Im Hause des Kommerzienrates. Eugenie Marlitt

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Название Im Hause des Kommerzienrates
Автор произведения Eugenie Marlitt
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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dahinter sitzt.«

      Er zog die feinen Augenbrauen finster zusammen, und sein Blick streifte unsicher ihr Gesicht – sie bemerkte es nicht. »Hübsch und löblich ist es ganz gewiss nicht gewesen, dass sich Kohl und Rüben früher auf seinem Grunde breit machen durften«, fuhr sie fort; »das weiß ich nun, wenn mich auch das kleine Tal in der Erinnerung anheimelt. Aber ist es nicht ein interessantes, wunderliches Spiel des Wechsels, dass der Kaufmann die Schranken erneut, die das alte Rittergeschlecht zuletzt selbst missachtet und als überflüssig entfernt hat?«

      »Vergiss nicht, meine liebe Käthe, dass ich nunmehr der Ritterschaft selbst angehöre!« versetzte er gereizt und in sehr pikiertem Ton. »Traurig genug, dass sich die alten Geschlechter dem Zeitgeist anbequemt und ehrwürdige Institutionen achtlos aufgegeben – nicht ein Jota durften sie fallen lassen. Es ist ein unverantwortlicher Raub an uns, die wir die Nachfolgenden sind.«

      »Schwachkopf! Er ist katholischer als der Papst«, murmelte Henriette ergrimmt; sie schritt tiefer ins Zimmer, während Käthe mechanisch die Tür hinter sich fester zuzog, ohne den halb erschrockenen, halb nachdenklichen Blick von dem sichtlich erregten Manne am Kredenztisch wegzuwenden. Sie hatte ihn als Kind gerngehabt, wie alle Menschen, die mit ihm verkehrten. Früh verwaist, aus einer braven Handwerkerfamilie stammend, von bestechend schönem Äußern und einschmeichelndem Wesen, war er in das Geschäft des Bankier Mangold als Lehrling gekommen und schließlich dessen Schwiegersohn geworden. Käthe wusste, dass er ihre Schwester Clotilde bis zu deren frühem Tod auf den Händen getragen; sie hatte ihn immer nur fügsam bis zur Unterwürfigkeit ihrem Vater gegenübergesehen, auch war er stets gleichmäßig freundlich und hilfreich selbst gegen die untersten Dienstleute des Hauses gewesen – und jetzt schwebte um den schön geschwungenen Männermund dort ein scharf ausgeprägter Zug von widerwärtigem Hochmut. Der Seilersohn stieß verächtlich die Leiter um, auf der er emporgeklommen; sein Glücksrausch blendete ihn dergestalt, dass er in den Jargon der eingefleischtesten Krautjunker verfiel.

      Henriette hatte sich auf einen niedrigen, polsterbelegten Schemel gekauert, und die Arme um die Knie legend, sagte sie beißend: »Liebster Moritz, ich bitte Dich, tue nicht so entsetzlich herausfordernd! Es könnte irgendeine alte Ahnfrau drüber aufwachen und sehen, wie der tapfere Nachfolger und Burgherr Kaffee kocht, und das züchtige Burgfräulein bequem dort liegt und Zigaretten raucht – na, die würde Augen machen!«

      Flora veränderte ihre Stellung nicht um eine Linie; sie nahm nur langsam die Zigarre aus dem spöttisch lächelnden Munde. »Geniert es Dich, Schätzchen?« fragte sie in verstellt phlegmatischem Ton und stäubte mit dem Ringfinger die Asche ab.

      »Mich?« – Henriette lachte hart auf. »Du weißt, dass ich mich durch Dein genialisches Tun und Treiben nicht genieren lasse – die Welt ist weit, Flora; man kann sich aus dem Wege gehen und –«

      »Pst, nicht so bissig, Kleine! Ich fragte aus purem Mitleid, weil Du brustkrank bist.«

      Ein fliegendes Rot erschien und verschwand in jähem Wechsel auf den schmalen Wangen der Kranken, und in ihren Augen funkelten Tränen – sie bezwang sich mühsam. »Danke schön, aber sorge Du zuerst für Dich selber, Flora! Ich weiß, es zuckt Dir in allen Fingern, das qualmende Ding da zum Fenster hinauszuwerfen, denn es beräuchert Deine Perlenzähne wie Meerschaum und jagt Dir einen Schauder des Abscheues nach dem anderen über die Haut – trotz alledem diese heroische Selbstüberwindung! Aus Emanzipationssucht? Bah, Du hast zu viel guten Geschmack, Flora, um zu den allerordinärsten Requisiten des Blaustrumpfes zu greifen; auch bringst Du dieser Neigung, die ja schließlich doch nur auf öffentliche Verherrlichung ausgeht, kein Opfer, das verhässlicht –«

      »Schau, was sie für eine hohe Meinung von mir hat, die liebe Seele!« sagte Flora, unter ironischem Auflachen den Kopf schüttelnd, zu dem Kommerzienrat.

      »Du übst Dich im Rauchen und wirst das vielleicht drei bis vier Wochen konsequent durchführen«, fuhr Henriette unbeirrt, aber mit sichtlicher Erbitterung fort; »weil es Leute gibt, die den Tabaksrauch im Frauenmunde verabscheuen wie Pesthauch. Du suchst Händel, willst erzürnen, es ist der letzte Hebel, den Du ansetzest –«

      Flora richtete sich aus ihrer halbliegenden Stellung auf. »Nun, und wenn, mein Fräulein?« fragte sie stolz zurückweisend. »Ist es nicht meine Sache, ob ich gefallen oder abstoßen will?«

      »Weit entfernt! In Deinem Falle bleibt Dir nur noch die Aufgabe, zu beglücken«, brauste Henriette empört auf.

      »Lächerlich! Trage ich hier vielleicht den Ehering?« – Sie zeigte auf den elfenbeinweißen Goldfinger der Rechten. »Gott sei Dank, nein! … Übrigens hast Du am allerwenigsten Ursache, Dich zu echauffieren und eine Lanze einzulegen – Du bist krank, armes Ding, und mehr als je auf Deinen Arzt angewiesen, aber er zieht es vor, eine Vergnügungsreise zu machen und auf die unmotivierteste Weise wochenlang fortzubleiben.«

      Jetzt mischte sich auch der Kommerzienrat in den Wortwechsel der erbitterten Schwestern. »Unmotiviert, Flora, weil er Dir den Grund seiner Reise nicht des Langen und Breiten mitgeteilt hat?« rief er ärgerlich. »Bruck spricht nie über seinen Beruf und die damit verknüpften Vorkommnisse, das weißt Du. Er ist ohne Zweifel an ein Krankenbett gerufen worden –«

      »Nach L…..g, wo man berühmte Universitätsprofessoren haben kann? Ha, ha, ha! Eine kostbare Idee! Mache Dich doch nicht lächerlich mit dergleichen Illusionen, Moritz! Übrigens ist das ein Punkt, über den ich grundsätzlich nicht mehr mit Euch streite – basta!« Sie streckte ihre Rechte nach der Kaffeetasse aus und schlürfte den köstlich duftenden Trank. Henriette aber schob grollend die gebotene Labung zurück; sie stand auf und trat an die Glastür, die auf die anstoßende Ruine hinausführte. Das Mauerstück war der Rest einer Kolonnade, die einst von dem ersten Stockwerk des Haupthauses in den Turm geführt hatte; die zwei schön gewölbten, auf schlanken Säulchen ruhenden Bögen bildeten jetzt eine Art Söller mit prachtvoller Fernsicht.

      Henriette riss den Türflügel auf, und die krampfhaft geballten Hände gegen die Brust drückend, sog sie angstvoll gierig die frische Luft ein, aber eine augenblickliche Erstickungsnot machte sich doch geltend. Käthe und der Kommerzienrat eilten, die Leidende zu unterstützen; auch Flora erhob sich. Sie warf unwillig die Zigarre in den Aschenbecher. »Nun werden wohl die harmlosen Dampfwölkchen schuld sein müssen an dem Anfall«, sagte sie geärgert, »aber ich weiß es besser. Du gehörtest von Rechtswegen ins Bett, Henriette, und nicht in die trockene Frühlingsluft hinaus, die für Leute Deines Schlages wahres Gift ist – ich habe Dich gleich gewarnt, aber Du hast ja nie Ohren für einen wohlgemeinten Rat und möchtest einem am liebsten weismachen, Du strotzest von Gesundheit wie Posaunenengel. Ebenso obstinat bist Du bezüglich der ärztlichen Hilfe –«

      »Weil ich meine kranke Lunge nicht dem ersten besten Giftmischer anvertraue«, ergänzte Henriette in mattem, aber sehr entschiedenem Tone.

      »O weh, das geht meinem armen, alten Medizinalrate an die Ehre«, rief Flora lächelnd. Sie zog die Schultern empor. »Immerhin, Kind, wenn es Dir Vergnügen macht! Ich kann ja auch nicht wissen, wie er seine Mixturen mischt, soviel aber darf ich behaupten, dass er noch nie einem Patienten ungeschickter Weise nahezu – den Hals abgeschnitten hat.«

      Der Kommerzienrat fuhr mit bleichem Gesichte herum und hob unwillkürlich die Hand, als wolle er sie auf den impertinenten, lästernden Frauenmund pressen; er schien sprachlos – sein Blick streifte scheu Käthes Gesicht.

      »Du Herzlose!« stieß Henriette hervor.

      »Herzlos bin ich nicht, aber unerschrocken genug, böse Dinge beim Namen zu nennen, selbst wenn die harten Worte auf eigene Wunden zurückschlagen sollten. Wo bliebe dann auch das Verdienst der strengen Wahrhaftigkeit? … Denke an jenen schlimmen Abend und frage Dich, wer Recht behalten hat! Ich wusste, dass ein tiefer Sturz aus den Höhen fälschlich erträumter Berühmtheit erfolgen musste – er ist erfolgt, zermalmender, rettungsloser, als ich selbst gefürchtet, oder wollt Ihr auch die einstimmige Verurteilung von Seiten des Publikums wegdisputieren? Dass ich aber nicht mit stürzen will, wird jeder begreifen, der mich kennt. … Ich kann nicht beschönigen und vertuschen, wie es z. B. die Großmama aus dem Fundament versteht; ich will es auch gar nicht. Keine Rolle ist lächerlicher als die jener ahnungslosen Frauenseelen, die da noch öffentlich anbeten, wo,