Название | Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band. |
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Автор произведения | Gerstäcker Friedrich |
Жанр | Зарубежная классика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная классика |
Год выпуска | 0 |
isbn |
Kalt und schaurig brach der Morgen an, die Gewitter hatten sich verzogen, aber schwere, dunkele Wolkenschichten schienen in an einander gepreßten Massen auf den Wipfeln der Bäume zu ruhen; ein feiner, dünner Regen stäubte nieder und einzelne Windstöße schüttelten in Schauern die großen Tropfen auf das fest an den Boden geschmiegte gelbe Laub hernieder.
Sechingen, obgleich schon seit längerer Zeit erwacht, fürchtete fast, sich in den naßkalten Falten der Decke zu bewegen, und lag regungslos in einander gekrümmt, bis es heller Tag geworden war; endlich ermannte er sich, sprang, die Hülle von sich werfend, auf die Füße, und schaute mit trostlosem, mattem Blick auf die ihn umgebende, keineswegs lächelnde Natur.
»Das also ist Urwald!« seufzte er leise vor sich hin, indem er einige der, trotz der kühlen Morgenluft auf ihn einstürmenden Mosquitos von sich abzuwehren suchte – »das ist Urwald? – eine sehr schöne Gegend – daß mich der Böse auch plagen mußte, dem Rath des Narren in Little-Rock zu folgen; der Indianer schläft dabei in seinem dünnen, baumwollenen Jagdhemd, als ob er im weichsten Federbett läge.«
Die Wahrheit zu gestehen, schlief Bob aber eigentlich nicht, sondern war schon, um sich zu erwärmen, seit einer Stunde hin- und hergelaufen, hatte sich aber, um wegen der Flasche nicht befragt zu werden, schnell wieder unter den Baum geworfen, sobald er das Munterwerden seines Marschgefährten bemerkte.
»Bob!« wollte dieser jetzt rufen, aber Du lieber Gott, keinen Ton brachte er aus der Kehle, der Hals war ihm wie zugeschnürt und er konnte sich selbst kaum vor Heiserkeit reden hören; nochmals versuchte er »Bob!« zu sagen, aber vergebens und seine Worte wurden zu einem kaum hörbaren Hauch. Er trat daher dicht neben den Indianer, und schüttelte diesen, bis er auf die Füße sprang und sich nun langsam, wie eben erst aus tiefem Schlaf erwacht, nach den Bäumen und Wolken umschaute.
»Wie weit haben wir noch bis zum nächsten Haus?« frug Sechingen jetzt mit seiner leisen, röchelnden Stimme.
»Könnt laut reden,« sagte der Indianer, das Schloß seiner Büchse abtrocknend und frisches Pulver auf die Pfanne streuend, »kein Wild hier, finden aber welches; dieser Morgen guter Jagdtag.«
»Ich kann nicht laut reden – ich habe mich ja erkältet,« flüsterte Sechingen ärgerlich.
»Erkältet!« rief verwundert die abgehärtete Rothhaut – »erkältet? was ist das?«
»Wie weit haben wir noch bis zum nächsten Haus?«
»Fünf Meilen!« sagte Bob.
»So lassen Sie uns wenigstens eilen, daß wir dort hinkommen, ich bin halb todt vor Hunger und Erschöpfung – Pest!« rief er aber zu gleicher Zeit, mit dem Fuße stampfend, aus, als er bei diesen Worten in die Jagdtasche gegriffen hatte, und die jetzt leere Flasche hervorzog, »auch das noch – ausgelaufen – bis auf den letzten Tropfen – die einzige, letzte Stärkung fort.«
»Wie schade!« sagte Bob, und sah traurig die Flasche an. Doch hier half kein weiteres Besinnen, beide Männer schulterten also ihre Gewehre, Bob hing seine alte, nasse Decke, die er jedoch vorher so gut wie möglich ausgerungen hatte, wieder auf den Rücken, und fort ging's auf's Neue in den Wald hinein, oder eigentlich, besser gesagt, im Walde fort, denn unbestreitbar waren sie darinnen.
Hier zeigte sich übrigens der Nutzen, den des Indianers Ortssinn, ein gewisser ihm angeborener Instinkt, dem Deutschen gewährte, denn ohne Jenen hätte er sich im Leben nicht wieder aus den Dickichten und Sümpfen herausgefunden, die, einander so ganz ähnlich, ihn nicht begreifen ließen, wie man in einem solchen Labyrinth eine wirklich gerade Richtung beibehalten konnte, ohne bei jeder Wendung irre zu werden. Immer unwegsamer wurde hier der Wald, häufiger und häufiger kreuzten sie schmale, kleine tiefe Bäche, und standen plötzlich an einem kleinen Flusse (oder einer Slew, wie es der Indianer nannte), der seine schlammigen Fluthen dem Fourche la fave zudrängte.
»Bob!« sagte Sechingen erschrocken, als dieser ohne weiter eine Sylbe zu äußern, hineintrat und durchwaten wollte, wobei ihm das Wasser bis unter die Arme reichte – »ist denn keine Fähre hier? wir sollen doch nicht mitten durch?«
»Ist der Weiße hungrig?« frug Bob, stehen bleibend.
»Sehr!«
»Und naß?«
»Durch und durch!«
Bob erwiederte nichts weiter, sondern badete gerade durch, während ihm die Fluth bis zu den Schultern stieg, und war in wenigen Minuten am anderen Ufer. Wehmüthig schaute ihm Sechingen nach, überzeugte sich aber bald, daß hier nichts Anderes zu thun übrig bliebe als zu folgen, denn allein zurück zu bleiben, ging doch auch nicht an. Das also, was er nicht zu durchnässen wünschte, als Brieftasche, Zündhütchen, Pulverhorn und Uhr in die Jagdtasche steckend und diese, nebst der Flinte, über dem Kopf haltend, trat er seine unfreiwillige Wasserfahrt an, kam auch glücklich hinüber, schüttelte sich hier, ließ das Wasser aus den Wasserstiefeln laufen, indem er sich auf den Rücken legte und die Beine an einem Baum in die Höhe reckte (im Anfang freilich etwas zu hoch) und folgte dann dem Führer, der schweigend voranschritt.
So großen Jagdeifer Sechingen aber beim Anfang ihrer Wanderung gezeigt hatte, so abgestumpft war er jetzt gegen alles ihn Umgebende geworden und schaute kaum vom Boden auf, um nicht fortwährend über die unzähligen, überall umhergestreuten Äste und Stämme zu stolpern und zu stürzen; die Flinte hing ihm, Hahn in Ruh und Sicherheit aufgesetzt, über die Schulter, die Mütze saß ihm tief in der Stirne und der einzige Laut, den er von sich gab, war dann und wann ein leise gemurmelter Fluch, wenn ihm die nassen Zweige in's Gesicht schlugen, oder sich sein Fuß, trotz aller Vorsicht und Aufmerksamkeit, in dem dichten Schlingpflanzengewebe fing, das an vielen Stellen den Boden wie mit einem festen Netze überzog.
Da blieb Bob plötzlich stehen und hob schnell und lautlos die Büchse an den Backen, und wie mit einem magischen Feuer durchgoß diese einzige Bewegung den Körper des bis jetzt in fast gänzlicher Apathie versunkenen Deutschen; blitzschnell riß er das eigene Gewehr von der Schulter und schaute, hochaufgerichtet, die Augen in dem alten, keineswegs erstorbenen Jagdeifer erglühend, spähend umher, das Wild zu entdecken, das der Indianer auf's Korn genommen. Aber erst, als er der Richtung von Bob's Büchse folgte, von deren Pfanne das Pulver schon zweimal abgeblitzt war, sah er einen stattlichen Hirsch, der ruhig äste und die Nähe zweier menschlichen Wesen gar nicht zu ahnen schien. Vor Eifer zitternd, hob Sechingen das Doppelrohr, das, noch mit guten, deutschen Zündhütchen versehen, dem Wetter Trotz geboten, und der Schuß krachte dröhnend durch den stillen Wald.
Hochauf sprang der Hirsch und setzte über einen, vor ihm liegenden Baumstamm, blieb dann aber augenblicklich wieder stehen, äugte verwundert umher, witterte zu gleicher Zeit die Feinde und sprang eben in ein benachbartes Dickicht, als ihm Sechingens Rehposten nachsausten. Wohl schüttelte er den schönen Kopf ein wenig, als ihm das Blei um's Gehör pfiff, unverletzt aber warf er den Wedel in die Höhe und war mit wenigen Sätzen verschwunden.
»Ich muß ihn getroffen haben,« rief Sechingen, der dem Anschuß in wilder Jagdlust zusprang; Bob folgte ihm jedoch sehr ruhig und bemerkte, die Fährten keines Blickes würdigend:
»Hirsch merkwürdig wohl, wenn er den weißen Fleck zeigt – weiße Mann Bockfieber!«
Gar sehr wider Willen mußte es sich Sechingen zuletzt selbst gestehen, daß er, auf kaum funfzig Schritt, mit beiden Läufen das Wild gefehlt habe, denn auch nicht ein einziger Tropfen Schweiß war auf dem Laube zu sehen. In hierdurch nicht gerade verbesserter Laune setzten also Beide, nachdem der Deutsche zuerst wieder geladen, ihren Weg weiter fort, und erreichten, nach etwa zweistündigem Marschiren, das Haus, von dem Bob gesprochen, und Sechingen mehr todt als lebendig, begrüßte mit freudigem Herzklopfen das trauliche, Schutz und Wärme versprechende Dach,