Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Название Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
Автор произведения Charles Sealsfield
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835741



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daß auch der beste Militär nichts aussetzen könnte.«

      Unser Pflanzer nahm eine Tasse Tee und fuhr fort: »Ich versuchte es, den Mister Parker zu einem Meeting zu bewegen, klopfte bei Floyd und Bowers an. Allen hat aber das Kanonenfieber die Köpfe so verwirrt, daß gar nicht daran zu denken ist.«

      »Aber ich wundre mich nur, wie Sie selbst an so etwas denken konnten, – in einem so kritischen Zeitpunkt daran denken konnten«, bemerkte die Oberstin, mit sichtlichem Mißfallen an dem grob selbstsüchtigen Schwager.

      »Wie, was?« fragte dieser, »und Euer Meeting – He?« –

      »War, ein unveräußerliches Bürgerrecht aufrecht zu erhalten.«

      »Unveräußerliches Bürgerrecht! – Ei, ei, Frau Schwägerin! – oder um dem guten Mann vorläufig ein Bein unterzuschlagen, falls er es sich gelüsten lassen sollte, einst im weißen Hause wohnen zu wollen. Hab' aber nichts dagegen einzuwenden. Es steht auf dem Grund und Boden von Altvirginien und sollte eigentlich also nur Virginier zu Einsassen haben.«

      »Es sollte mir leid tun, wenn Sie so etwas denken könnten«, sprach Mistreß Parker mit einem Tone, dem man ansah, daß ihre Gelassenheit auf eine harte Probe gestellt wurde.

      »Denken!« fiel ihr der Schwager ein. »Ich denke nichts, gar nichts. Am besten so. – Ich denke an nichts, als an meine Baumwolle. Denken mögen die, die nichts Besseres zu tun haben. Danke Ihnen für eine andere Tasse.«

      »Und der General hat Ihre Bemühungen, eine Protestation gegen seine Gewalttätigkeit, wie Sie es nennen, hingehen lassen?« fragte der Kapitän.

      »Hingehen lassen?« entgegnete der Pflanzer verwundert. »Wie meinen Sie dies?«

      »Ich kann mich unmöglich eines gelindern Ausdrucks bedienen.«

      »Sie denken also, er sollte mir haben ein Zimmerchen in der Nähe der Kathedrale im Staatsgefängnisse anweisen lassen?«

      Der Militär sah ihn bedeutsam lächelnd an.

      »Kapitän Percy!« sprach das dicke, runde Männchen, und es wurde ungemein ernst. »Wir nennen unser Land frei, weil jeder unverhohlen seine Meinung sagen und sich vollkommen aussprechen mag; was das Handeln betrifft, so bestimmt das Gesetz, das heißt die Mehrzahl, und die Minderzahl muß sich fügen. Wenn Sie aber meinen, daß des Generals Erklärung des Kriegsgesetzes und Belagerungszustandes mich auch nur um eine Silbe an meinen Rechten verkürzt hat oder verkürzen kann, so irren Sie sich. Ich bin ein Virginier; aber in diesem Punkte gegen die Administration und folglich gegen den Krieg und billige ganz, was die Hartford-Konvention getan hat, und habe mich auch in diesem Punkte erklärt.«

      Und mit diesen Worten erhob er sich von seinem Sitze und ging in das andere Zimmer, wohin sich die jungen Damen, als die Konversation diese ernste Wendung genommen, zurückgezogen hatten. Der Kapitän selbst stand rasch auf und empfahl sich.

      Die jungen Damen hatten unterdessen in dem zweiten Kränzchen ihre Herzensergießungen begonnen. –

      »Und nun,« sagte die lebhafte Cousine Georgiane, »Pa wollte morgen nach Natchez hinauf; wenn ihr aber hübsch artig seid und uns zu amüsieren versprecht, so bleiben wir einige Tage. Nicht wahr, Pa?«

      »O Schmerz!« rief lachend Virginie. »Sie kommen auf zwölf Stunden und wollen schon amüsiert sein. Ein sehr großes Kompliment finde ich darin für unsere annehmlichen Gaben eben nicht; damit ihr aber seht, wie wir Böses mit Gutem vergelten, so will ich mich zu Vorschlägen herbeilassen.«

      »Wir sind ganz Ohr«, versicherten die drei fashionablen Schönen.

      »Morgen früh denn Schau bei den indianischen Löwen.«

      »Pfui, mit euern schmutzigen indianischen Löwen«, riefen die drei mit Abscheu.

      »So hört doch nur,« mahnte Virginie, »einer darunter soll wirklich ein königlicher Löwe sein.«

      Das Geplauder wurde in dem leichten, gefällig anmutigen Tone geführt, der gerade nicht ausgelassen, aber für die etwas bedenklichen Zeitumstände vielleicht mutwillig genannt werden konnte.

      Die Oberstin hatte schon einige Zeit mit Ungeduld zugehört. »Misses!« sprach sie etwas scharf, »ihr seid sehr vergnügt, und es freut mich; aber ich wünschte, euer Frohsinn wäre etwas mehr gedämpft; etwas mehr Zartheit, in einem Augenblicke, wo die Unsrigen in einem so ernsten Kampfe begriffen sind, dürfte nicht überflüssig sein.«

      Auch Rosa schien von dem mutwilligen Tone verletzt.

      »Die Löwen?« fragte sie Gabriele. »Habt ihr Löwen hier? Das müssen schreckliche Tiere sein, wenn sie so aussehen, wie sie auf dem Bilde im Speisesaale gemalt sind!«

      »Du kamst ja mit ihnen«, erwiderte Gabriele.

      »Ich!« rief Rosa verwundert. Sie sann eine Weile nach. »Du meinst doch nicht –« sie stockte, sie wurde blaß.

      »Die Indianer«, lächelte Gabriele. »Wir nennen jede ungewöhnliche ausländische Erscheinung einen Löwen. Das ist Sprachgebrauch.«

      »Das ist ein sehr grausamer Sprachgebrauch«, seufzte sie. »Ihr seid grausam und selbst in eurer Fröhlichkeit schneidet ihr tiefer ein, als die Schlachtmesser der Wilden in ihrer Wut, – stoßt ihr dem armen alten Mann den Stachel eurer Zunge in das Herz.« Sie zog sich unwillig zurück. Gabriele schlang ihren Arm um sie: »Sei nicht böse, Schwesterchen, der alte Häuptling ist ja nicht hier.«

      »Aber seine Tochter ist es«, sprach Rosa.

      »Seine Tochter?« fragte Mister Bowditch, der in seiner Promenade durch die beiden Abteilungen des Empfangszimmers die letzten Worte des Mädchens gehört hatte. »Wer ist doch die junge Dame?« fragte er Mistreß Parker.

      »Miß Rosa, unser lieber Gast.«

      »Miß Rosa – Rosa«, wiederholte der Pflanzer mit einer Stimme, die leise sein sollte, die aber in den beiden Zimmern gehört wurde.

      »Ich habe Sie Ihnen bereits vorgestellt, aber Mister Bowditch schien zu sehr mit andern Gegenständen beschäftigt«, sprach die Dame mit einem sanften Verweise.

      »Ach, jetzt erinnere ich mich; à propos!« Er wackelte zur Klingelschnur und zog sie. »Bringt mir doch einmal meinen Überrock aus der Vorhalle herein. Da, Mistreß Parker, sind ein halbes Dutzend Briefe, ein wenig verspätet, aber gute Nachrichten kommen nie zu spät. Muß doch sehen.« Und mit diesen Worten setzte er ohne Umstände seine Brille zwischen Nase und Ohren und fing an, eine Zeitung zu entfalten.

      Die Dame hatte die Briefe in Empfang genommen, und sich für einige Augenblicke entschuldigend, verließ sie mit Virginien das Besuchzimmer.

      »Da seht einmal diese Zeitungschreiber – aber im ganzen genommen nicht so übel, nein«, rief er, indem er das Kind durch die Brille musterte, mit etwas weniger Interesse, als er wahrscheinlich einem fremden, in seine Baumwollenpresse geratenen Kottonballen bewiesen haben dürfte.

      »Sehen Sie,« fuhr er fort, »da steht Ihre Lebensgeschichte schwarz auf weiß.«

      »Etwas von Rosa in diesen Papieren?« fragte das aufmerksam gewordene Mädchen.

      Der Pflanzer sah sie verwundert an. »Sie wissen ja, die stecken ihre Nasen in alles hinein.«

      »Darf ich bitten«, sprach sie.

      »Gerne«, versetzte er, ihr das Blatt reichend.

      Sie nahm es und zog sich schnell in die Ecke des Sofas zurück. Sie las Wort für Wort. Bei jeder Zeile schüttelte sie das Köpfchen stärker. Sie wechselte die Farbe. Wieder las sie, eine Träne perlte in ihren Augen, und das Köpfchen senkend, schien sie alles um sich her zu vergessen. So war sie eine geraume Weile gesessen, das Blatt auf ihrem Schoße, ohne ein Wort zu sprechen. Die Damen waren herbeigetreten und sahen sie verwundert an. Unwille, beleidigtes Zartgefühl schienen in ihrem Gemüte wechselseitig zu kämpfen; die Freiheit, die man sich mit ihr genommen, schien sie tief zu verletzen.

      Der Pflanzer trat an sie heran.

      »Aber,