Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band. Walther Kabel

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Название Walther Kabel-Krimis: Ãœber 100 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075831101



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überzeugt von der Nutzlosigkeit weiterer Nachforschungen, nach Lahore zurückgekehrt. Dies teilte Murasiwa mir bei einer unserer heimlichen Zusammenkünfte leichtsinnigerweise mit, bei denen wir über die Rückgabe der Vasen verhandelten. Die Hilfe der Polizei konnte er nicht in Anspruch nehmen, da die englische Kolonialregierung keine Beweise für den neuen Brauch des freiwilligen Todes indischer Fürstenwitwen durch Enthauptung erhalten sollte und da, falls dies an die Öffentlichkeit gedrungen wäre, die Priester des Brahmatempels schwere Bestrafung zu erwarten hatten. –

      Ja, alles ist richtig! Wir, Woakfield und ich, haben gerade die drei Vasen, die drei Köpfe von Fürstinnen und kostbaren Schmuck enthielten, gestohlen, ich habe dann absichtlich Murasiwa vorgeschlagen, für ihn die letzte noch erhalten gebliebene Vase in jenes Zimmer zu stellen. Aber – auch er ging mit dem Gedanken um, mich zu beseitigen, er brachte die Drahtschlinge mit, um mich zu erdrosseln. Er ahnte wohl, daß er mich in jenem Zimmer gleichfalls vorfinden würde. Es kam zum Kampf. Ich war der Stärkere. Einen Meuchelmord hatte ich beabsichtigt; schließlich tötete ich aus Notwehr.“

      Dann mischte sich Haßfeld ein.

      „Sie geben auch zu, damals den Pfandleihern Katzenstein in Berlin niedergeschlagen und den Tresor geplündert zu haben, nachdem Sie die Gelegenheit durch Versetzen der Vase bei ihm genügen ausgekundschaftet hatten, – auch, daß Sie und Woakfield absichtlich verschiedene Schmuckstücke, darunter auch die indische Halskette aus einer der zerstörten Vasen, bei Katzenstein vorher hatten beleihen lassen, um so doppelten Gewinn zu erzielen: die Leihsumme in bar und nachher die beliehenen Geschmeide selbst durch den Raub …?“

      „Es ist so,“ erwiderte Schollert ohne Zögern.

      „Viktor Ruhnau hat auch dies aus den ihm bekannt gewordenen Tatsachen richtig kombiniert,“ erklärte Haßfeld. „Er hat mich dann telegraphisch gebeten, die Akten über den damaligen Raubüberfall auf Katzenstein durchzusehen und herzukommen. – Ihr Schuldkonto wächst, Schollert! – Was ist aus Woakfield geworden?“

      Schollert senkte den Blick vor Haßfelds harten Augen. Dann sagte er leise:

      „Ich wollte keinen Mitwisser haben, als ich mit Hilfe falscher Papiere mich um die Stellung als Prokurist bei der Firma Ruhnau zu bewerben gedachte. Ich stamme aus guter Familie, habe eine sehr gute Schulbildung genossen und bin im Auslande stets in leitenden Stellungen bei großen Firmen beschäftigt gewesen. Mein Unglück wurde meine unbezähmbare Sucht nach Reichtum und mein Ehrgeiz. Ich hatte hochfliegende Pläne, wollte selbst Chef eines Handelshauses, Besitzer von Millionen werden.“

      „Sie haben also auch Woakfield, kurz gesagt, beiseite geschafft?“ fragte Haßfeld mit ernster Betonung.

      „Ja …!“

      Ihle legte die Hand jetzt leicht auf des Mörders Schulter.

      „Im Namen des Gesetzes …“ begann er, aber Schollert unterbrach ihn mit einem Auflachen …:

      „Sparen Sie sich die Verhaftungsformel, Herr Kommissar. Ich habe mich selbst gerichtet. Hier dieser Brillantringen an meinem kleinen Finger ist ebenfalls indischer Arbeit. Unter dem beweglichen Stein lag ein Kügelchen. Ich habe es vorhin verschluckt, ohne daß Sie es merkten, vorhin, als ich das Spiel verloren gab. Warten Sie noch ein paar Minuten. Dann können Sie meine Leiche fortschaffen lassen …“

      Seine Stimme klang bereits unsicher und schwankend. Sein Gesicht zuckte wie im Krampf. –

      Er hatte nicht gelogen.

      Eine halbe Stunde später brachte ein polternder Transportwagen den toten Verbrecher durch die nächtlich stillen Straßen nach dem Leichenschauhaus.

      22. Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Tory und ich gingen heimwärts in meine versiegelte Wohnung.

      Wir hatten uns soeben von Haßfeld getrennt, der in seinem Hotel noch schnell ein paar Stunden schlafen wollte, da er bereits mit dem Frühzug nach Berlin zurückkehren mußte. Beim Abschied hatte Haßfeld allen Ernstes Tory den Vorschlag gemacht, bei der Berliner Kriminalpolizei einzutreten. –

      „Du wirst Karriere machen, Viktor, glaube mir!“ hatte er gesagt. „Du bist aus dem Holze geschnitzt, aus dem die ganz großen meiner Kollegen, die internationalen Berühmtheiten, ebenfalls hervorgegangen sind.“ –

      Viktor aber hatte sehr ernst erwidert: „Lieber Haßfeld, vor mir liegt jetzt eine andere Ehrenpflicht; der gegenüber meine persönlichen Wünsche und Neigungen zurücktreten müssen. Der alte Name unserer Firma soll wieder zu Ehren kommen! – Gewiß, ich bin kein Kaufmann. Aber ich werde es werden. Ich denke dabei an das Wort Bismarcks ‚Man setzte Deutschland nur in den Sattel, reiten wird es dann schon von alleine!‘ – –

      Da war Haßfeld nach festem Händedruck im Eingang seines Hotels verschwunden.

      Und nun gingen wir beide, noch ganz erfüllt von den soeben durchlebten Szenen, besonders dem Tode dieses Verbrechers, der vielleicht zu Großem berufen gewesen wäre, wenn er mehr moralischen Halt besessen hätte, schweigend durch die Straßen, während bereits der Morgen zu grauen begann.

      Ich fühlte mich jetzt, wo ich mit Tory allein war, recht bedrückt. Ich dachte an meine kleine blonde Madonna, die ich, wie ich glaubte, dem Freunde abspenstig gemacht hatte. Immer wieder nahm ich einen Anlauf zu einer offenen Beichte. Aber ich brachte nicht einmal das erste Wort über die Lippen.

      Da begann Tory ganz unvermittelt selbst von Hildegard zu sprechen.

      „Das arme Mädel, Schollerts Stieftochter, tut mir von Herzen leid,“ meinte er. „Was soll nun aus ihr werden! Ihre Mutter wird fraglos morgen verhaftet. Sie ist in Schollerts dunkle Angelegenheiten nur zu sehr mit verwickelten.“ –

      Kleine Pause. Dann:

      „Übrigens, lieber Karl, – Spengler erzählte mir da vorhin etwas recht Merkwürdiges. Du scheinst dich ja mit Hildegard recht schnell und recht stark angefreundet zu haben. Wie würde ich mich freuen, wenn du alter, eingefleischter Junggeselle hier vielleicht die rechte gefunden hättest.“

      Ach – wie eilig fragte ich da …:

      „Wirklich – du würdest dich freuen, Tory?“

      Da blieb er stehen, sah mich fest an: „Dachtest du etwa, daß ich mich in Hildegard rettungslos par distance verliebt hätte?“

      Ich konnte nicht anders, – ich umarmte ihn, fragte strahlend:

      „Mir fällt ein Stein vom Herzen!! Ich bin ja schon mit ihr verlobt!!“

      „Donnerwetter!! – Etwa als Kanzleisekretär Hennig …?“

      „So halb und halb ja. – Komm’ weiter, – ich werde beichten …“

      * * *

      Am Vormittag gegen neun Uhr erschien Viktor bei seiner Mutter, um diese schonend auf die Geschehnisse und Enthüllungen der vergangenen Nacht vorzubereiten.

      Er fand dort Professor Pinkemüller vor, der bereits in heller Entrüstung von dem ‚infamen Streich‘ berichtet hatte, der ihm von dem Konsul gespielt worden war.

      Viktor hatte es daher nicht mehr allzuschwer, der Mutter beizubringen, daß sie niemals des angeblichen Schimpel rechtmäßige Gattin gewesen war.

      Frau Ruhnau fiel in Ohnmacht, erholte sich aber schnell und bewies eine seltene Energie, ließ sofort ihre Koffer packen und reiste, von ihrer Jungfer begleitet, nach der Schweiz, um dort so lange zu bleiben, bis über diesen demütigenden Skandal Gras gewachsen war.

      Auch mit Pinkemüller hatte Viktor ordentlich abgerechnet und reinen Tisch gemacht. Der Professor wurde dann auch bald in ein Provinznest versetzt, da seiner vorgesetzten Dienstbehörde doch so allerlei zu Ohren gekommen war, was für Pinkemüller einen Luftwechsel angebracht erscheinen ließ.

      Viktor nahm zur Führung des Haushalts die Tante Adelheid