Название | Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1 |
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Автор произведения | Bettina von Weerth |
Жанр | Языкознание |
Серия | Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740940898 |
Ihre Freundin schaffte es immer wieder, sie herunterzuholen.
Außerdem lag da noch ein Buch für sie bereit. Das konnte sie bei der Gelegenheit ebenfalls abholen. Und vielleicht fand sich auch noch etwas für Tante Klara. Die war auch eine ausgesprochene Leseratte.
Als sie den Raum verlassen wollte, klingelte ihr Telefon. Sollte es klingeln.
Konnte nichts Wichtiges sein. Den für sie wichtigsten Anruf hatte sie bereits hinter sich. Und der war ausgegangen wie das Hornberger Schießen.
Leonie konnte sich nicht vorstellen, dass Paul Schuster seine Meinung in der kurzen Zeit geändert haben könnte …
*
Die Schneidersche Buchhandlung war schon etwas ganz besonderes. Nicht nur, weil sie mitten in der Fußgängerzone lag, in einem ganz besonders schönem altem Haus, sondern weil jeder sie kannte, und das weit und breit.
Das allerdings war kein Wunder.
Linda war die vierte Generation. Sie wusste, was sie ihrem Namen schuldig war. In der Regel ging es mit der nächsten oder übernächsten Generation bergab. Hier war es umgekehrt.
Linda hatte Unglaubliches geschaffen. Sie war mit Leib und Seele Buchhändlerin, und das spürte man.
Als Leonie den Laden betrat, war er, wie meistens, sehr gut besucht.
Alle waren sie beschäftigt.
Doch wo war Linda?
Als sie Leonies suchenden Blick bemerkte, kam eine der Buchhändlerinnen auf sie zu.
»Die Chefin ist im Büro …, ich weiß nicht, ob sie gerade gestört werden will.«
»Hat sie einen Vertreter da?« Das kam öfter vor.
Die Frau schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich …«
Was sollte das denn?
Der Zugang zu Lindas Büro war ihr noch niemals verwehrt gewesen.
Warum also sollte es heute anders sein?
Leonie bedankte sich, dann durchquerte sie die große Buchhandlung und betrat, ohne anzuklopfen, so wie sie es immer tat, das Büro.
Das hätte sie wohl besser nicht getan.
Linda stand, sich heftig küssend, mit einem Mann mitten im Büro. Sie und der Mann schienen die Welt vergessen zu haben. Das war allerdings ein absolut neues Bild.
Schon wollte Leonie sich zurückziehen, als sie von ihrer Freundin bemerkt wurde.
Sie machte sich aus der Umarmung des Mannes frei.
»Komm rein, Leonie. Schön, dass du da bist, da kannst du Andreas endlich kennen lernen.«
Linda war vollkommen unbefangen und tat, als sei das alles hier die selbstverständlichste Sache der Welt.
Sie begrüßte Leonie, dann machte sie sie mit Andreas Hellmann bekannt.
Er wirkte auf den ersten Blick sehr sympathisch. Er war nicht viel größer als Linda, schlank, hatte kurze braune Haare, braune Augen.
Sie wechselten ein paar Worte miteinander.
Dann sagte er: »Hat mich gefreut, aber jetzt muss ich mich verabschieden. Ich habe noch einen Termin.«
Er gab Leonie die Hand, sein Händedruck war fest, dann wandte er sich an Linda, umarmte sie, küsste sie flüchtig.
»Bis heute Abend, mein Schatz.«
»Bis heute Abend, mein Lieber«, antwortete Linda und strahlte ihn an.
Als er draußen war, setzten die beiden Freundinnen sich, und Leonie sagte ohne Umschweife: »Dich hat es aber vollkommen erwischt.«
Sie lächelte.
»Nicht nur mich, ihn auch. Andreas entspricht zwar äußerlich nicht meinem Idealbild von Mann. Du weißt doch, für mich sollte es immer der große Blonde mit den blauen Augen sein …, aber das ist Unsinn. Meine Mutter sagt immer, von einem schönen Teller isst man nicht. Und wie du weißt, hat sich das für mich in der Vergangenheit immer bestätigt. Mit den Blonden, das war nichts.«
»Ich finde, dein Andreas sieht gut aus. Also, auf mich macht er einen sympathischen Eindruck, und ich wünsche dir von Herzen, dass es mit euch etwas wird.«
Sie sprachen noch eine Weile über ihn, dann erkundigte Linda sich: »Sag mal, wieso bist du um diese Zeit hier? Müsstest du nicht vor deinem Computer sitzen?«
»Ich bin hier, um mich von dir ablenken zu lassen, weil ich sonst durchknalle. Ich kann mich auf mein Manuskript nicht konzentrieren, weil ich immer an die tote Frau vom Fluss denken muss …, ich bin überzeugt davon, dass sie von einem tragischen Geheimnis umgeben ist.«
Dann erzählte sie Linda alles, was sie herausgefunden, beziehungsweise nicht herausgefunden hatte.
»Und jetzt stellt sich Kommissar Schuster auch noch so an. Ich bin überzeugt davon, dass er mir etwas verschweigt, und das macht mich sauer.«
»Jetzt lass es mal gut sein. Ich finde, er hat dir schon viel zu viel verraten und dich an schon viel zu vielem teilhaben lassen. Der Mann ist ein Beamter, an seine Richtlinien gebunden. Für meine Begriffe hat er seine Kompetenzen bereits überschritten. Und wenn jemand davon erfährt, bekommt er Ärger.«
So hatte Leonie es noch nicht gesehen. Sie hatte nicht an ihn gedacht, sondern an sich, weil sie unbedingt ihre Neugier befriedigt haben wollte, die ihr ja selbst ganz unerklärlich war.
Sie gebärdete sich wirklich so, als sei diese tote Frau etwas, was es zuvor noch nie gegeben hatte.
»Weißt du was, Leonie. Ich bin heute Abend mit Andreas zum Essen verabredet. Komm einfach mit, er kann sehr witzig sein, und gemeinsam gelingt es uns vielleicht, dich auf andere Gedanken zu bringen. Außerdem kann es nicht schaden, dass du den derzeitigen Mann an meiner Seite auch ein wenig näher kennenlernst. Sollte es mit ihm und mir etwas werden, dann muss es auch zwischen euch funktionieren …, du bist meine allerbeste Freundin, und deswegen würde ich dich für keinen Mann der Welt vernachlässigen. Du hast es mir vorgemacht. Als du mit Robert verheiratet warst, und du warst es glücklich und intensiv, hast du unsere Freundschaft niemals verraten.«
Jemand kam herein.
Linda wurde in den Laden gerufen.
Leonie folgte ihr.
Linda hatte sie zwar nicht auf andere Gedanken gebracht, sie nicht aufgemuntert. Aber sie hatte deren neuesten Verehrer kennengelernt, und das war ja auch schon mal etwas. Und wenn sie ehrlich war, freute sie sich auf den Abend.
Das hinderte sie daran, sich wieder vor ihren Computer zu setzen, sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, und ihn dann irgendwann frustriert auszumachen, weil sie wieder nichts herausgefunden hatte.
Sie bezahlte ihr Buch, hatte auch noch zwei für ihre Tante gefunden. Die würde sich freuen.
Sie verabschiedete sich von Linda, dann verließ sie die Buchhandlung, bummelte noch ein wenig durch die Fußgängerzone, trank irgendwo einen Kaffee, dann fuhr sie zur Villa Rosenstein zurück.
Würde sie es schaffen, wenigstens für den Rest des Tages ein paar vernünftige Zeilen zu schreiben?
Sie zweifelte daran.
Der Name Carlotta Perucci geisterte zu sehr in ihr herum, und natürlich die Frage, ob sie es nun war oder nicht …
*
Der Besuch bei Linda hatte ihr nicht viel gebracht. Doch wäre sie zu Hause geblieben oder wäre sie ans Telefon gegangen, dann hätte sie mit Sergio Calderoni sprechen können. Er war der Anrufer gewesen, und keine innere Stimme hatte ihr geraten, den Anruf entgegenzunehmen. Sie ärgerte sich, zumal sie ihn nicht erreichen konnte.
Eine Mail hatte er ihr auch nicht geschickt. Aber das tat er nur sehr selten. Er rief sie am liebsten an, um mit ihr zu flirten,