten sie gründlich, um keinerlei Verknüpfung zwischen den Mitgliedern, ihrem Handwerkszeug und ihrer Herkunft zuzulassen.

      Bei den Waffen sah die Sache allerdings anders aus, zumal sie wesentlich schwieriger zu besorgen waren, doch dank der Kontakte, die Gerry und die Männer weltweit pflegten, konnten sie stets am jeweiligen Einsatzort kaufen, was ihren Bedürfnissen gerecht wurde.

      Zu Hause in England ließ ihr Auftreten glauben, sie seien alles andere als Soldaten, weil sie so komfortabel wohnten und ihre Brieftaschen immerzu locker sitzen hatten. Diese Appartements zu beziehen kam ihnen besonders entgegen, weil sie dort überhaupt nicht auffielen. Alle anderen Bewohner des Gebäudes waren reich und wahrten von sich aus eine gewisse Diskretion, also wunderte sich kaum jemand darüber, dass die acht strammen Kerle immerzu kamen und wieder verschwanden.

      Allerdings bestätigte auch hier eine Ausnahme die Regel.

      Mehrere Etagen über ihnen lebte ein schwelgerischer Unruhestifter namens Roland. Er war angeblich einmal so etwas wie ein Kleingangster gewesen, mauschelte man, besaß jetzt aber eine Kette von Magazinen und Zeitungen und neigte dazu, vollkommen wahllos sowohl Politiker als auch Prominente in Verlegenheit zu bringen. Fand er einen Fleck auf jemandes weißer Weste, ließ er sich selten zwei Mal bitten, dies sofort an die große Glocke zu hängen. Er hatte zahlreiche Freunde in hohen Positionen und ebenso viele Feinde, die in gleichem Maße etwas galten.

      Das Team hatte deshalb enge Bande mit Roland geknüpft, viele seiner Partys besucht und die dortigen Vergnügungen stets in Anspruch genommen. Er war nicht auf den Kopf gefallen, weshalb er auch genau wusste, dass die rätselhaften Männer, die unter ihm logierten, einen unter Verschluss gehaltenen Teil des britischen Militärs ausmachten. Ihm, der stets ein wachsames Auge hatte, erschien es offensichtlich, und er hatte gelacht, als ihm Bobby bei ihrer ersten Begegnung mit der Lüge gekommen war, er sei ein Musikproduzent im Bereich Rock 'n' Roll.

      Bull gefielen besonders die wilden Partys, weil dabei stets eine Menge hübscher Frauen zugegen waren, die sich gewillt zeigten, alles Erforderliche zu tun, um in Rolands engen Freundeskreis aufsteigen zu können. Bull legte naturgemäß immerzu die Bereitschaft an den Tag, sie aufzuschnappen, wie ein Hai, der nach einem Schiffsunglück um das Wrack kreiste.

      Beim Zählen ihres Geldes lehnten sich die Männer zurück und begannen, den Whiskey zu verköstigen, den Gerry ihnen gereicht hatte. Es war ihr erster Drink seit langer Zeit, und fast alle genossen den warmen und vollmundigen Geschmack der Edelmarke – nur Brian nicht, der sein Glas in einem Zug hinunterstürzte und gleich darauf um ein Zweites bat.

      Dieses hob er dann an und stieß mit barschem Belfaster-Akzent einen Trinkspruch aus: »Auf Ali Hussein Bassim, in einer Million Fetzen ins Paradies entschwunden. Ich hoffe, dass seine zweiundsiebzig Jungfrauen seinen Schwanz nicht finden werden.«

      Einen zäheren Typen als Brian, der während der Hochphase des Troubles in Nordirland aufgewachsen war, konnte man sich nicht vorstellen. Beim Sprechen klang er immer aggressiv und jeder Satz von ihm enthielt mindestens vier oder fünf obszöne Ausdrücke.

      Durch seinen Kahlschlag und seinen stechenden Blick in Zusammenhang mit seiner offenkundig abschlägigen Redeweise und Körpersprache wirkte er manchmal wie ein Fußballhooligan. Er konnte nie den Mund halten, und wenn er eine Meinung zu etwas hatte, posaunte er sie lautstark hinaus, ohne auch nur kurz über die Konsequenzen nachzudenken. Dies hielt er zwar für eine seiner Tugenden, doch seine vier Ex-Frauen wären geneigt, ihm in diesem Punkt zu widersprechen.

      Als Nächstes befassten sich alle mit den Umschlägen, die ihre neuen Identitäten mit den dazugehörigen Papieren enthielten. Allmonatlich ließ man ihnen andere Reisepässe, Führerscheine und Kreditkarten ausstellen, wechselte sogar das Fitnessstudio, in dem sie offiziell Mitglieder waren. Ihre Lichtbilder wurden ausgewechselt und selbst persönliche Merkmale sowie Einträge in den internationalen Datenbanken glich man wieder neu an. Sollte einer von ihnen beispielsweise je festgenommen werden, würden sich ihre Fingerabdrücke vollständig mit den Namen und Beschreibungen im System der Polizei decken.

      »Meine Fresse …«, brauste Bobby unvermittelt auf. »Soll das vielleicht irgendwie witzig sein, Gerry? Machst du dich etwa über uns lustig?«

      Der Gefragte schaute ihn begriffsstutzig an und dann um Beistand bittend zu Stan hinüber.

      »Was ist denn los, Bobby?«

      »Dieser beschissene Ausweis, das ist verdammt noch mal los«, knurrte er, während er die Dokumente über den Tisch warf und sich ein weiteres Glas des starken Whiskeys eingoss.

      Marty schnappte sich den Umschlag und zog den Pass heraus. Nachdem er zu lesen begonnen hatte, musste er laut lachen. Alle im Zimmer wandten sich zu ihm und warteten darauf, dass er sie darüber aufklärte, was ihn so erheiterte.

      Schließlich riss Stan ihm das Büchlein aus der Hand und las laut den Namen vor: »Sharon Clements.«

      Daraufhin dröhnte der Raum vor Gewieher, das auf Bobbys Kosten ging.

      Ihn störte allerdings weniger der Name als der Umstand, dass er nun die Wohnung nicht mehr verlassen konnte, bis das Problem endgültig geklärt war. Geschah nämlich das Schlimmste, und er würde Ärger mit dem Gesetz bekommen oder in einen Unfall geraten, musste er zwangsweise seine Daten angeben. Sharon Clements war zweifelsohne kein Männername und passte weder zu seiner Beschreibung noch zu seinen biometrischen Merkmalen, also würde es nicht lange dauern, bis man die Ungereimtheit direkt ans Verteidigungsministerium weiterreichte, gefolgt von einer Flut haariger Fragen.

      Ungebührliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, zählte bestimmt nicht zu den Sitten, die das Team übernehmen durfte.

      Bobby lehnte sich nun wieder zurück und verschränkte seine Arme wütend vor der Brust. Auf seiner Stirn erschienen mehrere lange Falten, während er durch das breite Erkerfenster vor ihnen schaute,