Название | Fjodor Dostojewski: Hauptwerke |
---|---|
Автор произведения | Fjodor Dostojewski |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754189153 |
»Daß Sie vielleicht doch leichtsinnig handeln und gut täten, die Sache vorher gründlich zu überlegen. Möglicherweise hat Warwara Ardalionowna doch recht.«
»Ah so! Eine Empfehlung der Moralität! Daß ich noch ein Junge bin, weiß ich selbst«, unterbrach ihn Ganja eifrig. »Das geht ja schon daraus hervor, daß ich mit Ihnen ein solches Gespräch geführt habe. Aber ich schreite nicht aus Berechnung zu dieser Ehe, Fürst«, fuhr er, sich verteidigend, fort, wie ein in seinem Ehrgefühl verletzter junger Mann. »Wenn ich aus Berechnung handelte, so würde ich mit Wahrscheinlichkeit Fehler dabei begehen, da weder mein Verstand noch mein Charakter bereits genügend erstarkt sind. Ich tue diesen Schritt aus Leidenschaft, aus innerem Triebe, weil ich schnell zu einem ordentlichen Kapital gelangen möchte. Sie denken wohl, sowie ich die fünfundsiebzigtausend Rubel bekomme, werde ich mir sofort einen Wagen kaufen. Nein, ich werde dann meinen vorvorjährigen Rock ruhig weitertragen und alle meine Klubbekanntschaften aufgeben. Bei uns gibt es, auch unter den Leuten, welche Geldgeschäfte machen, nur wenige, die auszuhalten verstehen; ich aber will aushalten. Die Hauptsache ist da: durchführen bis zum Ende; darin besteht die ganze Aufgabe! Ptizyn hat als junger Mensch von siebzehn Jahren auf der Straße geschlafen und mit Federmessern gehandelt und mit einer Kopeke angefangen; jetzt besitzt er sechzigtausend Rubel; aber was hat er dazu für Mühseligkeiten durchmachen müssen! Sehen Sie, all diese Mühseligkeiten möchte ich überspringen und gleich mit einem Kapital anfangen. Nach fünfzehn Jahren werden die Leute sagen: ›Das ist Iwolgin, der größte Geldjude!‹ Vorhin sagten Sie zu mir, ich sei kein origineller Mensch. Merken Sie sich, lieber Fürst, daß es für einen Angehörigen unseres Zeitalters und unseres Volkes keine größere Beleidigung gibt, als wenn man zu ihm sagt, er sei nicht originell, habe einen schwachen Charakter, besitze keine besonderen Talente und sei ein ganz gewöhnlicher Mensch. Sie haben mir nicht einmal die Ehre erwiesen, mich für einen richtigen Schuft zu halten, und ich hätte Sie vorhin dafür totschlagen mögen, wissen Sie! Sie haben mich ärger beleidigt als Jepantschin, der mich für fähig hält, ihm (notabene ohne weitere Verhandlungen, ohne Verlockungen, aus bloßer Einfalt) meine Frau zu verkaufen! Das Verlangen nach einem Kapital macht mich schon lange rasend, und ich will, will Geld haben! Wissen Sie, wenn ich erst zu Geld gelangt bin, dann werde ich auch ein höchst origineller Mensch sein. Das ist ja gerade das Gemeinste und Hassenswerteste am Geld, daß es sogar Talente verleiht. Und die wird es verleihen bis zum Ende der Welt. Sie werden sagen, das alles sei eine kindliche oder vielleicht phantastische Auffassung; nun gut, um so mehr Spaß werde ich davon haben, und die Sache wird trotzdem ins Werk gesetzt werden. Ich werde sie durchführen und werde aushalten. Rira bien, qui rira le dernier! Wie kommt Jepantschin dazu, mich in dieser Weise zu beleidigen? Tut er das etwa aus Bosheit? Keineswegs, sondern einfach deshalb, weil ich kein Geld habe. Na, aber dann ... Aber nun genug; es ist Zeit, daß wir aufhören. Kolja hat schon zweimal seine Nase hereingesteckt; er will Sie zum Mittagessen rufen. Und ich muß ausgehen. Ich werde Sie manchmal besuchen. Sie werden es bei uns ganz gut haben; Sie werden jetzt geradezu in die Familie aufgenommen werden. Hüten Sie sich nur, etwas weiterzuplaudern! Mir scheint, daß Sie und ich entweder gute Freunde oder erbitterte Feinde sein werden. Was meinen Sie, Fürst: wenn ich Ihnen vorhin die Hand geküßt hätte, wozu ich mich von Herzen erbot, wäre ich dann deswegen in der Folgezeit Ihr Feind geworden?«
»Unbedingt wären Sie das geworden, aber nicht für immer; später würden Sie Ihren Sinn geändert und mir verziehen haben«, erwiderte der Fürst nach kurzem Nachdenken lachend.
»Aha! Mit Ihnen muß man sehr vorsichtig sein. Weiß der Teufel, Sie haben auch in diese Antwort gleich wieder einen Tropfen Gift hineingeträufelt. Und wer weiß, vielleicht sind Sie gar mein Feind? Apropos, hahaha! Ich vergaß, Sie zu fragen: ich hatte den Eindruck, daß Nastasja Filippowna Ihnen außerordentlich gut gefiel; habe ich recht?«
»Ja ... sie hat mir gefallen.«
»Haben Sie sich in sie verliebt?«
»N-nein.«
»Aber dabei ist er ganz rot geworden und macht ein Armesündergesicht. Nun, es tut nichts, es tut nichts; ich werde mich nicht über Sie lustig machen. Auf Wiedersehen! Und wissen Sie, sie ist ein tugendhaftes Weib; können Sie das glauben? Sie meinen wohl, sie lebt mit dem Menschen, dem Tozki zusammen? Nicht die Rede davon! Schon lange nicht mehr! Aber haben Sie wohl bemerkt, daß sie selbst sehr linkisch ist und vorhin manchmal ganz verlegen wurde? Wirklich! Aber gerade solche Weiber sind besonders herrschsüchtig. Nun adieu!«
Ganja verließ das Zimmer in weit ungezwungenerer Art, als er hereingekommen war, und in guter Laune. Der Fürst saß etwa zehn Minuten lang da, ohne sich zu rühren, und dachte nach.
Kolja steckte wieder den Kopf durch die Tür.
»Ich möchte nicht zu Mittag essen, Kolja; ich habe vorhin bei Jepantschins gut gefrühstückt.«
Kolja trat ganz durch die Tür herein und überreichte dem Fürsten ein Billett. Es kam vom General und war zusammengefaltet und versiegelt. Es war dem Knaben am Gesicht anzusehen, daß es ihm peinlich war, das Billett zu übergeben. Der Fürst las es durch, stand auf und griff nach seinem Hut.
»Es sind nur ein paar Schritte«, sagte Kolja verlegen. »Er sitzt dort jetzt bei der Flasche. Es ist mir unbegreiflich, wodurch er sich da Kredit verschafft hat. Bitte, lieber Fürst, sagen Sie nachher meinen Angehörigen nichts davon, daß ich Ihnen das Billett zugestellt habe! Tausendmal habe ich schon geschworen, solche Billette nicht mehr zu bestellen; aber er tut mir dann doch immer wieder leid. Aber ich möchte Ihnen sagen: machen Sie, bitte, mit ihm keine Umstände; geben Sie ihm eine Kleinigkeit, dann ist die Sache erledigt.«
»Das war auch mein Gedanke, Kolja. Ich muß Ihren Papa sprechen ... aus einem besonderen Anlaß ... Kommen Sie ...!«
XII
Kolja führte den Fürsten in die Nähe nach der Litejnaja-Straße, zu einem Kaffeehaus, das im Erdgeschoß lag und seinen Eingang von der Straße hatte. Hier hatte Ardalion Alexandrowitsch es sich als alter Stammgast rechts in der Ecke in einem besonderen Zimmerchen bequem gemacht; eine Flasche stand vor ihm auf einem Tischchen; in der Hand hielt er wirklich die ›Indépendance Belge‹. Er hatte auf den Fürsten gewartet; kaum hatte er ihn erblickt, so legte er sofort die Zeitung beiseite und begann eine eifrige, wortreiche Auseinandersetzung, von der der Fürst übrigens fast nichts verstand, weil der General schon beinahe »fertig« war.
»Zehn Rubel habe ich nicht«, unterbrach ihn der Fürst. »Aber hier ist ein Fünfundzwanzigrubelschein; lassen Sie ihn wechseln und geben Sie mir fünfzehn Rubel zurück, da ich sonst selbst keinen Groschen in der Tasche habe.«
»Oh gewiß; und seien Sie überzeugt, daß ich schleunigst ...«
»Ich habe außerdem noch eine Bitte an Sie, General. Sind Sie niemals bei Nastasja Filippowna gewesen?«
»Ich? Ich sollte nicht dagewesen sein? Das sagen Sie zu mir? Mehrmals, mein Lieber, mehrmals!« rief der General in einem Anfall von selbstgefälliger, triumphierender Ironie. »Aber ich habe schließlich diese Beziehung selbst abgebrochen, weil ich diese Mesalliance nicht befördern mag. Sie haben es selbst gesehen und waren heute morgen Zeuge: ich habe alles getan, was ein Vater tun konnte; aber das war ein milder, nachgiebiger Vater; jetzt wird ein Vater von anderer Art auf die Bühne treten, und dann ... dann wollen wir einmal sehen, ob ein alter, verdienstvoller Krieger über die Intrige obsiegen oder die schamlose Kameliendame in eine hochanständige Familie eindringen wird.«
»Und ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie, als Bekannter Nastasja Filippownas, mich nicht heute abend bei ihr einführen könnten. Ich muß heute unter allen Umständen hingehen; ich habe da etwas zu tun, aber ich weiß schlechterdings nicht, wie ich Einlaß finden kann. Ich bin ihr zwar vorhin vorgestellt; aber sie hat mich nicht eingeladen, und es ist dort heute eine Abendgesellschaft nur für geladene Gäste. Ich bin übrigens bereit, mich über mancherlei Vorschriften des gesellschaftlichen Verkehrs hinwegzusetzen und mich sogar auslachen zu lassen, wenn ich nur irgendwie hineinkomme.«
»Sie haben da vollständig, aber auch vollständig meinen