Die Brüder Massimi und andere Geschichten aus italienischen Chroniken. Стендаль

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Название Die Brüder Massimi und andere Geschichten aus italienischen Chroniken
Автор произведения Стендаль
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027209095



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Darauf nahm sie sie als Hoffräulein in ihre Dienste und erreichte ihre völlige Freisprechung.

      Umsonst ließ Papst Paul III. den Mörder in allen Teilen des Kirchenstaates suchen, denn der war in Aleppo. Aber die Eltern der Frau mußten lange im Kerker schmachten und wurden dann aus Ariccia und dem Kirchenstaate verwiesen. Das war die einzige Genugtuung für den Herzog, der über den Tod seines Sohnes dem Wahnsinn verfiel.

      Die Rache Aribertis

       Inhaltsverzeichnis

      Ariberti, ein Mailänder Edelmann und Besitzer mehrerer Ortschaften, hatte gegen ein Mitglied der Familie Pecchio einen tödlichen Haß gefaßt; er war in seinem Besitztum und später auch in seiner Liebe schwer beleidigt worden. Pecchio führte gegen ihn einen Prozeß, den er gewann. Im Verlaufe dieses durch Jahre sich hinziehenden Prozesses fiel Pecchio des Ariberti schöne Frau auf, und es gelang ihm, sie von seiner Liebe wissen zu lassen und die ihre zu gewinnen. Nach Verlust des Prozesses erging sich Ariberti in Drohungen gegen seinen Gegner. Pecchio erfuhr, daß Aribertis Gattin auf einem der Schlösser ihres Gatten in strengem Gewahrsam gehalten wurde. Sie trug nur nach einem in der Welt Verlangen: aus Aribertis Tyrannei erlöst zu werden. Insgeheim hatte sie genügend Geld für ihren Unterhalt zusammengebracht. Das Schloß, in dem sie eingeschlossen war, lag nah bei Lecco, eine Stunde Wegs von der Adda, die das Venetianische vom Mailändischen trennt; einmal auf venetianischem Gebiet, konnte sie einen andern Namen annehmen und war vor allen Verfolgungen so gut wie sicher. Und ging es nicht anders, so wollte sie in Venedig in ein Kloster gehen, dessen Regeln zu jenen Zeiten nicht sehr streng waren.

      Während der kurzen Beziehungen zu Pecchio hatte er ihr Geständnis empfangen. Seitdem waren drei Jahre vergangen, und Aribertis Tyrannei war unerträglich geworden; er hatte drei spanische Duennen in Dienst genommen, die seine Frau abwechselnd bewachten; nicht einmal des Nachts war die Unglückliche allein: die wachthabende Duenna schlief bei ihr im Zimmer.

      Eine Kammerfrau, vormals die Vertraute von Aribertis Gattin in ihrer Liebschaft, war zwar nicht davongejagt, aber zur Gänsemagd degradiert worden, als welche sie an dem Ufer der Adda ihre Herden hütete. Der seltsame und in der Kunst der Rache raffinierte Mann hatte zu der Kammerfrau gesagt: »Ich strafe dich so mehr, als wenn ich dich wegschicke.« Und als die Unglückliche den Wunsch aussprach, bei einer andren Herrschaft in Dienst treten zu dürfen, antwortete ihr Ariberti: »Versuch es nur, aber in weniger als vier Wochen bist du tot.«

      Pecchio wußte um alle diese Dinge, die übrigens in Mailand Stadtgespräch waren zu der Zeit, als er sich für die Drohungen rächen wollte, die Ariberti überall gegen ihn ausstieß seit dem Verluste seines Prozesses. Eines Tages ging Pecchio, wie er sagte, auf die Jagd, wozu er sich als Bauer verkleidete; so kam er an die Adda, wo er die Gänseherde seines Feindes aufsuchte. Er vergewisserte sich, daß an diesem Tage jener Kammerfrau allein die Obhut der Gänse anvertraut war und traf sie wie zufällig.

      »Großer Gott, wie seid Ihr verändert!« rief er ihr zu, »kaum seid Ihr wieder zu erkennen!«

      Die Kammerfrau brach in Tränen aus und sprach kein Wort.

      »Wie leid mir Euer Unglück tut,« sagte Pecchio, »erzählt mir doch, wie das kam; zuvor aber wollen wir uns hinter jener Hecke verbergen, damit uns nicht einer der Spione bemerkt, die immer um das Schloß streichen.«

      Die Kammerfrau erzählte ihr und ihrer Herrin Unglück. Sprach die Herrin ihre frühere Kammerfrau einmal an oder lächelte sie ihr nur zu, so wurde die Kammerfrau auf acht Tage bei Wasser und Brot eingesperrt. Die Behandlung ihrer Herrin schien weniger hart, war aber noch grausamer. Ariberti sprach mit ihr immer nur in einem spottenden höhnenden Ton.

      Pecchio schien von diesen endlosen Berichten sehr bewegt.

      »Ach, Herr, wenn Ihr ein Christ seid, so solltet Ihr diese unglückliche Frau, die Ihr einst so liebtet, retten. Bleibt sie noch ein Jahr in diesem Zustande, so stirbt sie für sicher. Und sie wäre schon glücklich, könnte sie nur eine Meile weit von hier fern sein! Sie hat ein Kästchen voll Goldzechinen und zudem, wie Ihr wißt, viele Diamanten.«

      »Wohlan, ich werde sie retten«, sagte Pecchio.

      Die alte Kammerfrau und jetzt Gänsemagd fiel auf die Knie.

      »Ich fürchte nur eines,« sagte Pecchio, »Euer Geschwätz. Du oder deine Herrin, ihr werdet reden, werdet euch jemandem anvertrauen und werdet mir den Tod bringen.«

      Und als darauf die Kammerfrau sich zu schweigen verschwor, fuhr er fort: »Genau heut in acht Tagen, am nächsten Dienstag, ist Neumond und zudem Jahrmarkt in Lecco. Die Nacht über wird die Straße voller singender Betrunkener sein. In dieser Nacht, wenn's zehn Uhr auf der Kirchenuhr schlägt, werde ich auf der Adda sein, unten am Schloßgarten, dort, wo die Maulbeerbäume und die vielen Nesseln stehen und wo ich mich früher immer einschlich. Ich werde selber vom Comersee mein Boot herrudern; es ist sehr klein; hoffentlich wird man mich nicht bemerken.«

      »Aber wir brauchen mindestens zwei Männer, um die Duennen festzuhalten und ihnen einen Knebel in den Mund zu stecken; denkt daran, daß sie schreien werden und daß man Euch auf der Adda verfolgen wird. Die Schiffleute Aribertis sind lauter junge Leute, die den Preis auf der Regatta gewonnen haben. Und wie soll ich es anstellen, meiner Herrin Nachricht zukommen zu lassen? Ich kann ihr zwar durch ein zwischen uns verabredetes Zeichen zu verstehen geben, daß ich ihr Wichtiges zu sagen habe, aber wie soll ich ihr es sagen? Es geht oft monatelang, ohne daß ich sie sprechen kann.«

      Die Kammerfrau konnte nicht schreiben; alles schien sich zu vereinigen gegen Pecchios Pläne. Schließlich wurde vereinbart, daß Pecchio ein Fläschchen mit Mohnsaft, ein berühmtes Betäubungsmittel, das man damals in Venedig bereitete, in zwei Tagen bringen solle. Berta hatte Angst, es möchte Gift sein; aber Pecchio beruhigte sie, und sie kamen überein, daß Berta den Duennen etwas von dem Safte geben solle. Darauf sollte sie jenen Dienstboten, welche die Duennen nicht leiden konnten, Geld in die Hand geben, auf diese Weise zu ihrer Herrin kommen und endlich, wenn sie Pecchio etwas zu melden hätte, einen einzelwachsenden kleinen Weidenbaum knicken, der mitten auf einer nahen Wiese stand. Pecchio kehrte nach Mailand zurück und früher als gewöhnlich trieb Berta ihre Gänse in den Schloßhof. Sie suchte hier eine Gelegenheit, mit ihrer Herrin zu sprechen, noch vor der Ankunft jener Betäubungsmittel. Der Herr Pecchio war jung und stand im Rufe geringer Beständigkeit. Berta, welche seine Rachepläne nicht kannte, fürchtete, er könnte vergessen, zum Stelldichein an der Adda zu kommen.

      Alles ging nach Wunsch. Berta schläferte mit dem Mohnsaft die Duennen ein, sprach mit ihrer Herrin, und am Jahrmarktstage in Lecco betranken sich alle Dienstleute Aribertis, wozu die Zechinen dienten, welche Pecchio der Kammerfrau zugesteckt hatte. Ariberti selber war in Mailand auf einem Balle, den die Signora Arezi, eine der vornehmsten Damen des Landes, gab.

      Zur ausgemachten Stunde fand Pecchio sich mit seinem Boote an jenem einsamen Ufer des Schloßgartens ein. Die Duennen konnten die Flucht ihrer Herrin nicht verhindern. Berta hatte alle Angst, sie zu vergiften, verloren und ihrem Wein eine sehr große Menge von dem Mohnsaft beigemischt. Sie folgte ihrer Herrin auf das kleine Boot.

      Zu seinem großen Leidwesen sah Pecchio, daß Donna Teresa Ariberti noch große Leidenschaft für ihn hegte oder daß diese neu entflammt war, während sein einziger Gedanke war, sich von ihr zu befreien. Sobald das Boot auf venetianischem Boden war, übergab er die Dame einem Franziskanermönch, den er bestochen hatte und der ihn auf einer kleinen Insel nah dem venetianischen Addaufer erwartete. Der Mönch versprach, Donna Teresa auf Umwegen nach Venedig zu bringen. Aber sie beschwor Pecchio, sie nicht zu verlassen, und da der Edelmann sich taub stellte, ging sie soweit, ihm Vorwürfe zu machen, daß er sie unter dem Versprechen, mit ihr zusammenzuleben, aus ihrem Schlosse entführt habe. Pecchio beeilte sich, auf das mailändische Ufer zu kommen, wo er bereits vorbereitete Relais fand, die ihn um zwei Uhr morgens nach Mailand auf den Ball der Signora Arezi brachten. Einer der ersten, die er hier traf, war Ariberti, der, obwohl jung und schön, nicht tanzte und düster dreinsah, als ahnte er, was sich auf seinem Schlosse zugetragen hatte.

      Am andren Tage erhielt er die traurige Kundschaft. In großer Eile fuhr er heim und