Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Название Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
Автор произведения Charles Sealsfield
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835741



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gossen über Dorf und Flur eine milde Wärme, die Fluß- und Hüttenbewohner neu belebte. Tausend wilde Enten, Gänse und Schwäne trieben ihr Wesen auf dem prachtvollen Strome, während Spottvögel, Paroquets und Bluebirds ihre harmonischen Töne aus den Gebüschen hören ließen. Herüber von dem Waldende hörte man den Gesang einer Schar Mädchen, die um eine kleine Herde gezähmter Büffelkühe beschäftigt waren; und etwas näher dem Strome zu war ein großes Feuer zu sehen, um das ein großer Haufe von Jungen und Mädchen sich herumtrieb. Sie verbrannten jauchzend eine lange, dicke, mit Stroh ausgefüllte Figur, deren weißes Gesicht einen Yankee vorstellen sollte und in dessen Wamse zahllose Pfeile steckten.

      Aus der Hütte, in der unser Midshipman der indianischen Gastfreundschaft genoß, kam Canondah, ein Körbchen am Arme. Sie hatte sich bereits der Wohnung ihres Vaters genähert und schien eilig zu sein, als die Büffelhaut der Hütte sich öffnete und der junge Mann ihr nachgelaufen kam. Sein schneller, fester Schritt bezeugte, daß er sich beinahe gänzlich erholt habe. Das Äußere des jungen Mannes verriet jenes humoristisch waghalsige und derbe Wesen, das einen jungen Seekadetten so wohl kleidet, in dem der spaßhafte Geist des Matrosen mit dem ernsten, herrischen Wesen des Offiziers und den halb geschliffenen Manieren des Landjunkers noch immer um die Oberhand streiten. Die bleiche Jammergestalt war zum kräftigen, rotbackigen Sprossen John Bulls geworden, in dessen muntern blauen Augen sich ein gewisses behagliches Gefühl, mit viel gesundem Menschenverstand, abspiegelten, während der um sein Kinn aufgesprossene ziemlich lange Flaum und die Adlernase dem noch immer wettergebräunten Gesichte einen Ausdruck von Kraft und Männlichkeit gaben. Mit diesem anziehenden Äußern jedoch stach seine Garderobe nur zu sehr ab, die, die Wahrheit zu sagen, nichts weniger als einladend war. Zu geschweigen des Halskragens, der seit mehreren Wochen der Seife entbehrt haben mochte, war seine Jacke stellenweise durchlöchert, und ein Stück Kottontuches verbarg nur kümmerlich den Schaden, den die Zähne des Alligators an seinen Beinkleidern angerichtet hatten.

      Die Indianerin hatte kaum die Fußtritte des Nahenden gehört, als sie sich umwandte und ihm freundlich entgegenging. In ihrer Miene lag nichts von jener kalten Härte, die früher an ihr sichtbar gewesen; im Gegenteil, sie war heiter und fröhlich.

      »Mein Bruder«, rief sie ihm von weitem lachend zu, »hat den Schlaf eines Bären, den weder die Wasservögel, noch die schreienden Squaws aufwecken können. Die Sonne ist bereits hoch, und doch hat er seine Schwester nicht gehört.«

      »Ja doch,« versicherte er, »und der beste Beweis davon ist, daß ich mich sogleich aufmachte, um den Besuch zu erwidern.«

      Das Kompliment schien von dem Mädchen wieder nicht verstanden zu werden, und sie drohte ihm lächelnd mit dem Finger. »Mein Bruder spricht wieder mit einer Doppelzunge.«

      »Ich bin gekommen, meiner freundlichen, guten Schwester meinen Morgengruß anzubieten,« erwiderte er, sich die Lippen beißend, »aber was die Doppelzunge betrifft, so muß ich zu meinem Leidwesen gestehen, daß ich nur die schlichte, ehrliche Zunge von meinem Altengland spreche. Mein weniges Französisch habe ich seit meinem achtzehnmonatigen Schiffsleben so ziemlich wieder vergessen.« Die unbekümmert behagliche Weise, mit der er diese Worte sprach, und das ganze Wesen des vollen, blühenden Jünglings, in dem kein Arges zu sein schien, brachten sichtlich einen günstigen Eindruck auf die Indianerin hervor. Ihre Augen hingen mit Wohlgefallen an ihm; sie sann einige Augenblicke nach, ergriff plötzlich seine Hand, und auf seine Hütte deutend, sprach sie: »Mein Bruder wird da seine Schwester erwarten.«

      Sie flog dann zur Türe ihres Häuschens, stellte das Körbchen nieder und eilte zur zweiten größern Hütte, aus der sie nach einer Weile mit einem ziemlich großen Bündel kam. Mit diesem flog sie der Hütte des Briten zu.

      »Meines Bruders Gürtel und Hemd sind sehr schmutzig und zerrissen«; sprach sie. »Hier wird er finden, was ihn besser kleiden wird.«

      »Was ist das, liebe Schwester?« versetzte er, der sich allmählich an ihre Phraseologie gewöhnte.

      »Meines Bruders Schwester wird wieder kommen, wenn er dieses mit seinen unsaubern, häßlichen Kleidern vertauscht hat«; sprach sie, durch die Türe schlüpfend.

      Neugierig untersuchte er nun das Päckchen. Es war ein vollkommener Anzug mit frischer Wäsche. Ein Überrock von blauem Tuche, ganz im Schnitte britischer Seeoffiziere, Pantalons, Weste und Stiefel. Das sonderbare Geschenk war nicht geeignet, die Zweifel zu beschwichtigen oder ihn über seine Lage aufzuklären. Woher hatte die Indianerin diese Kleidung? Der Seeräuber fiel ihm von neuem ein. Durfte er, ein britischer Offizier, von dieser Kleidung Gebrauch machen? Sein Auge fiel auf seine abgetragene Garderobe, die, nur mühsam zusammenhaltend, jeden Augenblick eine furchtbare Blöße androhte. Not kennt kein Gebot. »Es ist nicht die erste Kriegslist, durch die ein ehrlicher britischer Midshipman in eines andern Stelle schlüpfte«; rief er lachend, seine Fragmente abwerfend und sein neues Kostüm mit den Kenneraugen eines Newbondstreet-Costumers prüfend.

      Die Umwandlung war wirklich zu seinem Vorteile ausgefallen. Der knapp anliegende blaue Rock, die eleganten Pantalons, die lichtgelbe, echt britische Weste kleideten ihn trefflich. Mit einer Art komischen Abscheus stieß er die Reste seines vormaligen äußern Menschen zur Türe oder vielmehr zur Büffelhaut hinaus, um sie im nahe gelegenen Gebüsche jedem menschlichen Auge zu entziehen.

      Mitten in dieser Beschäftigung überraschte ihn Canondah. Einen Augenblick hing ihr Auge an dem wohlgebildeten, nun wirklich schönen Jünglinge, und dann ergriff sie lächelnd seine Hand, ihn rasch mit sich fortziehend. Vor der Türe ihrer Hütte angelangt, winkte sie ihm bedeutsam, schlüpfte dann in die Stube und kehrte Hand in Hand mit Rosen zurück und flog hernach dem brennenden Scheiterhaufen zu.

      Achtes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      Die betroffen staunende und halb verlegene Miene, mit der er sich ihr näherte und die erst allmählich in den freien Anstand überging, die einer guten Erziehung und gutem Umgang eigentümlich sind, hatte seinem ganzen Wesen einen so zarten Anstrich von Aufmerksamkeit und Überraschung gegeben, daß das Mädchen bis zur Nagelspitze errötete. Es war das erstemal, daß sie auf eine so zarte Weise den Triumph ihrer idealen Schönheit genoß und das wohltuende Gefühl fremder Anerkennung schien ihren Busen zu heben und ihrem ganzen Wesen eine veredelte Gestalt zu geben.

      »Ein herrliches Bild«, sprach er endlich mit Feuer und Rührung, »schwebt meinem trüben Blicke vor. Es ist ein Engelsbild, das mich liebend umschlang, als mich das Ungetüm in seinen Rachen faßte. Es kam, als mich die Nacht des Todes umfing, und wärmte mich, als Fieberfrost meine Glieder schüttelte. Es hat mich gepflegt und heilenden Balsam auf meine Wunde gegossen. Wahrlich Miß, wäre es nicht heller Tag, ich glaubte zu träumen.« Sie hatte schweigend ihr Auge auf die Erde geheftet. »Sie sind es denn,« fuhr der Jüngling fort, »der ich mein Leben, meine Gesundheit danke, die mich gepflegt, die mich liebreich gewartet?«

      »Der Arm Rosas ist schwach, mein Bruder,« fiel sie ein, ihm mild und vertrauensvoll ins Auge blickend, »sie würde ihren Bruder nicht aufrechterhalten haben können. Es ist Canondah, die dich aus dem Rachen der Wasserschlange gerettet. Es ist sie, die dich in die Baumhöhle, in dieses Wigwam getragen. Sie ist es, die Winondah vermochte, das Fieber zu vertreiben.«

      »Die Indianerin!« rief der Jüngling. »Dieselbe, die mich so unbarmherzig auf die Folter spannt, jeden meiner Schritte belauert?«

      Der Blick des Mädchens ruhte beinahe wehmütig auf ihm. »Canondah ist die Tochter des Miko, sie ist die Mutter der Oconees, sie ist der Trost und die Hoffnung aller; aber der Miko und sein Volk sind rot«; sprach das Mädchen bedeutsam und unwillkürlich schaudernd.

      »Ich verstehe«; sprach der Brite.

      »Sie sind sehr gut, aber sie haben vieles von unsern weißen Brüdern gelitten.«

      »Den Yankees?« versetzte der Jüngling. »Aber wie kommen Sie, Miß, hierher; darf ich bitten, mir hierüber Aufklärung zu geben?«

      »Der Miko nahm Rosa aus der Hütte des weißen Zwischenhändlers.«

      »Aber