Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen. Charles Sealsfield

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Название Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
Автор произведения Charles Sealsfield
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788075835741



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und er will durch ihr Land und ihre Wigwams. – Mein Bruder«, sprach sie im bestimmten, beinahe drohenden Tone, »hat sich in das Wigwam des Häuptlings der Salzsee gestohlen und ist von da in das des Miko gekommen, um den Pfad seinem Volke, den Yankees, zu zeigen. Mein Bruder ist ein Späher der Yankees.« – Sie begleitete ihre letzten Worte mit einem Blicke, der dem jungen Manne eben nicht sehr schmeichelhaft war, und stand im Begriffe, das Stübchen zu verlassen.

      Der Brite hatte ihr mit einer Spannung zugehört, die seinen jugendlichen, seemännisch launigen Zügen einen Ausdruck von Bitterkeit gab. Bei den letzten Worten schien er besonders beleidigt zu sein, und bittrer Hohn spielte um seinen Mund. Er versuchte zu antworten, stockte aber und brachte bloß ein »Aber ich muß dir sagen –« heraus. Die Indianerin machte ihm trocken ein Zeichen, zu schweigen.

      »Mein Bruder ist noch krank und wund. Er hat bereits zu viel gesprochen. Er muß essen, um gesund zu werden. Der Miko ist groß und weise; er wird sehen.« Mit diesen Worten trat sie aus der Türe, vor der sie Rosa fand. Beide Mädchen wandelten Arm in Arm durch die Hecken und Pflanzungen ihrem Häuschen zu, ohne ein Wort zu sprechen. Die Indianerin war augenscheinlich in tiefes Nachdenken versunken. Plötzlich stand sie stille.

      »Mein junger Bruder ist sehr jung, und seine Zunge faselt wie die eines albernen Mädchens; aber unter dieser Narrheit ist die Schlange verborgen.« Sie sah, während sie sprach, Rosen an, als ob sie von ihr Bestätigung des Gesagten erwartete. Diese schwieg.

      »Seine Augen«, fuhr die Indianerin fort, »sind die der Taube, aber seine Zunge ist die der Rasselschlange.« Dasselbe Stillschweigen. »Haben die Ohren der weißen Rosa die vielen Lügen aufgefangen, die ihr weißer Bruder gesagt hat?«

      »Sie hat die Worte ihres weißen Bruders gehört«, erwiderte diese; »aber sie hat nicht in sein Herz geblickt. Wie kann meine Canondah sagen, daß unser weißer Bruder Lügen gesagt hat?«

      »Die weiße Rosa ist gut, sehr gut, Canondah liebt sie mehr als ihr Leben, und sie ist ihres Vaters Freude; aber sie sieht nicht mit den Augen Canondahs, noch des Mikos.« Ein tiefer Seufzer entquoll dem Busen Rosas. »Sie ist unglücklich, wie ihr weißer Bruder«; lispelte sie vor sich hin.

      »Rosa ist die Taube, mein weißer Bruder ist die Schlange. Er ist ein Späher«; sprach die Indianerin mit Unwillen. Rosa schüttelte ihr Köpfchen. »Wer hat Canondah dies gesagt?«

      »Rosas Augen«, erwiderte die Indianerin, »haben nur auf die weiße Haut und die zarten Hände meines Bruders gesehen, aber die Tochter des Miko hat seine Lügen gehört. Ist er nicht im Kanu des Häuptlings der Salzsee heraufgekommen? Hat seine Zunge nicht gesagt, daß er in seinem Wigwam gewesen, ohne die Pfeife des Friedens mit ihm geraucht zu haben? Ist nicht sein Volk auf dem Kriegspfade gegen den Häuptling? Sagte er nicht selbst, daß es den Häuptling an einen Baum hängen wollte, wenn es ihn hätte? und doch sagt die weiße Schlange, daß es nicht den Tomahawk aufgehoben. Wie kann er anders in das Wigwam des Häuptlings gelangt sein, denn als ein Späher? Und spricht er nicht mit der Zunge eines Yankee, und doch sagt dieselbe Doppelzunge, daß sein Volk auf dem Kriegspfade gegen die Yankees begriffen? Und mit der nämlichen Zunge widerspricht er und sagt, daß die Yankees ihn nicht töten würden, und deshalb«, schloß sie höhnisch, »will er durch ihre Wigwams. Glaubt er, Canondah sei eine Törin?«

      Die Erzählung des Briten hatte allerdings etwas an sich, das dem ungekünstelten, mit den Grundsätzen des Völkerrechts gänzlich unbekannten Naturkinde ziemlich unwahrscheinlich vorkommen mußte. Sie dachte sich die Verhältnisse großer Nationen im winzigen Maßstabe ihres eigenen Völkchens, oder höchstens des Stammes der Creeks, und schloß ebenso natürlich den Häuptling der Salzsee oder, besser zu sagen, den Seeräuber in diese Parallele mit ein. So mußte sie notwendig die Sprache des jungen Mannes sonderbar finden, der in seiner seemännischen Offenheit ganz unumwunden zu verstehen gab, daß der Pirate aufgeknüpft werden würde, während er zur selben Zeit die Zumutung, daß seine Nation im Kriege mit ihm stehe, mit Verachtung von sich wies. Ebensowenig war seine Erklärung in bezug auf die Amerikaner für die Indianerin befriedigend. Daß seine Nation im Kriege gegen die Yankees begriffen sei, war an sich schon der gegen Weiße mißtrauischen Tochter des Mikos auffallend, die bemerkte, daß er die nämliche Sprache mit diesen rede; aber daß er ungeachtet des obwaltenden Krieges noch eine Art Großmut von seinen Feinden erwarte, und, von ihnen aufgefangen, nicht getötet zu werden fürchte, ging so weit über die Begriffe der indianischen Kriegsgesetze, daß ihn dies allein in ihren Augen zum Betrüger stempeln mußte.

      Auf der andern Seite mochte unser Brite nicht weniger an der Indianerin irre geworden sein.

      Wer war diese junge Wilde, die sich herausnahm, ihn wie einen aufgefangenen Spion auszufragen, und zwar auf eine Weise, die ihn unwillkürlich gezwungen hatte, ihren Fragen Rede zu stehen? Woher dieser Herrscherton, der, bei aller Einfalt, Würde und Selbstbewußtsein aussprach? Was hatte sie nach dem Seeräuber zu fragen? Gehörte sie zu seiner Bande? Ihr Wesen widersprach einem so herabwürdigenden Gedanken. »Pshaw! Mädchenneugier!« rief er sich zu, »die da gerne etwas zu plappern haben möchte.« Und mit diesem Troste entließ er für diesmal seine weitern Gedanken über die sonderbare Besucherin.

      Siebentes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      So waren wieder zwei Tage verflossen. Der junge Mann fühlte seine Gesundheit allmählich hergestellt, des Balsams wunderbare Kraft hatte sich nun vollkommen bewährt, und er konnte bereits ohne Schmerz umherwandeln. Immer war ihm dies jedoch von der Indianerin strenge untersagt worden. Er hatte sich einigemal ins Dörfchen hinausgewagt; aber die Squaws waren ihm stets mit so unzweideutigen Beweisen feindlicher Gesinnung entgegengekommen, daß er immer umzukehren genötigt gewesen. Die Indianerin hatte ihm seine Mahle regelmäßig jeden Morgen und Abend gebracht, hatte jedoch kein Wort weiter gesprochen, und ein ruhig forschender Blick, während sie seinen Puls untersuchte, war alles gewesen, was einigermaßen nähere Teilnahme beurkundete.

      Es war in der Nacht des zehnten Tages seit seiner Anwesenheit. Er hatte sich bereits auf sein Lager hingestreckt und soeben zu schlummern angefangen, als plötzlich der Widerschein heller Flammen durch die Öffnungen der Büffelhaut drang. Er sprang mit dem Ausrufe auf: »Das Dorf ist in Feuer!« stürzte zur Türe hinaus, durch die Hecken und Gebüsche der Flamme zu. Der Widerschein der Fackeln fiel auf eine ziemlich große, dem Anscheine nach niedliche Hütte. Es war die Wohnung des Miko. Soeben trat eine weibliche Gestalt aus der Türe und blieb vor derselben stehen. Sie horchte eine Weile und schien sich dann der Gegend zuwenden zu wollen, wo er sich im Gebüsche verborgen hatte. Langsam wandte sie sich jedoch der Ecke zu, von der sie eine Aussicht auf den von mehreren hundert Pechfackeln erglänzenden Wasserspiegel des Flusses hatte. Er hatte nun Gelegenheit, sie ins Auge zu fassen. Langsam und leise, Schritt für Schritt, als fürchtete er, die liebliche Erscheinung möchte zur Luftgestalt werden, näherte er sich ihr. Bloß eine Acacia Mimosa trennte ihn noch von ihr. Es war Rosa. Eine Weile stand er in Anschauung versunken, und dann trat er näher.

      Der leise Fußtritt war von ihr gehört worden, sie wandte sich und schwebte auf ihn zu. »Fürchte dich nicht, Fremdling,« sprach sie in wohlklingendem Englisch, »unsere Weiber und Mädchen führen den Nachttanz auf.«

      »Miß! ich bitte tausendmal um Vergebung wegen meiner Zudringlichkeit. – Sie werden vergeben, aber wirklich alles, was mir begegnet ist, ist so wunderbar.«

      Das Mädchen sah ihn mit ihren klaren Augen forschend an. Ihr ängstlich werdender Blick schien beinahe fragen zu wollen, ob es auch in seinem Gehirn richtig sei, so befremdete sie die sonderbare, echt englische Anrede. Sie faßte seine Hand. »Vergeben meinem Bruder? Was soll ich dir vergeben, du hast mir nie etwas zuleide getan?«

      »So täuscht mich denn meine Phantasie nicht, und was ich Traum wähnte, hat sich verwirklicht?« erwiderte er. Sie sah ihn betroffen an. »Hat mein Bruder einen Traum gehabt?«

      Hatte des Mädchens ideale Schönheit und ihre leichte Feengestalt den jungen Mann in Verlegenheit gesetzt, die ihm in der Verwirrung die eben erwähnte Londoner Formel auf die Zunge brachte, so war ihre Antwort und nächste Frage