Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

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Название Der schweizerische Robinson
Автор произведения Johann David Wyss
Жанр Зарубежная классика
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Издательство Зарубежная классика
Год выпуска 0
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auf Seereisen mitnimmt.

      Es wurde mir schwer, bei der Masse von nötigen und nützlichen Dingen, die wir vorfanden, eine Auswahl zu treffen. Nachdem ich aber die obgenannten Stücke voraus erkoren, nahm ich jetzt auch Messer, Gabeln, Löffel und Küchengeschirr, dessen wir sehr bedürftig waren. In des Kapitäns Kajüte fanden sich einige silberne Bestecke und anderes Silberzeug, zinnerne Teller, Platten und Schüsseln samt einem wohlversehenen Flaschenfutter. Das alles wurde eingepackt. In der Küche beluden wir uns ferner mit Rösten, Kellen, Pfannen, Kesseln, Töpfen und Häfen, wovon ich nahm, was mir das Beste und Unentbehrlichste schien. Endlich wurden aus des Kapitäns Vorrat einige westfälische Schinken auserwählt und ein paar Säcklein Getreide, Mais und andere Sämereien beigefügt.

      Auf Fritzens Erinnerung, wie hart und kühl unser Nachtlager am Lande sei, vermehrte ich unsre Ladung noch mit einer Anzahl Hängematten und wollenen Bettdecken, die uns allenfalls auch zu anderm Gebrauch dienen mochten. Fritz, der nie genug Waffen sah, schleppte noch ein paar Flinten und einen Arm voll Degen, Säbel und Hirschfänger herbei. Zum Beschlusse ward ein Fäßchen Schwefel und eine Menge von Tauen und Stricken samt einer Rolle Segeltuch aufgeladen. Den Schwefel bestimmte ich zum künftigen Ersatz unsres Schwefelfadens beim Feuerschlagen.

      So war denn unser kleines Fahrzeug bis oben befrachtet und ging so tief im Wasser, daß ich es erleichtert haben würde, wenn wir nicht vollkommen ruhige See gehabt hätten. Doch bestimmte ich zwei Korkwämser, um sie auf jeden Fall für die Heimfahrt anzuziehen, damit wir uns leichter retten könnten, wenn das Schifflein umschlagen sollte.

      Man kann sich leicht denken, daß es über dieser Arbeit Nacht wurde und daß keine Möglichkeit war, an den Strand zurückzukehren. Wie leicht hätten wir auf einer Klippe auffahren oder sonst in der Dunkelheit verunglücken können! – Ein lachendes großes Feuer am Lande bewies uns das Wohlsein der Unsrigen, und wir bestrebten uns, mit vier großen brennenden Laternen anzuzeigen, daß wir uns gleichfalls gesund und wohl befänden. —Zwei Schüsse sagten uns dann laut Verabredung, daß man unser Signal erkannt und verstanden habe.

      Nicht ohne Sorgen für die lieben Zurückgelassenen legten wir uns endlich ermüdet zur Ruhe, und zwar ziemlich unbequem in unser Kufenschiff, um, wenn das Wrack auseinanderginge oder sonst Gefahr sich erhöbe, sogleich zur eiligen Flucht gerüstet zu sein.

      Früh am Morgen, als es kaum noch hell genug war, bis zur Küste zu sehen, stand ich bereits auf dem Verdecke des Schiffes und richtete mein großes Fernrohr nach dem Zelte, das meine Lieben beherbergte. Fritz indessen schaffte rasch ein nahrhaftes Frühstück herbei, und wir setzten uns so, daß wir fortwährend nach dem Ufer hinblicken konnten. Nicht lange darauf glaubte ich wahrhaftig die Mutter zu gewahren, die aus dem Zelte schritt. Wir ließen sogleich einen weißen Wimpel in die Lüfte wehen und empfingen zur Antwort ein dreimaliges Schwingen der Flagge, die am Strande aufgerichtet worden war. Eine Last fiel mir vom Herzen, als ich mich so überzeugte, daß sich die Zurückgebliebenen fortwährend in gutem Wohlsein befänden.

      »Ja, Fritz!« fing ich jetzt an, »ich dachte, daß ich heute nicht einen Augenblick säumen würde, zurück an das Land zu kehren. Aber nun, da ich gottlob erfahren, daß die Unsrigen wohl sind, erwacht mein Mitleid mit den armen Kreaturen, die hier auf dem Schiffe so kümmerlich hinleben müssen und jeden Tag in Lebensgefahr stehen. Gern wollte ich doch ein paar Stücke davon ans Ufer schaffen.«

      »Ei, können wir nicht ein Floß bauen und die Tiere gleich allesamt hinüberführen?«

      »Aber denke doch, ohne nur von den Schwierigkeiten des Baues zu reden, denke doch, wie wollen wir denn die Kuh und den Esel und das bissige trächtige Schwein auf solch ein Fahrzeug bringen und während der Überfahrt stillhalten!«

      »So wollen wir kurz und gut beim Abfahren das Schwein in die See werfen. Mit seinem Schmerbauch wird es vortrefflich schwimmen, und wir können es an einem Stricke nachziehen.«

      »Das ist gar zu heroisch dreingefahren, und am Ende paßt es nur bei dem Schweine. Die Ziegen aber und die Schafe wären mir um vieles lieber.«

      »Nun, so wollen wir dem kleinen Vieh die Korkwämser anziehen; da wird es schwimmen wie die Fische und uns noch einen Spaß machen.«

      »Ach, Herzensfritz! Was zündet dein lächerlicher Rat mir für ein Licht an! Vortrefflich, vortrefflich! Auf, und zur Probe!«

      Wir stürmten empor, und schnell ward einem muntern Lamm ein Korkleibchen umgeschnürt und das Tier in die See geworfen. Voll Furcht und Hoffnung und Neugier sah ich dem armen Geschöpfe nach. Das Wasser schlug rauschend über ihm zusammen und schien es erst verschlingen zu wollen; dann aber kam das erschrockene Ding wieder hervor und schneuzte sich und zappelte ganz erbärmlich und schwamm, daß es eine Lust war, schwamm noch fort, als es endlich ermüdet seine Beine hängen ließ und verzweifelnd dem Wasser gar keinen Widerstand mehr tat.

      Ich sprang auf vor Freuden. »Nun sind sie unser! nun sind sie unser!« rief ich einmal über das andere. »Auch für die großen will ich Rat schaffen! Hätten wir nur das Schäfchen wieder!«

      Fritz, der einsah, daß man es nicht im Wasser lassen dürfe, bis wir die andern zugerüstet hätten, war bereit, in die See zu springen, um es wieder herbeizuholen. Ich schnallte ihm sein Korkwams um und ließ ihn springen. Er nahm ein Seil mit und warf es dem Lamm über den Kopf, dann zog er es schwimmend zu der Öffnung des geborstenen Schiffes herein, wo wir das Tierchen aufs Trockene hoben und seiner Angst ein Ende machten.

      Nun suchte ich vier Wassertonnen zusammen, die ich auslaufen ließ und wieder zuschlug. Darauf band ich je zwei in einiger Weite aneinander und nagelte ihrer ganzen Länge nach starkes Segeltuch an, so daß es von der einen zur andern überhing. Dieses Tuch war bestimmt, dem Esel und der Kuh unter dem Leibe zu liegen, daß ihnen die Tonnen zu beiden Seiten wie Bastkörbe zu stehen kamen. Als wir die Tiere dann zurechtgestellt, wurden die Tonnen an ihrem Rücken festgemacht, die leeren Räume wurden überall mit Stroh vollgestopft, damit kein Druck den Leib beschädige, und endlich befestigte ich die ganze Maschine mit einem Riemen über die Brust, damit sie nicht über die hintern Beine zurückgleiten könne. So waren Kuh und Esel in anderthalb Stunden schwimmfertig ausgerüstet, und nun ging es an das kleinere Vieh. Mit dem Schweine hatten wir entsetzliche Not, und nur, als wir ihm sein bissiges Maul verbunden hatten, konnten wir ihm ein Korkswams unter den Bauch hinschnüren. Die Ziegen und Schafe waren weniger ungebärdig, und so brachten wir endlich die ganze Herde unter dem obern Verdecke zur Abreise zusammen. – Jedem Stücke wurde jetzt noch ein Strick um die Hörner oder um den Leib gebunden und an dem andern Ende des Strickes ein Holz befestigt, damit man es im Wasser auffangen und das Tier also heranziehen könne. Darauf fingen wir an, die Seitenwand des Schiffes, da wo die Tiere standen, loszureißen, bis wir eine Öffnung erhielten, durch welche man sie hinausstürzen konnte. Zum Glück hatten uns Wind und Wellen tüchtig vorgearbeitet, so daß wir in kurzer Zeit eine Menge von Planken und Brettern hinwegzuschaffen vermochten. Endlich war die Öffnung nach Wunsch, und nun wurde mit dem Esel ein Versuch gemacht. Wir führten ihn hart an den Rand, stellten ihn seitwärts und brachten ihn mit einem kräftigen Stoß über Bord. Er fiel mit großer Gewalt in das Wasser, das über ihm zusammenschlug; aber bald tauchte er hervor und schwamm zwischen seinen Tonnen so wunderschön, daß wir ihm ordentlichen Beifall klatschten.

      Jetzt kam die Kuh an die Reihe, und da sie mir ungleich schätzbarer war als der Esel, so war ich auch ängstlicher über den Erfolg meiner Schwimmveranstaltung. Nicht weniger glücklich als ihr Vorgänger wurde sie durch die leeren Tonnen flott erhalten und schwamm mit der ganzen Kaltblütigkeit ihrer Familie getrost über die Wasserfläche.

      Wir warfen nun auch das kleine Vieh allmählich nach; und alles blieb schwimmend und gelassen in der Nähe des Schiffes. Nur das Schwein wütete fürchterlich und ruderte so ungestüm in der See herum, daß es weit von den andern hinweg, aber glücklicherweise gerade gegen das Land zu schwamm.

      Wir zauderten jetzt selbst keinen Augenblick mehr, sondern sprangen mit unsern Korkleibchen angetan in unsern »Katamarang« und kamen bald aus dem Bauche des Wracks in die offene See, recht mitten in die seltsame schwimmende Herde hinein. Da wurden denn nach und nach die Stricke vermittelst der Hölzer aufgefischt, das Vieh herbeigezogen und an den Rand des Schiffleins festgebunden, bis alles versammelt war, und nun das aufgespannte Segel, von günstigem Winde geschwellt, uns gegen das Ufer zu führen