Promise. Sarah L. R. Schneiter

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Название Promise
Автор произведения Sarah L. R. Schneiter
Жанр Языкознание
Серия Promise
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748564638



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seine Haltung und schlug Natala ohne zu zögern mitten ins Gesicht.

      Anaata kletterte eben durch die schmale Öffnung des Lüftungsschachtes, der auf dem Dach des Gebäudes begonnen hatte und hoffentlich in Nates Büro führte. Es war für sie kein Problem gewesen, aufs Dach zu gelangen. Zwar hatten Nates Leute Stacheldraht um die Dachkannten des einstöckigen Lehmhauses gespannt, sodass niemand hochklettern konnte und gar einige Einbruchssensoren angebracht, doch Anaata hatte ihre eigenen Mittel und Wege. Sie war ein Cyborg, ein Mensch mit biotechnischen Modifikationen an ihrem Körper. Als sie bereits einige Zeit ihren Lebensunterhalt als Diebin bestritt, hatte sie sich einige Dinge implantieren lassen, die ihre Arbeit stark vereinfachten. Unter anderem trug sie ein Com in ihrem Kopf, um bei Anrufen mit ihren Gedanken kommunizieren zu können und sich das Sprechen zu sparen und sie konnte dank eines Antigravitationsimplantates die Gesetze der Schwerkraft für ihren Körper für einige Augenblicke außer Kraft setzen. So war sie in einem eleganten Salto aus dem Stand die vier Meter aufs Dach gesprungen, ohne sich mit Klettern aufhalten zu müssen. Es war zwar ziemlich anstrengend, ja, erschöpfend, aber das nahm sie für die Vorteile, welche ihr die Implantate boten, gerne in Kauf.

      Stets, wenn Anaata irgendwo einbrach, fühlte sie sich völlig entspannt und kontrolliert, beinahe als wäre sie eins mit allem, was sie umgab. Alles Irrelevante fiel von ihr ab, es gab nur noch sie und das Ziel, sie hatte das Gefühl, allen überlegen zu sein. Nach kurzer Zeit war sie am Ende des Luftschachtes angelangt und sah durch die Lamellen der Lüftung hinunter: Sie war tatsächlich über Nates Büro, ihr Plan schien aufzugehen. War ja klar, der Boss hat die einzige Klimaanlage im ganzen Haus, dachte sie amüsiert, klappte die Lüftung auf und ließ sich nach unten fallen. Den Sturz bremste sie mit ihrer Antigravitation ab, indem sie sich im Fall wie eine Katze umdrehte und sanft auf allen Vieren auf dem Boden landete. Nun galt es, den Safe zu finden und das möglichst schnell, denn es konnte jederzeit jemand durch die Tür kommen. Zuerst verschloss sie den einzigen Eingang von innen, was ihr im Notfall einige Sekunden verschaffte, rasch zu flüchten.

      Anaata atmete tief durch und sah sich in dem Raum um. Sie musste schelmisch kichern, als sie ein einziges Bild erkennen konnte, das einsam an der Wand hing, für so dumm hatte sie den Gangster nicht gehalten. Sie trat zu dem Gemälde, auf dem eine fruchtbare Landschaft zu sehen war, die zweifellos auf einem anderen Planeten mit besseren Lebensbedingungen liegen musste und hob es von der Wand. Tatsächlich war dahinter ein Safe mit einem teuren biometrischen Schloss in der Wand eingelassen. Anaata kannte dieses Modell und wusste, ihr bliebe niemals genügend Zeit, es zu hacken; sie musste den Safe mit brachialer Gewalt aufbrechen. Routiniert griff sie nach ihrer Umhängetasche und wühlte darin herum, bis sie den Kompakt-Laserschneider gefunden hatte. Sie nahm das kleine Gerät zur Hand, richtete es auf das Schloss des Safes und schaltete es ein. Der rote Laserstrahl fraß sich knisternd und funkenstiebend durch den soliden Stahl, in dem kleinen Büro begann es wie in einer Metallgießerei zu riechen. Nach weniger als einer Minute hatte sie es geschafft: Rund ums den Schließmechanismus klaffte ein kreisrundes Loch. Nachdem sie den Laserschneider wieder verstaut hatte, holte sie einen Hammer hervor, mit dem sie einige Male möglichst leise gegen das Schloss schlug, bis es nachgab um mit einem Scheppern in das Innere des Safes fiel.

      Die Diebin verharrte einen Moment angespannt, ehe sie das Werkzeug vorsichtig in ihre schwarze Tasche zurücksteckte, jemand hätte das Geräusch hören können. Es blieb alles still, sie konnte einzig einige laute Rufe aus der Bar hören, die auf der Vorderseite des Gebäudes lag und Nates Bande gehörte. Endlich öffnete sie den Safe und linste hinein: Es waren einige Datacards darin zu erkennen, daneben lag ein abgewetzter brauner Jutebeutel. Sie nahm ihn hinaus, stellte ihn auf den Tisch und öffnete ihn. Als Anaata die vielen Kreditchips sah, huschte ein glückseliges Lächeln über ihr Gesicht. „Ihr kommt mal schön mit mir, meine silbernen Freunde.“ Sie machte ihn wieder zu und steckte ihn ebenfalls in ihre Tasche, die nun prall gefüllt war. Zufrieden trat sie zum Safe, schloss ihn und hängte das Bild an seinen Platz zurück; niemand durfte den Diebstahl zu früh bemerken. Einen Moment überlegte sie: Sollte sie die Tür verschlossen lassen oder nicht? Sie entschied sich dagegen, da sie glaubte, so weniger schnell Verdacht zu erwecken. Nachdem sie sich mit einem letzten Rundblick überzeugt hatte, dass alles auf beim ersten Eindruck wie zuvor aussah, trat sie unter den Lüftungsschacht und sprang nach oben. Auf ihrem Rückweg murmelte sie mit dem zufriedenen Gefühl, einen Job erledigt zu haben: „Ja, dafür lebe ich.“

      Als Natala und Stanley in der Gasse anlangten, in der sie sich mit Anaata treffen wollten, war die Diebin bereits da. Sie saß auf einer Mauer im Schatten, spielte mit ihrem aufgespannten Sonnenschirm und wühlte geistesabwesend in ihrer Tasche.

      „Hey, wie ist’s gelaufen?“, fragte Stanley, als sie hinzutraten.

      „Alles bestens, wir haben, was wir brauchen.“ Anaata zündete sich eine Zigarette an, ehe sie hochsah und einige blaue Flecken und Kratzer in den Gesichtern der beiden erkennen konnte. Sie hob fragend die Augenbrauen und deutete auf ihre Blessuren. „Das versteht ihr unter Gangster beschäftigen?“

      Natala antwortete trocken: „Wir mussten es echt aussehen lassen.“

      Anaata schüttelte kurz den Kopf. „Das war so richtig schön …“, sie machte eine Pause und suchte nach einem Wort, „… unsubtil.“

      Stanley setzte sich neben sie auf die Mauer. „Was denkst du denn? Du hast gemeint, wir sollen Nates Leute eine Weile ablenken und nichts lässt diese faulen Gauner mehr alles andere vergessen als eine schöne Barschlägerei. Immerhin haben wir nach unserer melodramatischen Versöhnung noch mit allen ein paar getrunken.“

      Anaata erklärte kichernd: „Ihr Schmuggler habt echt einen Dachschaden.“

      „Ich habe gemeint, man erzählt sich über dich, du seist nicht ganz richtig im Kopf?“, konterte Stanley.

      „Manche sagen das wirklich“, murmelte sie skeptisch. „Die nennen mich eigenartig. Ich weiß aber noch immer nicht genau, wieso.“

      Natala unterbrach das Geplänkel. „Wie viel hast du erbeuten können?“

      Mit einem übertrieben dramatischen Unterton in ihrer Stimme öffnete Anaata den Beutel: „Fünfzehntausend.“

      „Das ist ja mehr, als wir brauchen“, freute sich Natala, als sie sich neben ihren Freunden auf der Mauer niederließ. „Jetzt hoffen wir, Nani hatte genauso viel Erfolg.“

      Eine Viertelstunde später trat Nani zu der Gruppe. Sie wirkte von der Hitze leicht abgekämpft und trug zwei schwere Taschen bei sich. Anaata sprang von der Mauer auf und machte ein paar Schritte auf Nani zu. „Oh, hübsches Spielzeug, darf ich mal sehen?“

      „Ich habe gemeint, du magst keine Waffen?“, wollte Stanley erstaunt wissen.

      „Ich mag keine Schießereien, Waffen dagegen finde ich faszinierend.“ Die Diebin legte ihren Sonnenschirm ab und wühlte in der einen Tasche. Derweil stieß sich Natala von der Mauer ab und wandte sich an Nani: „Na, was hast du für den Rest von unserem Geld bekommen?“

      „Ein Scharfschützengewehr, Ersatzmunition für unsere Blaster, ein paar Blendgranaten plus einen Detonator. Ich hoffe, das wird reichen.“

      „Es muss reichen“, erklärte Natala entschieden. „Die haben einen Krieg mit uns angefangen, ich plane, den zu gewinnen.“

      „Na großartig“, seufzte Stanley. „Ich hoffe bloß, dass wir nicht die mit den großen Brandlöchern in der Haut sein werden.“

      Sie schwiegen kurz, bis Natala vorschlug: „Okay, gehen wir nochmal alles durch? Ich gebe ihm das Geld, Stanley gibt mir Deckung, Anaata und Nani befreien die Gefangenen, wenn sie können. Ich traue Nate nicht genug über den Weg, um mich auf sein Ehrgefühl zu verlassen.“

      „Das kann ich dir nachempfinden“, stimmte Nani zu und machte dabei eine Miene, als ob sie gerade in etwas Saures gebissen hätte. „Ich habe den Typen eben erst kennengelernt und sogar ich denke, er will uns alle umbringen.“

      Es war kurz vor Sonnenuntergang, als Natala auf das Landefeld trat. Der wolkenlose Himmel wirkte, als begann er sich leicht rötlich zu färben und die Promise wurde nun von vorne angestrahlt.