Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

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Название Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
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      Amerikanische Wald- und Strombilder. Zweiter Band

      Ein Versuch zur Ansiedlung, oder wie's dem Herrn von Sechingen im Urwald gefiel

      Amerika – Urwald – Indianer – Tomahawk – Scalpiren – Schlingpflanzen – Panther – »Oh, wer doch einmal im Urwald sein und das Alles so recht in der Nähe mit ansehen könnte« – ruft der entzückte Leser, während vor seinem inneren Auge eine wunderliebliche Camera obscura ihm all die obenerwähnten Sachen klein und zierlich, aber mit dem vollen Zauber reicher Phantasie übergossen, vorspiegelt.

      »Da muß ich hin!« hatte auch »von Sechingen,« ein junger unabhängiger deutscher Edelmann gesagt, als er Coopers »Ansiedler« auf's Sopha warf, emporsprang, die an der Wand hängende Büchse ergriff und auf einen, im Geist heraufbeschworenen Panther schnell und sicher anlegte.

      Er nahm sich kaum Zeit, das Buch auszulesen; noch in demselben Monat ordnete er seine Geschäfte, und acht Wochen später trug ihn die wogende, blaue See hinüber zu dem Lande seiner Hoffnungen und Träume. Dort, im stillen Wald – im rauschenden Schwanken der Urbäume, wollte er sich seine Hütte bauen, den Bär und Panther jagen und mit den rothen Eingeborenen verkehren; dort von allen Sorgen und Ärgernissen des alten Vaterlandes entfernt, hoffte er die Ruhe zu finden, nach der er sich gesehnt, und die Oberlippe warf er stolz und verächtlich empor, als er jetzt an all das Complimenten- und Etikettenwesen der alten Welt zurückdachte, was Gott sei Dank nun hinter ihm lag.

      Die Reise war höchst glücklich – nach schneller Fahrt erreichte er New-Orleans, hielt sich aber hier kaum lange genug auf, die Stadt flüchtig anzusehen, sondern nahm, als am nächsten Morgen ein für den Arkansas bestimmtes Dampfboot stromauf lief, auf diesem Passage, und erreichte neun Tage später Little Rock, die Hauptstadt des Staates.

      Hier nun strömten, wie das stets bei ankommenden Booten der Fall ist, eine Masse von Menschen an Bord, um vielleicht hie und da einen Bekannten zu treffen oder Zeitungen und Briefe in Empfang zu nehmen, und von Sechingen, dem das Treiben noch ganz neu und ungewohnt war, konnte nicht umhin, einen kleinen freundlichen Mann zu bemerken, der, etwa ein Achtunddreißiger, einen grauen, verschossenen Überrock mit Messingknöpfen, ein paar dunkelfarbige Sommerbeinkleider, grobe Schuh, ein hellblaues Halstuch und einen ziemlich mitgenommenen schwarzen Seidenhut trug.

      Der kleine Mann trat nämlich mit einer unbeschreiblichen, wohlbehaglichen Sicherheit auf, schien dabei Jeden auf dem Boot zu kennen, und war auch wirklich von Allen gekannt, denn des Zunickens und Handdrückens wurde gar kein Ende und »wie gehts Charley – noch immer munter, Charley? – bless me Charley, wie dick Ihr geworden seid!« tönte fast von jeder Lippe. – Es war Charles Fischer, dessen Name bei allen dort gewesenen oder reisenden Deutschen fast unzertrennlich von dem Namen der Stadt selbst geworden, denn schon seit langen Jahren wohnhaft in der Stadt, die er, wie er gern erzählte, »noch als ein Dorf gekannt,« hatte er durch Fleiß und Sparsamkeit (er war ein Tischler) und besonders durch Glück, bei allen seinen Unternehmungen eine hübsche Summe gespart, später ein paar kleine Häuser gebaut, dann eine Art Wirthshaus und Schenkstand angelegt und jetzt steigerte sich mehr und mehr sein Verdienst, da er Alles, was er brauchte, von New-Orleans oder Cincinnati – wo Provisionen wie Getränke sehr billig sind – bezog, und dieses dann in Little Rock zu einem enormen Preis wieder verkaufte. Dazu als eine gute, harmlose Seele beliebt, und schon so lange an jenem Ort wohnend, daß ihn Hin- und Herreisende immer wieder auf derselben Stelle, der Erste an Bord jedes anlangenden Bootes, und eine halbe Stunde später hinter seinem Schenktisch fanden, wurde Charles Fischer gewissermaßen die Hausnummer, die man auf alle nach Little Rock oder auch ganz Arkansas addressirten Briefe setzte, wenn man nicht den Ort, wohin Brief oder Passagier bestimmt war, ganz genau angeben konnte.

      Charles Fischer war also, und ist selbst jetzt noch, das Policeibüreau für sämmtliche nach Little Rock kommende Deutsche, auf dem sie sich nach jedem Interessanten erkundigen können, das aber dafür auch Alles, was den Fragenden angeht, wissen will. Selbst übrigens selten oder nie, seit er in Amerika ist, aus Little Rock herausgekommen, wechselt er auch seine Ansichten nicht besonders, und wenn Jemand von ihm wissen will, wo in Arkansas gutes Land liegt, so schickt er ihn seit funfzehn Jahren an den Fourche la fave; wünscht man von ihm zu erfahren, wie die »Zeiten« sind, so schimpft er und holt ein Paketchen kleiner Banknoten, die er mit einem starken Bindfaden in einem Westenknopfloch befestigt hat, aus der Tasche und sagt »man müsse in Little Rock das Geld anbinden, sonst liefe es fort;« erkundigt man sich nach seiner politischen Meinung, so ist er Demokrat mit Leib und Seele – er ließe sich, behauptet er, lieber todtschlagen, ehe er zu den Whigs überginge, läßt sich aber nie auf nähere Erörterungen ein, da ihm der Unterschied zwischen Whigs und Demokraten noch selbst in vielen Stücken sehr dunkel ist; fragt man ihn aber, was seine Frau macht, so stößt er Einem den Zeigefinger in die Rippen, blinzt das linke Auge zu, was verschmitzt aussehen soll, und lacht.

      Außer Little Rock existirt weiter keine Welt für ihn, er verschmäht jede Einladung, einmal auf das Land zu seinen Freunden zu kommen, und behauptet bei solchen Gelegenheiten stets, sich mit innigem Behagen die Hände reibend, »es gäbe doch nur ein Little Rock,« und darin hat er vollkommen recht, denn es wäre fürchterlich, wenn auf der Welt noch solch ein zweiter Platz existirte.

      Eben hatte Charley, wie er von Allen freundschaftlich genannt wurde, mehre Briefe vom Buchhalter in Empfang genommen, die zwar an ihn adressirt, keineswegs aber für ihn bestimmt waren und wollte das Boot wieder verlassen, als von Sechingen, der jetzt genug von ihm gesehn und auch den Namen so oft gehört hatte, um ziemlich sicher zu sein, wer vor ihm stehe, auf ihn zutrat, und freundlich grüßend fragte, ob er »das Vergnügen habe, mit Herrn Carl Fischer zu sprechen?«

      »Charley – of course – gewiß –« sagte der Kleine, »eben von Deutschland gekommen, eh? haben Sie dort auch letztes Jahr so nasses Wetter gehabt, wie wir hier? aber apropos, was ich Sie fragen wollte, wie weit sind Sie denn bei Stuttgart mit der Eisenbahn?«

      »Es thut mir leid, Ihnen darüber keine genaue Auskunft geben zu können,« lächelte der Fremde »ich komme aber mit einer Bitte um Rath zu Ihnen, Herr Fischer, indem ich von New-Orleans aus durch einen dort zufällig getroffenen Freund an Sie gewiesen bin, mir die beste Gegend für Land hier in Arkansas zu nennen. Ich beabsichtige mich anzukaufen und weiß selbst noch nicht recht, ob ich meine Nachforschungen von hier aus beginnen, oder mit dem Boot bis Fort Gibson hinauf gehen soll.«

      »Land kaufen?« sagte Charley, wie er sich selber nannte, »Land kaufen? keine bessere Gegend in der Welt, als am Fourche la fave – Land nicht todt zu machen – Weide, unverwüstlich – Wild unmenschlich.«

      »Viel Wild? so?« frug der Fremde, und wurde aufmerksamer – »und wo liegt dieses paradiesische Land?«

      »Etwa vierzig Meilen von hier, über die Berge fort, Sie gehen jedoch am Besten mit dem Boot bis an die Mündung des kleinen Flusses selbst, und dann soll es noch etwa zwanzig Meilen von da bis zu der deutschen Ansiedlung sein, Sie können nicht fehlen, immer am Fluß hinauf.«

      »Was fang ich aber indessen mit meinen Sachen an? denn wenn ich eine Fußtour unternehmen soll, muß ich die auf jeden Fall zurücklassen.«

      »Können Sie zu mir hinstellen,« sagte Charley, »ich habe ein kapitales Lokal – unten ein großes Barzimmer mit einem Schlafkabinet.«

      »Barzimmer?« frug der Fremde.

      »Nun ja – Barzimmer, ach so, Sie wissen nicht was Bar ist, nun Schenkzimmer, das ist ja wohl deutsch – eine Treppe hoch habe ich einen Tanzsaal, sollen einmal den Tanzsaal sehen, wie ich den herausgeputzt habe – und auch ein Schlafkabinet, und oben unter dem Dach noch zwei Schlafkammern, wo, wenn es ordentlich eingetheilt wird, an die vierzehn Betten stehen können.«

      »Aber wo wohnen Sie denn da?« sagte erstaunt der Fremde.

      »Im Sommer wohn' ich im Tanzsaal und im Winter unten, neben dem Barzimmer.«

      »Und vierzehn Betten in zwei Dachkammern?«

      »Ja, und wie viel meinen Sie, daß im letzten Winter, wo ich den großen Ball hatte, dort oben in eilf Betten Menschen gelegen haben?«

      »Nun vielleicht gar zwei und zwanzig Personen?« lachte der Deutsche.

      »Zwei und zwanzig?« rief Charley die Nase rümpfend, »wegen denen wären die Umstände nicht nöthig gewesen – sieben und dreißig.«

      »Aber