Название | Emilia will Fotomodel werden |
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Автор произведения | Benny Bohlen |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783748562467 |
Rafael winkte ab. „Macht doch nichts. Die Sache ist nicht so dringend.“
Er wollte einen neuen Flachbild Fernseher für sein Zimmer haben. Da die Dinger aber teuer waren, versuchte er das Gerät über Julian Degenhoff billiger zu bekommen. Lisa hatte gesagt, es wäre möglich, aber er dürfe nicht ungeduldig sein. Also hatte er sich auf eine längere Wartezeit eingestellt. Wenn er für den Fernseher dreißig Prozent weniger zu bezahlen brauchte, zahlte sich das Warten auf jeden Fall aus.
„Sollte Julian sich wieder hier blicken lassen, frage ich ihn sofort“, versprach Lisa.
Emilia und Rafael setzten sich an den inzwischen freien Tisch.
„Was darf‘s sein?“, erkundigte sich Lisa.
„Ich nehme ein Weißbier“, sagte Rafael.
Emilia bestellte ein Glas Mango Saft. Lisa entfernte sich. Ihre Kehrseite war ebenso sehenswert wie die Front. Sie trug eine Bluse mit einem sehr freizügigen Dekolleté, und über ihren strammen Gesäßbacken spannte sich eine schwarz glänzende Hose aus einem sehr dünnen und ungemein dehnbaren Material.
Rafael grinste. „Es ist nicht alles ein Gesicht, was zwei Backen hat.“
„Rafael!“, wies ihn Emilia mit gespielter Strenge zurecht. „Du solltest da überhaupt nicht hinsehen.“
„Es ist sehr schwierig, diese Pracht zu übersehen.“
„Wenn ein Mann in festen Händen ist, und das bist du ja wohl, wie ich meine …“
„Diese Hosen gehören verboten“, fiel ihr Rafael ins Wort. „Wenn Lisa einen Pickel auf ihrem … äh … Allerwertesten hätte, würde man ihn sehen. Sie scheint darunter nichts anzuhaben …“
„Du kannst sie ja mal fragen, wenn sie dein Bier bringt“, sagte Emilia, nun doch ein wenig pikiert.
Rafael griff lächelnd nach ihrer Hand. „Muss ich meine Augen vor den schönen Dingen des Lebens verschließen, weil ich mit dir gehe?“
„Das nicht, aber du brauchst in meiner Gegenwart nicht so sehr davon zu schwärmen“, gab Emilia kühl zurück.
„Schön, ich werde es mir merken“, versprach Rafael, hob ihre Hand an seine Lippen und küsste sie.
„Ich wusste gar nicht, dass du so galant bist“, hänselte ihn Lisa und stellte die Gläser auf den Tisch.
„Ihr wisst alle sehr wenig von mir“, behauptete Rafael.
Lisa lachte. „Jetzt versucht er, sich interessant zu machen. Rafael, das unbekannte Wesen.“
Als sie zwei Stunden später das Inkognito verließen, sagte Rafael unvermittelt: „Hör mal, Emilia, unser morgiger Kinobesuch fällt leider ins Wasser.“
Sie sah ihn enttäuscht an, aber so war es oft. Rafael sagte Verabredungen immer wieder ab. Sie konnte sich nie hundertprozentig darauf verlassen, wenn sie etwas ausgemacht hatten.
„Warum?“
„Ich habe ein Match, vor dem ich mich nicht drücken kann. Niklas will wissen, ob er immer noch schlechter Tennis spielt als ich. Vor drei Monaten habe ich ihn vom Platz gefegt. Danach hat er mit einem Trainer hart gearbeitet. Morgen soll die Stunde der Wahrheit schlagen.“
Manchmal hatte Emilia das Gefühl, für Rafael bloß eine angenehme Nebensache zu sein, ein Anhängsel, das auf keinen Fall lästig sein durfte. Er beachtet mich nur, wenn nichts Wichtigeres anliegt, dachte sie bitter und fragte sich, ob sie das überhaupt nötig hatte.
Rafael umschloss mit beiden Händen ihr Gesicht.
„Mach nicht so eine saure Miene, bloß weil ich mal Tennis spiele. Ist das denn so ein großes Malheur? Wir können doch auch übermorgen ins Kino gehen.“
„Und wieso kannst du nicht übermorgen mit Niklas Tennis spielen?“, fragte Emilia und versuchte, sich von seinen Händen zu befreien.
„Weil er übermorgen keine Zeit hat.“
„Woher weißt du denn, ob ich übermorgen Zeit habe? Das setzt du einfach voraus, nicht wahr? Emilia hat sich bereitzuhalten - Punktum!“
„Komm, sei nicht gleich beleidigt!“
„Lass mich!“, zischte Emilia und wehrte ihn ab, als er sie küssen wollte.
„Wir hatten es heute Nachmittag so schön, Emilia.“
„Ich möchte nach Hause.“ Sie riss sich los. „Hoffentlich verlierst du morgen haushoch!“
Sarah Magenheim brachte zwei Tassen Cappuccino. Emilia konnte nicht umhin, ihre blinde Nachbarin wieder einmal zu bewundern. Es war erstaunlich, wie gut sie sich ohne Augenlicht zurechtfand.
„Du hast etwas auf dem Herzen“, stellte Sarah fest. „Das erkenne ich an deiner Stimme. Sie klingt nicht so klar und hell wie sonst.“
Sarah trug sandfarbene Hosen und einen gleichfarbigen, enganliegenden Pullover. Bestimmt wurde sie von Frauen ihres Alters um ihre schlanke Figur beneidet. Sie sieht phantastisch aus, dachte Emilia. Wenn sie doch nur nicht diesen schrecklichen Unfall gehabt hätte. Sie war so ein herzensguter Mensch, freundlich und verständnisvoll.
Während sie den Cappuccino trank, erzählte Emilia von ihrem gestrigen Ärger.
„Ich komme mir manchmal wie Rafaels Notnagel vor“, beschwerte sie sich. „Wenn niemand anderes für ihn Zeit hat, trifft er sich mit mir.“
„Ich glaube, jetzt bist du ein wenig ungerecht“, versuchte Frau Magenheim sie zu beschwichtigen. „Rafael liebt dich.“
„Wieso geht er dann so wenig auf meine Interessen ein? Er tut immer nur, was er will.“
„Nicht alle Menschen sind gleich.“
„Wenn man wirklich liebt, bringt man Opfer, ohne dass es einem etwas ausmacht“, sagte Emilia. „Aber wenn diese Opfer immer nur von mir erwartet werden …“
Sarah wandte ihr Gesicht Emilia zu. „Das hört sich an, als hätte deine Opferbereitschaft ihre Grenze erreicht. Zweifelst du plötzlich an Rafaels Liebe?“
„Würde er Verabredungen, die er mit mir getroffen hat, unbekümmert für null und nichtig erklären, wenn ihm mehr an mir läge?“
„Vielleicht tut er das aus Angst.“
„Aus Angst?“
„Aus Angst, sich zu fest an dich zu binden. Manche Männer fürchten, ihre Freiheit zu verlieren, wenn sie sich zu sehr in die Hände einer Frau begeben, und müssen sich deshalb immer wieder beweisen, dass sie noch frei sind.“
„Was ist denn so schlimm an dieser freiwillig eingegangenen Unfreiheit? Man nimmt aus Liebe Rücksicht aufeinander …“
„Sei mal ehrlich, Emilia“, sagte Sarah lächelnd. „Angenommen, du würdest etwas ganz fest wollen, es würde Rafael aber nicht passen. Würdest du ihm zuliebe darauf verzichten?“
Emilia zögerte. „Ich glaube schon.“
Sarah hob die Hand und sagte: „Aber du bist nicht sicher.“
„Ich würde versuchen, Rafael zu einem Einverständnis zu bewegen, und ihn nicht vor vollendete Tatsachen stellen, wie er es tut.“
„Wenn jemand an der Liebe seines Partners zu zweifeln beginnt, stimmt mich das bedenklich“, meinte Sarah. „Zumeist ist die anfängliche Begeisterung vorbei, und man sieht langsam klarer, erkennt, wie der andere wirklich ist, und nun kommt es darauf an, ob man tolerant genug ist, seine Fehler zu übersehen, oder ob sie immer mehr zu einem trennenden Keil werden.“
Was ihre Nachbarin sagte, machte Emilia nachdenklich. Bis vor kurzem hatte sie Rafael schnell verzeihen können, doch nun fiel es ihr mit jedem Mal schwerer, aber das war nicht ihre Schuld. Rafael