Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1. Bettina von Weerth

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Название Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel 1
Автор произведения Bettina von Weerth
Жанр Языкознание
Серия Ein Fall für Gräfin Leonie Staffel
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740940898



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Rütten ist es nicht mehr schön«, bemerkte Klara, »und ich weiß nicht, ob ich dorthin überhaupt noch mal reisen werde.«

      Das verstand Leonie nun überhaupt nicht.

      »Aber Alwin von Rütten ist ein guter, alter Freund von dir, und Helene war deine allerbeste Freundin.«

      »Ja, und die würde sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüsste, was für eine grässliche Person Alwin geheiratet hat …, von der er geheiratet worden ist. Er muss nicht bei Sinnen gewesen sein, als er diese Dorothea zu seiner Frau gemacht hat …«

      Ihre Tante übertrieb.

      »Ich weiß nicht, Tante Klara, ich finde sie ganz nett. Sie ist vielleicht ein bisschen jung. Sie könnte seine Tochter sein. Aber wo die Liebe hinfällt. Auf mich machte er an ihrer Seite einen glücklichen Eindruck. Und nur das zählt.«

      Klara von Rosenstein lachte bitter auf.

      »Nun ja, du hast die beiden ja auch nur bei der Hochzeit und einige Monate später ein zweites Mal erlebt. Da hat sie uns alle täuschen können …, jetzt ist es vorbei damit. Sie spielt sich als Herrin auf und hat auf Rütten das Kommando übernommen. Und es ist nicht mit anzusehen, wie Alwin wie ein kleines Hündchen hinter ihr herdackelt …, grässlich.«

      »Tante Klara …«

      »Ich übertreibe nicht. Es ist wirklich so. Und wenn du mir nicht glauben willst, rufe all meine alten Freunde an. Die sind ebenfalls entsetzt, nicht nur das …, sie sind auch sehr besorgt. Man kann sehen, wohin das führt. Sie will ihn loswerden und arbeitet zielstrebig darauf hin.«

      Jetzt musste Leonie lachen.

      »Röschen, ich bin es doch hier, die die Romane schreibt. Wenn du jetzt weiterredest, schiebst du der armen Dorothea noch einen Mord in die Schuhe.«

      »Den traue ich ihr zu. Es ist ja bei Alwin auch viel zu holen. Ein riesiges Anwesen, viel Geld, er und die arme Helene hatten keine Kinder. Alles wird dieser Frau in den Schoß fallen. Wer weiß, vielleicht hat sie ja bereits einen Lover, mit dem sie hinterher alles verprassen wird.«

      Jetzt war Gräfin Klara in Fahrt.

      Und Leonie wusste sehr genau, was das bedeutete. Schließlich kannte sie ihre Tante, hatte, abgesehen einmal von der Zeit, in der sie mit Robert verheiratet gewesen war, beinahe ihr ganzes Leben mit ihr verbracht.

      Klara von Rosenstein hatte sie, nachdem ihre Eltern bei einem Flugzeugabsturz in Afrika ums Leben gekommen waren, nicht nur bei sich aufgenommen, sondern ihr eine wunderschöne Kindheit und Jugend bereitet. Und sie hatte dafür gesorgt, dass, wie sie es immer so nett ausdrückte »etwas aus ihr geworden war.«

      Jetzt musste sie ihre Tante bremsen.

      Und das ging nur, indem sie das Thema wechselte.

      Von der Wasserleiche hatte sie ihr schon am Telefon erzählt. Von dem Schmuck noch nicht, und das holte sie jetzt nach.

      »Welch ein Glück, dass du dich mit Schmuck so gut auskennst, mein Röschen. Und welch ein Glück auch, dass du selbst ein Unikat von Roberto Tozzi besitzt und dass du mir erklärt hast, woran man ein Unikat von ihm erkennt.«

      So etwas gefiel Klara von Rosenstein.

      Sie vergaß die grässliche Dorothea, wenigstens vorübergehend.

      »Roberto Tozzi hat der Kripo hier heute mitgeteilt, dass ein gewisser Richter Salvatore Perucci dieses Schmuckstück für seine Tochter Carlotta hatte anfertigen lassen, als Geschenk zum bestandenen Examen als Biologin …, ist doch irre, wie sich das anhand von zwei Buchstaben und ein paar verschlüsselten Zahlen erklären lässt … Nun, der Kommissar ist auf jeden Fall froh, dass das so schnell geglückt ist, ohne dass lange, endlos lange Dienstwege beschritten werden mussten. Und, liebe Tante Klara, ich habe ihm geholfen. Aber eigentlich haben wir das dir zu verdanken. Einmal, weil du ein echtes Tozzi-Unikat besitzt, weil du dich mit Schmuck so gut auskennst, und weil du mir erklärt hast, woran man etwas von Tozzi erkennt.«

      Normalerweise hätte ihre Tante jetzt angefangen zu strahlen.

      Das war nicht der Fall.

      Hatte sie ihr überhaupt zugehört?

      Sie schien mit ihren Gedanken ganz weit weg zu sein.

      Merkwürdig.

      »Tante Klara … Röschen …«

      Ihre Tante winkte ab.

      »Warte einen Moment. Ich hab’s gleich.«

      Sie dachte über etwas nach.

      Worüber?

      Und warum gerade jetzt?

      War etwa ihr Zorn auf Dorothea von Rütten größer, so groß, dass sie an nichts anderes mehr denken konnte?

      Auf einmal huschte ein triumphierendes Lächeln über ihre Lippen.

      »Jetzt weiß ich es wieder …, vor etlichen Jahren gab es eine schreckliche Tragödie um einen Richter Perucci. Der war als Mafia-Jäger verschrien und unerschrocken genug, sich auch mit den höchsten Mafia-Bossen anzulegen.«

      Perucci war in Italien kein ungewöhnlicher Name. Und gewiss gab es auch den einen oder anderen Perucci, der Richter geworden war.

      Dennoch war Leonies Interesse geweckt.

      »Und was ist mit ihm passiert?«

      Klara zuckte die Achseln.

      »So ganz genau weiß ich es nicht mehr …, aber ich glaube, die Mafia hat ihn und seine gesamte Familie getötet.«

      Nun, das würde bedeuten, dass Carlotta Perucci auch tot war. Gesamte Familie bedeutete alle.

      Dann war die unbekannte Tote vom Fluss nicht Carlotta, oder?

      Sie musste es herausfinden.

      Der Tipp ihrer Tante war Gold wert.

      Leonie wusste selbst nicht, warum sie von dem Fall, von dieser unbekannten Toten vom Fluss geradezu besessen war.

      Sie wäre jetzt gern allein, um mit ihrer Recherche zu beginnen.

      Das ging nicht.

      Tante Klara beanspruchte ihre Aufmerksamkeit. Und leider, leider kehrte sie zu ihrem alten Thema zurück – Alwin von Rütten und seine grässliche neue Frau Dorothea …

      Obwohl sie mit ihren Gedanken bereits ganz woanders war, versuchte Leonie Aufmerksamkeit zu heucheln.

      Es konnte durchaus sein, dass es für Alwin von Rütten mit dieser Frau nicht so gut lief. Es konnte sein, dass Dorothea ihn aus lauter Berechnung geheiratet hatte.

      Ehrlich gesagt interessierte Leonie das überhaupt nicht. Alwin war nicht zwangsverheiratet worden.

      Als ihre Tante jedoch in den Raum warf, sie könne sich durchaus vorstellen, nochmals nach Rütten zu fahren, dann allerdings nur in Leonies Begleitung, damit die mal nach dem Rechten sehen konnte, sagte Leonie ganz entschieden: »Oh nein, Tante Klara, das werde ich nicht tun. Bei den Rüttens geht es nicht um den Diebstahl eines Bildes, es geht nicht um Mord und Totschlag. Allenfalls um Eheprobleme, wenn überhaupt. Ich bin mir nämlich überhaupt nicht sicher, ob die existieren, oder ob du die hineininterpretierst, weil du Dorotha nicht leiden kannst.«

      Klara von Rosenstein wollte protestieren, doch Leonie winkte ab.

      »Tante Klara, so ganz einfach bist du auch nicht. Vielleicht gefällt es dir ja auch nur nicht, dass Do­rothea sich von deinem autoritären Auftreten nicht beeindrucken lässt.«

      Hatte sie jetzt ins Schwarze getroffen?

      Ganz offensichtlich.

      Beleidigt stand die Gräfin auf.

      »Wir sehen uns dann zum Abendessen«, sagte sie, ehe sie hocherhobenen Hauptes davonrauschte.

      Solche kleinen Szenen kannte Leonie. Früher war sie ihrer Tante immer hinterhergelaufen, hatte alles daran gesetzt, sie zu beruhigen.