Der Kronzeuge. Ava Patell

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Название Der Kronzeuge
Автор произведения Ava Patell
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783746718675



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wenn ich schon Babysitter spielen muss, dann möchte ich jetzt wenigstens die ganze Geschichte hören.«

      Nun nahm er doch den Blick vom Computermonitor und sah sie an. Sie hatte eine Augenbraue gehoben und die Arme vor der Brust verschränkt. Sie arbeiteten jetzt schon so lange zusammen, dass er diese Körperhaltung bei ihr als Angriffshaltung deutlich zuordnen konnte. Sie war sauer. Also lehnte er sich zurück und zog es vor, sie kurz über das Gespräch mit dem Detective zu informieren. Alles andere wäre ineffektiv gewesen. Er kannte Asali gut genug, um zu wissen, wann er gar nicht erst kämpfen musste und der Kampf schon von vornherein verloren war.

      Sie war auf dem Stuhl nach vorne gerutscht, als er fertig war. Die Hände mit den fein manikürten Nägeln zu Fäusten geballt.

      »Gott, ich hasse diesen Typen.«

      Er lächelte schmal. »Du kennst meine Meinung dazu«, sagte Gabriel schlicht.

      »Hm«, machte sie knapp und zupfte einen Moment an ihrem rechten Ohrring. »Also behalten wir ihn?«, fragte sie dann.

      »Woher kommt diese Metapher mit dem Hund?«, fragte er ruhig. Das war ihm schon vorhin aufgefallen.

      Asali gluckste. »Ach komm. Wirklich? Sag mir nicht, das wäre dir nicht aufgefallen. Dieser Blick. So große Augen. Und so ängstlich, als hätte er den Schwanz zwischen den Beinen eingeklemmt.« Sie stutzte selbst, als ihr dieser Vergleich auffiel und lachte leise. »Na, du weißt schon, was ich meine. Es hätte doch nicht viel gefehlt und er hätte sich auf den Rücken geworfen und dir den Bauch dargeboten. Der Kleine hat Angst vor dir. Und vor der ganzen Situation. Wie ein Welpe. Wer kann es ihm verdenken?«

      »Wäre es klug, ihn zu behalten?«, fragte er schließlich und sah seine Assistentin und Vertraute wieder an. »Du weißt, dass ich Cortez lieber tot als lebendig sehen würde. Er hat keinen Funken Ehre im Leib, er vergiftet diese Stadt und es wird immer schlimmer und jetzt fängt er auch noch an, Leute aus unseren Reihen zu ermorden.«

      Asali hob die Augenbrauen und sah ihn groß an. »Du meinst, das Opfer war jemand von uns?«

      Er nickte und sah auf den Monitor, auf dem die E-Mail geöffnet war, welche er von einem Kontaktmann bei der Polizei erhalten hatte. Jeff Rogue. 43 Jahre alt. Verheiratet. Zwei Kinder. Er war einer seiner ›Watch-men‹ gewesen. Und auch wenn er Jeff Rogue nicht persönlich kannte, so hatte er dennoch für ihn gearbeitet. Und hatte das laut Personalakte gut gemacht. Hatte einen guten Blick gehabt für die Personen, die in seinen Casinos saßen und die Summen zurückgewannen, die sie waschen wollten. Es war wichtig, Mitarbeiter einzusetzen, die darauf achteten, dass sie auch nur die Summen zurückbekamen, die abgesprochen und vertraglich zugesichert waren. Und nicht mehr. Man konnte niemandem vertrauen. Und dafür hatte er die ›Watch-men‹ eingestellt.

      Jetzt war einer von ihnen tot und Gabriel vermutete, dass es nicht der erste seiner Mitarbeiter war, der auf Cortez' Konto ging. Insgesamt sieben seiner Mitarbeiter waren auf unerklärliche Weise verschwunden. Das konnte Zufall sein und bei den meisten von den sieben war es sicherlich auch so. Es passierte häufiger, dass jemand am Morgen nicht zum Dienst erschien.

      Aber wenn Jeff Rogue auf die Kappe von Cortez ging, dann konnte oder konnte er auch nicht der Einzige sein.

      »Wie schätzt du den Detective ein?«, fragte er Asali, die daraufhin leise lachte.

      »Ach bitte. Ich weiß ganz genau, dass du ihn respektierst. Der Mann ist akkurat und hält sich an die Regeln und ist doch wie ein Pittbull. Ihr könnt euch vielleicht beide nicht sehr leiden, aber Respekt füreinander habt ihr. Das sehe ich dir an und das sehe ich ihm an. Er weiß, dass du kein Killer bist. Nicht wie Cortez. Und du weißt, dass er ehrlich ist und pflichtbewusst. Sonst würde der kleine Welpe jetzt nicht alleine im Zimmer sitzen. Atmend.« Sie seufzte und überlegte dann einen Moment, wobei sie wieder am Ohrring zupfte. Eine Nachlässigkeit, die sie nur in Gegenwart von Personen zuließ, die sie kannte und denen sie vertraute. Ein Fallenlassen ihrer Maske.

      »Es ist riskant ihn zu behalten«, sagte sie dann. Ihr Blick ging unfokussiert aus dem Fenster. »Er schwebt in großer Gefahr und ja, Detective Wilkins hat Recht. Du bist vermutlich der Einzige, der den Kleinen am Leben erhalten kann. Cortez hat trotz allem gehörigen Respekt vor dir. Du bist eine Gefahr für ihn, genauso wie er eine für dich ist. Ich denke, das ist ein klassisches Patt.«

      Gabriel verlagerte leicht sein Gewicht. »Jetzt kommst du auch noch mit Schach?«

      Sie winkte unwirsch ab, um ihren Gedankengang nicht zu unterbrechen. »Der Detective ist genauso versessen darauf wie du, Cortez das Handwerk zu legen. Er will ihn aus dem Verkehr haben. Also denke ich, wird er sich um den richtigen Richter bemühen. Was ein Problem werden könnte, wäre der Staatsanwalt. Du kennst ihn besser als ich. Denkst du, er wird Anklage erheben gegen Cortez?«

      Leicht legte Gabriel den Kopf zur Seite und sah in die dunklen Augen der Frau vor ihm.

      »Ich denke, es gibt ein paar wirksame Mittel, dafür zu sorgen, dass der Staatsanwalt ganz versessen darauf wird, Anklage zu erheben. Meinst du nicht?«

      »Ich denke schon, ja«, grinste sie und lehnte sich zurück. »Du wirst alleine nie an Cortez ran kommen. Seien wir mal realistisch. Wenn da nicht eine Menge Zufall mitspielt oder Glück oder was weiß ich, was da noch dazu gehört, dann wirst du niemals lebendig aus so einer Nummer herausgehen. Dazu ist er zu gut bewacht. Genau wie du selbst. Der Detective allerdings geht einen weniger aggressiven Weg und der gesamten Justiz kann selbst Cortez sich nicht entziehen. Es sei denn, er verlässt das Land. Und das wird er nicht tun. Dafür ist er zu stolz und sich seiner selbst zu sicher.« Sie sah jetzt wieder aus der Fensterfront.

      »Er wird bleiben und darauf vertrauen, dass er alle möglichen Leute schmieren kann und wieder einmal mit einem Freispruch davonkommt und er wird darauf vertrauen, dass er bis zur Hauptverhandlung an den Welpen herankommt, um ihn in einer Regentonne zu ertränken.« Sie sah Gabriel an. »Es ist vielleicht nicht klug, ihn zu behalten, aber es ist das einzig Richtige, um endlich was gegen Cortez ausrichten zu können. Der Typ ist die Pest und es wäre eine Freude, ihn endlich hinter Schloss und Riegel zu sehen.«

      »Was seinen Einfluss nicht unbedingt schmälern würde.«

      Sie grinste jetzt wieder und er war froh, dass er diese Frau nicht zum Feind hatte. Sie hatte in diesem Moment etwas Raubtierhaftes. »Er hat genug Feinde im Gefängnis. Und du kennst die richtigen Leute.«

      »Ich bin geschockt, dass du mir solche Machenschaften unterstellst. Ist das eine Anspielung, dass ich Cortez im Gefängnis umbringen lassen könnte?« Er legte gespielt gekränkt eine Hand auf seine Brust.

      Sie strich sich eine Haarsträhne zurück. »Niemals, Gabriel. Dazu wärst du doch gar nicht in der Lage.« Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

      »Gut. Aber du gehst mit ihm Gassi«, meinte er dann und sie grummelte.

      »Das habe ich fast befürchtet. Aber schön, solange er abends mit dir nach Hause geht, übernehme ich das Füttern und die Spaziergänge.« Sie erhob sich und strich den Rock glatt. »Er wird frische Kleidung brauchen.«

      Gabriel hatte sich schon wieder dem PC zugewendet. »Dann besorge ihm welche.«

      »Na schön.« Sie drehte sich auf den Zehenspitzen um und ging zur Tür. »Aber sei nachher nett zu dem Kleinen. Das muss ein ziemlicher Schock für ihn sein.«

      »Ich bin immer nett«, meinte Gabriel ruhig und ignorierte das Lachen von Asali, während sie die Tür schloss.

      ***

      Aiden atmete einmal tief durch. Langsam drehte er sich zurück ins Zimmer. Seine Schritte wurden gedämpft von einem hochflorigen Teppich, der hier im Wohnbereich ausgelegt war. In der Sitzecke standen schwere Möbel hinter einem dunklen Holztisch. Das dunkle Holz war auch im Schlafzimmer verwendet worden, in das Aiden nun durch eine Flügeltür trat. Der dunkle Fußboden, dazu die schweren Stoffe vor dem Fenster und auf dem Bett. Hier und da blitzten - wie schon im Wohnraum - goldene Dekorationen auf. Geschwungenen Beine verliehen den Nachttischen einen antiken Eindruck. Langsam trat Aiden zurück ins Wohnzimmer. Durch die