Название | Die Brüder Massimi und andere Geschichten aus italienischen Chroniken |
---|---|
Автор произведения | Стендаль |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027209095 |
Diesem Verbrechen Pardon zu geben schien der Papst gar nicht geneigt, zumal kurz vorher der Brudermord des Marc Anton Massimi sich ereignet hatte und der Prozeß der Cenci wegen Vatermordes im Gange war. Papst Clemens VII. befahl strenge Untersuchung, zumal der Hauptschuldige fehlte; man fand die beiden Briefe der Brüder und alsbald wurde Onofrio verhaftet, gerade als er auf dem Grundstück der Orsini dem Ballspiel oblag.
Als des Papstes Neffe, der Kardinal Aldobrandini, von dieser Verhaftung hörte, gab er dem Monsignore Taverna, Gouverneur von Rom, den Auftrag, sich persönlich des Prozesses anzunehmen und versprach ihm durch Verwendung bei seinem Onkel den Kardinalshut, wenn es ihm gelänge, gegen Onofrio ein Todesurteil zu erreichen. Es tut aber selber Hut mehr Wirkung auf die römischen Prälaten als die Farbe des Goldes auf die Augen der Banditen. Der Monsignore Taverna tat getreu, wie ihm aufgetragen.
Solange das Verhör dauerte, wollte der Kardinal Aldobrandini ihm anwohnen, und war ihm da kein Tag zu heiß und keine Mittagsstunde; also sah man ihn oft mitten im Juli sein Haus gegen die siebzehnte Stunde verlassen und sich nach dem Kerker von Tordi Nona begeben, woselbst er sieben und acht Stunden hintereinander blieb, um dem Verhör beizuwohnen. Selbes drehte sich immer um jene Briefstelle, in der Onofrio schrieb, sein Bruder möge tun, was die Ehre einem Edelmanne gebiete, und immer wieder wollte der Gouverneur wissen, was er mit diesen Worten gemeint habe. Verwirrt im Geiste durch das lange Verhör gab endlich Onofrio zu, daß er damit den Tod der Mutter gemeint und verlangt habe, auf daß der Flecken abgewaschen würde, mit dem die vermeinte Schwangerschaft des unglücklichen Weibes die Ehre seines berühmten Hauses befleckt habe.
Dieses Geständnis kostete ihm das Leben; er wurde zum Tode verurteilt und enthauptet.
Man sah eine große Dummheit darin, daß er dieses Geständnis gemacht hatte; denn hätte er erklärt, jene Stelle in dem Briefe bedeutete, daß der Eintritt jener unwürdigen Frau ins Kloster die Schmach abwasche, so hätte er damit nicht nur sein Leben gerettet, sondern Lob geerntet, zumal es nach den Gesetzen ritterlicher Ehre nicht zu den Pflichten des Sohnes gehört, Fehltritte der Mutter zu rächen, sondern nur solche der Gattin oder der unverheirateten Schwester.
Unter den Kardinälen, welche der Papst im Jahre 1604 ernannte, befand sich auch Monsignore Taverna. Er hätte seine Barretta im Blute des Onofrio Santacroce rot gefärbt, sagte man damals in Rom.
Es soll aber das Verlangen des Kardinals Aldobrandini nach der Verurteilung des Santacroce seinen Grund in der Nebenbuhlerschaft bei einer Dame gehabt haben, die er leidenschaftlich liebte und welche des Onofrio Geliebte gewesen sein soll. Von Aldobrandini hatte sie einen kostbaren Diamantring zum Geschenk erhalten, den die Dame wieder dem Onofrio schenkte, der mit dieser Gunst seiner Geliebten prahlte. Als er eines Tags den Kardinal begrüßte, legte er die Hand auf den Schlag der Sänfte, so daß der Diamant jenem in die Augen funkelte.
Man erzählt auch, daß Onofrio eines Nachts den Kardinal mit Faustschlägen angriff, als dieser gerade am Hause seiner Geliebten vorbeiging; und am andern Morgen sei er im Vorzimmer des Kardinals erschienen, um ihm seine Aufwartung zu machen, und tat so, als ob er ihn nicht erkannt hätte. Daher die Wut und Rache des Kardinals.
II.
Unter dem Papste Clemens VII. war dessen Neffe, eben der genannte Kardinal Aldobrandini, mit der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit des Kirchenstaates betraut. Der Papst hielt streng darauf, daß unter seinem Pontifikat die Gesetze gerecht und genau befolgt würden, weshalb er auch seinen eignen Neffen mit diesem Vertrauensposten bekleidet hatte. Und es wurden auch in der Tat viele Schuldige bestraft, aber andere Verbrechen wieder blieben ungesühnt; so die Ermordung des römischen Ritters Girolamo Longobardi.
Dieses Longobardi Haupt fand man am Morgen des Karsamstag auf dem Petersplatz auf eine Lanze gespießt und daran einen Zettel mit dieser Aufschrift: »Du hast allzu tyrannisch regiert und was du andern antun wolltest, das hat man dir angetan.«
Man kannte nicht die Motive, welche den Kardinal Aldobrandini zum Todfeind dieses kaum zwanzigjährigen Longobardi machten, der von allen, die ihn kannten, so geliebt wurde wie gehaßt jener Kardinal, dem der Papst, da er ihn mit dem Purpur bekleidete, sagte: »Trachte, deine neue Würde nicht zu entehren, denn es wird dir, tust du Böses, nichts nützen, daß du mein Neffe bist.«
Longobardi hatte zur Geliebten eine junge Sängerin von großem Talente und von außerordentlicher Schönheit, namens Anna Felice Brocchi. Der Kardinal-Nepot hatte durch das Gerede bei Hofe und in der Stadt Talent und Schönheit der Sängerin rühmen hören. Eines Tages, als er an ihrem Hause vorbeiging, erblickte er sie am Fenster liegen und entbrannte allsogleich in heftiger Liebe zu ihr. Und suchte nach einem Mittel, ihr dies zu sagen. Da er sich aber von seinem Onkel überwacht wußte, mußte er hiebei mit äußerster Vorsicht zu Werk gehen. Er erfuhr, daß diese Brocchi dem Longobardi gehöre, den er haßte.
Die Sängerin hatte die Leidenschaft des Kardinals wohl bemerkt und fühlte seine Liebe, da er jeden Mittag an ihrem Hause vorbeiging, gerade zu der Zeit, wo sie zur Messe in Santa Maria della Pace zu gehen pflegte und wohin ihr der Kardinal folgte. Hier sah sie der Kardinal unausgesetzt zärtlich an und versuchte es, ihr durch bestimmte Zeichen seine Liebe bekannt zu geben.
Dieses Spiel währte eineinhalb Jahr, ohne daß Aldobrandini anders als durch Zeichen mit Anna Brocchi sprechen konnte.
Solches erzählte sie nun eines Tages alles dem Longobardi. Worauf dieser sagte, daß es wegen der Feindschaft zwischen ihm und dem Kardinal sehr übel ausgehen könnte; er empfahl ihr größte Zurückhaltung und den lügnerischen Versprechungen des Kardinals nicht zu glauben, vor allem aber, ihn nie bei sich zu empfangen. Auch nicht zu grüßen oder sonst zu beachten.
Longobardi, erregt von der Mitteilung und den Versprechungen Annas wenig trauend, ließ seine Geliebte durch Spione beobachten und ihr Haus bewachen, wovon allem Anna nichts merkte, da es mit großer Heimlichkeit geschah.
Und bald erfuhr der junge Edelmann durch seine Leute, daß die Liebe zwischen jenen beiden nicht nur nicht aufhörte, sondern täglich fester wurde. Um sich selber davon zu überzeugen, begab er sich am Sankt Matthäustage zur gleichen Zeit wie Anna Brocchi in die Kirche della Pace, wo er sich in einer Seitenkapelle verbarg, von der aus er alles genau sehen konnte, was sich zwischen der Sängerin und dem Kardinal begab. Und es blieben ihm keine Zweifel mehr, als die Brocchi, gefolgt vom Kardinal, die Kirche verließ und dieser sie lachend grüßte, was ihm die Sängerin mit einem Blick zurückgab, der deutlich genug war.
Der arme Longobardi lief wütend zu der Sängerin und machte ihr Vorwürfe wegen ihres von ihm doch verbotenen Kirchenbesuches und daß sie den Kardinal gegrüßt habe. Die Brocchi gab den Kirchenbesuch zu, leugnete aber, den Kardinal Aldobrandini da gesehen zu haben. Und fuhr trotz seiner Bitten fort, dieses zu behaupten, daß sie jenen weder gesehen noch gegrüßt habe. Da riß der Ritter Longobardi seinen Dolch heraus und bedrohte sie mit dem Tode, wenn sie nicht die Wahrheit sage. Da gestand die erschrockene Sängerin, den Kardinal gesehen und gegrüßt zu haben, aber dies nur in höflicher Antwort auf seinen Gruß und auf ganz übliche Weise. Sie habe anfangs dies nur geleugnet, weil sie so geringfügiger Ursache wegen keinen Streit zwischen den beiden Männern entfachen wollte.
Diese Antwort beruhigte etwas den jungen Edelmann, und er bat sie aufs neue, die Kirche della Pace nicht zu besuchen und den Kardinal nicht zu grüßen oder gar zu sprechen, denn anders würde es sie das Leben kosten, dessen könne er sie versichern. Und die Sängerin versprach, wenn auch sehr gegen ihren Willen, alles zu tun, wie er wünsche.
Aldobrandini vermißte zu wiederholten Malen die Sängerin in der Kirche und konnte sich den Grund ihrer unbegreiflichen Abwesenheit nicht erklären; er beschloß aber, auf das Geheimnis zu kommen; doch löste es sich ihm auf eine nicht erwartete Weise. Er erhielt von Anna Brocchi einen Brief, in dem sie ihm mitteilte, daß sie sich unter seinen Schutz stelle; er möge sie von Longobardi befreien, der sie mit grausamer Härte behandle. Der Kardinal war entrüstet über das, was er die Frechheit des Ritters nannte und ließ Anna sagen, daß er ihr ergeben sei und sich um nichts andres kümmere, als ihr zu dienen. Sofort suchte er nach einem Mittel,