Fjodor Dostojewski: Hauptwerke. Fjodor Dostojewski

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Название Fjodor Dostojewski: Hauptwerke
Автор произведения Fjodor Dostojewski
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754189153



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      »Ich bin gesund. Ich befand mich gestern ... nicht ganz ...«

      »Ich habe davon gehört, ich habe davon gehört! Die chinesische Vase hat daran glauben müssen; schade, daß ich nicht dabei war! Ich bin in einer ernsten Angelegenheit gekommen. Erstens hatte ich heute das Vergnügen, Gawrila Ardalionowitsch bei einem Rendezvous mit Aglaja Iwanowna an der grünen Bank zu sehen. Ich bin darüber erstaunt gewesen, was für ein dummes Gesicht ein Mensch machen kann. Ich sagte das zu Aglaja Iwanowna selbst, nachdem Gawrila Ardalionowitsch weggegangen war ... Es scheint, Sie wundern sich über nichts, Fürst«, fügte er hinzu, indem er mißtrauisch das ruhige Gesicht des Fürsten ansah. »Man sagt, sich über nichts zu wundern sei ein Kennzeichen von großem Verstand; meiner Ansicht nach könnte es in gleichem Maß als ein Kennzeichen großer Dummheit dienen ... Ich spiele übrigens damit nicht auf Sie an; entschuldigen Sie ... Ich bin heute in der Wahl meiner Ausdrücke sehr unglücklich.«

      »Ich habe schon gestern erfahren, daß Gawrila Ardalionowitsch ...« Der Fürst verstummte, sichtlich verlegen, obwohl Ippolit sich darüber ärgerte, daß er sich nicht wunderte.

      »Sie haben es gewußt! Das ist eine Neuigkeit! Übrigens brauchen Sie mir meinetwegen nichts zu erzählen ... Aber Zeuge des Rendezvous sind Sie heute nicht gewesen?«

      »Wenn Sie selbst dort waren, werden Sie ja gesehen haben, daß ich nicht da war.«

      »Na, Sie konnten ja in einem Busch gesessen haben. Übrigens freue ich mich jedenfalls über den Ausgang, selbstverständlich für Sie; sonst hätte ich schon geglaubt, Gawrila Ardalionowitsch liefe Ihnen den Rang ab!«

      »Ich bitte Sie, Ippolit, mit mir darüber nicht zu reden und nicht in solchen Ausdrücken.«

      »Das ist um so weniger nötig, da Sie bereits alles wissen.«

      »Sie irren sich; ich weiß fast nichts, und Aglaja Iwanowna weiß sicherlich, daß ich nichts weiß. Ich habe auch von diesem Rendezvous nicht das geringste gewußt. Sie sagen, es habe ein Rendezvous stattgefunden? Nun gut, verlassen wir dieses Thema ...«

      »Aber was heißt denn das? Bald haben Sie es gewußt, bald haben Sie es nicht gewußt! Sie sagen: ›Gut, verlassen wir dieses Thema‹? Aber seien Sie doch nicht so vertrauensselig! Besonders wenn Sie nichts wissen. Eben darum sind Sie so vertrauensselig, weil Sie nichts wissen. Aber wissen Sie wohl, was für Pläne diese beiden Menschen, der Bruder und die Schwester, verfolgen? Haben Sie darüber vielleicht einen Argwohn ...? Gut, gut, ich verlasse dieses Thema ...«, fügte er hinzu, als er bemerkte, daß der Fürst eine ungeduldige Handbewegung machte. »Aber ich bin in einer eigenen Angelegenheit hergekommen und möchte Ihnen in dieser Hinsicht eine Erklärung geben. Hol's der Teufel, man kann absolut nicht sterben ohne ›Erklärungen‹; es ist schrecklich, wieviel Erklärungen ich abgebe. Wollen Sie mich anhören?«

      »Reden Sie; ich höre.«

      »Ich ändere aber doch wieder meine Absicht: ich fange doch mit Ganja an. Können Sie sich das vorstellen, daß auch ich heute angewiesen wurde, nach der grünen Bank zu kommen? Übrigens, ich will nicht lügen: ich selbst habe um ein Rendezvous ersucht, habe dringend darum gebeten; ich versprach, ein Geheimnis zu enthüllen. Ich weiß nicht, ob ich zu früh hinkam (wie es scheint, kam ich tatsächlich zu früh); aber kaum hatte ich meinen Platz neben Aglaja Iwanowna eingenommen, da sehe ich, daß Gawrila Ardalionowitsch und Warwara Ardalionowna erscheinen, beide Arm in Arm, als ob sie spazierengingen. Sie mochten wohl beide sehr überrascht sein, mich dort zu finden; das hatten sie nicht erwartet; sie wurden ganz verlegen. Aglaja Iwanowna wurde dunkelrot und, mögen Sie es nun glauben oder nicht, kam sogar aus der Fassung, ob nun deswegen, weil ich da war, oder einfach weil sie Gawrila Ardalionowitsch sah, der ja ein sehr schöner Mann ist. Jedenfalls wurde sie dunkelrot und brachte die Sache in einem Augenblick auf eine sehr komische Art zum Abschluß: sie stand auf, erwiderte Gawrila Ardalionowitschs Verbeugung und Warwara Ardalionownas schmeichlerisches Lächeln und sagte kurz: ›Ich bin nur deshalb hergekommen, um Ihnen meine persönliche Befriedigung über Ihre aufrichtigen freundschaftlichen Gefühle gegen mich auszusprechen, und wenn ich derselben bedürfen sollte, so seien Sie überzeugt ...‹ Hier machte sie ihnen eine Abschiedsverbeugung, und beide gingen weg, ich weiß nicht, ob mit dem Gefühl, zum Narren gehalten zu sein, oder mit einem Gefühl des Triumphes; Ganja jedenfalls mit dem ersteren; er hatte von der Sache noch nichts begriffen und war rot wie ein Krebs geworden (er hat manchmal einen ganz wunderlichen Gesichtsausdruck!); aber Warwara Ardalionowna hatte wohl verstanden, daß sie sich möglichst schnell davonmachen mußten und von Aglaja Iwanowna nichts mehr zu erwarten hatten, und zog den Bruder mit sich fort. Sie ist klüger als er und triumphiert jetzt; davon bin ich überzeugt. Ich meinerseits war zu dem Gespräch mit Aglaja Iwanowna hingegangen, um mit ihr alles wegen ihrer Zusammenkunft mit Nastasja Filippowna zu verabreden.«

      »Mit Nastasja Filippowna!« rief der Fürst.

      »Aha! Jetzt, scheint es, verlieren Sie Ihre Kaltblütigkeit und fangen an, sich zu wundern? Ich freue mich sehr, daß Sie einem Menschen ähnlich werden wollen. Zum Lohn dafür will ich Ihnen auch etwas Interessantes erzählen. Das hat man davon, wenn man jungen, hochgesinnten Mädchen Dienste erweist: ich habe heute von ihr eine Ohrfeige bekommen!«

      »Im ... im übertragenen Sinne?« fragte der Fürst unwillkürlich.

      »Ja, nicht im physischen. Ich glaube, gegen einen solchen Menschen, wie ich, kann niemand die Hand aufheben; nicht einmal eine Frau wird jetzt nach mir schlagen; nicht einmal Ganja wird es tun! Wiewohl ich gestern eine Zeitlang dachte, er werde sich auf mich stürzen ... Ich möchte wetten, daß ich weiß, woran Sie jetzt denken. Sie denken: ›Schlagen darf man ihn allerdings nicht; aber dafür könnte man ihn mit einem Kissen ersticken oder im Schlaf mit einem nassen Lappen ... und das müßte man sogar tun ...‹ Es steht Ihnen auf dem Gesicht geschrieben, daß Sie das denken, in eben dieser Sekunde.«

      »Das habe ich nie gedacht!« versetzte der Fürst voll Widerwillen.

      »Ich weiß nicht, mir hat heute nacht geträumt, daß mich jemand mit einem nassen Lappen erstickte ... na, ich will Ihnen auch sagen, wer: denken Sie sich – Rogoschin! Was meinen Sie, kann man einen Menschen mit einem nassen Lappen ersticken?«

      »Das weiß ich nicht.«

      »Ich habe gehört, daß das möglich sei. Nun gut, verlassen wir dieses Thema! Na, wieso bin ich eine Klatschschwester? Warum hat sie mich heute eine Klatschschwester gescholten? Wohlgemerkt: erst nachdem sie alles bis auf das letzte Pünktchen angehört und sogar ihrerseits Fragen gestellt hatte ... Aber so sind die Weiber! Ihr zu Gefallen bin ich zu Rogoschin in Beziehung getreten, zu diesem interessanten Menschen; in ihrem Interesse habe ich eine persönliche Zusammenkunft zwischen ihr und Nastasja Filippowna arrangiert. Vielleicht trägt sie es mir nach, daß ich ihr Ehrgefühl verletzt habe, indem ich darauf hindeutete, daß sie sich an einem von Nastasja Filippowna abgenagten Knochen vergnüge. Und ich will nicht leugnen, daß ich ihr das in ihrem eigenen Interesse die ganze Zeit über klarzumachen suchte, indem ich ihr zwei Briefe dieses Inhalts schrieb und dann an dritter Stelle dieses Rendezvous mit ihr hatte ... Ich habe auch bei dem Rendezvous mit ihr das Gespräch mit dem Hinweis begonnen, daß dies für sie erniedrigend sei ... Und dabei rührt die Wendung vom abgenagten Knochen eigentlich nicht von mir her, sondern von einem andern; wenigstens bedienten sich bei Ganja alle dieses Ausdrucks; und sogar sie selbst hat ihn in den Mund genommen. Na also, warum nennt sie mich da eine Klatschschwester? Ich sehe, ich sehe: es ist Ihnen jetzt bei meinem Anblick sehr lächerlich zumute, und ich möchte darauf wetten, daß Sie auf mich die dummen Verse anwenden:

      ›Und auf mein Ende glänzt, obgleich es trübe,

      Vielleicht ein holder Abschiedsblick der Liebe.‹

      Hahaha!« Er brach plötzlich in ein krampfhaftes Lachen aus und bekam einen Hustenanfall. »Beachten Sie auch«, fuhr er während des Hustens mit heiserer Stimme fort, »was für ein Mensch dieser Ganja ist: er redet vom abgenagten Knochen, und was ist das, woran er sich jetzt delektieren möchte, anderes als ein solcher?«

      Der Fürst schwieg lange; er war sehr erschrocken.

      »Sie