§4253. Nathalie D. Plume

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Название §4253
Автор произведения Nathalie D. Plume
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754188163



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Taschenlampe zur Seite und der Lichtkegel wandert von ihrem Gesicht auf die fast schwarze Flurwand. „Was ist passiert? Wo ist … egal … sind Sie alleine?“, stammelt sie, während sie mit der freien Hand ihren blutenden Kopf hält. „Ich weiß es nicht so wirklich, ich bin auch gerade erst wieder zu mir gekommen, aber da im Flur liegt ein Mann, er hat keinen Puls, ich glaube er ist, …, ich glaube er …“ Felix bekommt es nicht über die Lippen. Die Frau blickt ihn fast genervt an, zieht eine Augenbraue nach oben, stößt Felix zur Seite und robbt über dem Boden zu dem leblosen Körper. Sie beugt sich über ihn, legt ihren Kopf auf seine blutgetränkte Brust und schüttelt seinen Kopf hin und her, bevor sie sich wieder zu Felix umdreht und nickt. „Er ist tot“, beendet sie Felix’ Satz. „Oh Gott, oh Gott.“ Felix schlägt, nach Luft ringend, die Hände über den Kopf zusammen und lehnt sich wimmernd gegen die Flurwand. Doch noch bevor Felix’ Verstand der Panik weichen kann, rasselt eine glatte Handfläche gegen seine Wange. Schockiert sieht er die Frau an, die vor ihm kniet. „Aua! Sagen Sie mal, geht es noch?“ Die Frau wirkt gefasst. „Ja danke, alles bestens, noch geht es, aber wenn das Feuer noch länger an den Stahlträgern leckt, geht es für uns beide nur noch in eine Richtung und das ist nicht die nach draußen. Also wenn Sie nicht heute schon in den himmlischen Express einsteigen wollen, dann reißen Sie sich endlich am Riemen. Fühlen Sie das?“ Er folgt der Bewegung ihrer Finger, die sie gespreizt auf den Boden gedrückt hält. Ja, sie hat recht, der Boden unter Felix wird heiß, das kann nur eins bedeuten, auch ohne dass er besonders viel von Gebäudetechnik versteht, heißt das, dass sie genau über den Flammen sitzen und es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis der Stahlträger im Boden einsacken wird und sie mit dem gesamten Flurboden in die Flammen stürzen. „Kommen Sie, Mann, wir müssen hier weg! Den da nehmen wir mit. Hier, fassen Sie mal mit an!“ Die Frau packt die Beine des Toten und winkt hektisch Felix zu sich heran, der immer noch auf dem immer heißer werdenden Boden sitzt. Entsetzt sieht er noch einmal zu ihr herüber, bevor auch er aufspringt, die Schultern des Mannes packt und sie sich gemeinsam auf den Weg die Treppe hinunter machen. Der Schreibtisch stellt eine weitere Herausforderung dar; während die Frau, die vorangegangen ist, bereits über die Tischplatte gerutscht ist und nun grob an den Beinen des Mannes zieht, steht Felix mit dem Oberkörper in den Händen immer noch auf der anderen Seite. „Jetzt kommen Sie schon!“, zischt ihm die Frau entgegen. „Sie verletzen ihn doch nur noch weiter“, äußert sich Felix unsicher. Die Frau schaut ihm verständnislos entgegen, dann klettert sie über den Mann hinweg zu Felix hinüber. „Hören Sie, dieser Mann spürt keine Schmerzen mehr, da, wo er jetzt ist, bekommt er das alles hier gar nicht mit, vertrauen Sie mir.“ Die sanfte Stimme, die sie offenbar unter ihrem schroffen Auftreten verborgen hat, beruhigt seine Nerven, trotzdem stört ihn etwas an der Art, wie professionell die Frau die Situation angeht, und obwohl er sich in diesem Moment nicht fragt, warum es ihn so stört, läutet doch ein kleines Glöckchen ganz hinten in seinem Kopf Alarm. Es ist nur ein winziger Gedanke, den Felix später vergessen soll, etwas an dieser Frau ist komisch. Felix greift ein wenig fester unter die Schultern des Toten und hilft seiner Begleitung beim Überqueren der Schreibtischplatte, bevor auch er über den Mann hinweg auf die andere Seite klettert und ihr hilft, an den Beinen ziehend, den Körper über die Tischplatte zu wuchten.

      Im unteren Flur angekommen, legen sie den regungslosen Körper für einen Moment ab, um sich den Rauch aus den Lungen zu husten. „Die Luft ist hier unten viel schlechter“, prustet die Frau Felix entgegen. „Ja, wir müssen uns beeilen, aber haben Sie das auch gehört?“ Ein Nicken. „Ja, was war das?“ Beide sehen in die Schwärze des Flurs, der sich vor ihnen in völliger Dunkelheit erstreckt. „War das ...?“ Sie kann ihren Satz nicht mehr zu Ende sprechen, da bricht mit einem lauten Knacken, Knirschen und Schlagen der obere Flur unter den Flammen zusammen. Mit entsetzten Gesichtern starren sie den Treppenaufgang nach oben, aus dem sie wenige Sekunden zuvor gekommen sind. Eine gewaltige Rauchwolke wird durch die Wucht des Aufpralls durch den Flur geschickt und bringt den beiden eine Welle aus heißer Luft, kleinen Holzspänen, die wie Geschosse durch die Luft fliegen, und einen Wind, der an ihren Haaren und Kleidern reißt. Felix drückt die Frau mit einer groben, aber im letzten Moment richtigen Gewalt zu Boden, so dass sie der Stichflamme noch rechtzeitig ausweichen können, die mit dem Windstoß gekommen ist. Für einen Moment erleuchtet der Raum in aggressiven Rot-, Gelb- und Blautönen. Kurz denkt Felix eine Frau im Schein der Flammen gesehen zu haben, aber er verwirft den Gedanken recht schnell wieder, denn als die Flammen sich wieder in dem Nichts aufgelöst haben, aus dem sie gekommen sind, liegt nichts als Leere vor ihnen. „Ist es vorbei?“, flüstert Felix’ Begleitung, gerade so leise, dass er es über das Fiepen in seinen Ohren hören kann. „Ich weiß es nicht, denke schon, geht es Ihnen gut?“ Vorsichtig tastet er nach der Frau, die er neben sich vermutet, doch statt der warmen Haut, die er erwartet, berühren seine Finger die eiskalten Lippen des Toten, der immer noch neben ihm liegt, und Felix jagt ein Schauer über den Rücken. „Ja, mir geht es gut und Ihnen, sind Sie verletzt?“ Langsam schiebt Felix ein Knie unter seine Hüfte und setzt sich auf. Wie zur Antwort auf ihre Frage schießt ein warmer Schmerz in Felix’ Schulter und etwas Heißes läuft ihm den Arm herunter. Mit zittriger Hand lässt er seine Finger über die Schulter gleiten, bis sie einen spitzen Gegenstand ertasten. Wieder meldet sich Felix’ geplagter Magen und er hustet heftig, da seinem Körper aber anscheinend die Flüssigkeiten ausgegangen sind, bleibt es bei einem trockenen Würgen. „Ja, mir geht es gut. Ich bin unverletzt“, lügt er in die Dunkelheit und hofft inständig, dass sie das Stöhnen, das er verlauten lässt, nachdem seine Finger den spitzen Gegenstand umfasst und mit schnellem Ziehen nach vorne aus seiner stechenden Schulter gezogen haben, nicht hören kann. Fast sauer, schnipst er den daumengroßen Holzsplitter zur Seite und versucht den Gedanken zu verdrängen, dass das Ding auch sein Auge hätte treffen können. „Können Sie die Taschenlampe sehen?“ Nur Dunkelheit. „Nein es ist zu dunkel, ich sehe sie nicht, wir sollten weitergehen, hier ist es nicht sicher“, entgegnet sie ihm. „Ja, ich weiß, aber kommt es mir nur so vor oder wird es da heller?“ Felix tastet erneut nach der Frau und bekommt diesmal ihren Ellbogen zu fassen, er zieht sie mit sich nach oben und beide starren, dicht an dicht, in den kleinen Lichtkegel, der sich vor ihnen auftut. Felix kann ihren heißen Atem an seinem Arm spüren. „Hallo, hallo? Ist da wer?“, ruft er.

      Aus dem Schwarz des Flurs vor ihnen taumelt eine Frau. Ihr einst weißes Dukjon-T-Shirt ist grau vom Ruß und mit einer Hand presst sie es gegen Mund und Nase, in der anderen hält sie ein Handy, mit dessen Taschenlampe sie den beiden ins Gesicht leuchtet. Ein entsetzter Schrei entgleitet ihr und beinahe hätte sie ihr Handy fallen lassen, wenn Felix es nicht im letzten Moment, kurz vor dem Boden, aufgefangen hätte. Der hastigen Bewegung folgt eine Erinnerung an seine Schulter und er knickt stöhnend zusammen. Felix’ Begleiterin schnellt ihm hinterher und leuchtet mit dem Handy auf seine blutende Schulter. „Sie verdammtes Arschloch, Sie sind ja doch verletzt. Da, Sie bluten.“ „Das ist nichts“, flucht Felix und entreißt ihr das Handy. Mit der Hilfe der beiden Frauen kommt er wieder auf die Beine und die drei bleiben in einem Halbkreis stehen. Felix wischt der Frau, die aus dem Flur gekommen ist, den Ruß aus dem Gesicht und schreit erleichtert auf. „Cara! Oh mein Gott, es geht dir gut.“ Ungläubig gafft er Pauls Sekretärin an. „Ja, ich bin okay, aber habt ihr das gehört? Da muss was eingebrochen sein. Wir sollten verschwinden und Herrgott“, springt die rundliche Frau entsetzt zur Seite, „was ist mit dem Mann passiert?“ Felix folgt ihrem Blick, packt Cara an beiden Schultern und dreht sie von dem Toten weg. „Sieh da nicht hin, das ist jetzt alles unwichtig Cara, wichtiger ist, hast du Paul gesehen?“ Die Sekretärin windet sich erst in Felix’ Armen, dann lässt sie ihre Augen von dem Körper ab und sieht in Felix’ dunkle Pupillen. „Paul Barens, ja, ja, den habe ich gesehen, er ist den Flur runtergerannt, er wollte nachsehen, ob da noch jemand ist. Er hat mich rausgeschickt, um den anderen Bescheid zu sagen. Oh Felix, er hat so seltsame Dinge zu mir gesagt.“ Dicke Tränen rollen ihr über das rundliche Gesicht. „Ich glaube, er hat mir mein Leben gerettet.“ Felix’ Hand fliegt vor seinen Mund, er dreht sich einmal um die eigene Achse und reißt sich wieder zusammen. „Okay Cara. Du und …“ Fragend betrachtet er die Frau neben ihm. „Fiona“, entgegnet sie ihm mit einem Augenrollen. „Okay, du und Fiona werdet diesen Ort nun schnellstmöglich verlassen.“ Die Sekretärin wimmert. „Nein, nein Felix, das kann ich nicht, du musst uns helfen.“ Felix packt sie fester an den Schultern und gibt seiner Stimme einen festen, bestimmten Klang. „Doch Cara, das kannst du. Hast du mich verstanden?“