Wandlerin zwischen den Welten. Bianca Wörter

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Название Wandlerin zwischen den Welten
Автор произведения Bianca Wörter
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654605



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hier auftauchen.

      Wir hätten diese Scheune für uns gehabt!

      Meine Stimmung war dahin und ich lehnte mich an eine Wand, betrachtete ihn nachdenklich.

      Yan kam auf mich zu und streichelte meine Wange: "Ich hätte es nur gern, wenn unser erstes Mal etwas Besonderes ist."

      "Das hier wäre im Wertebereich 'besonders' kaum zu schlagen. Ich dachte, es wäre schön, wenn man sich von den Gefühlen treiben lassen kann..." antwortete ich ihm.

      Er lachte laut, ich verstummte. Die romantische Stimmung, die Erregung, der Wunsch ihn hier zu spüren, waren wie weggeblasen. Wir warteten stumm darauf, dass der Regen aufhörte.

      Als der Regen nachließ, schwangen wir uns auf die Räder und fuhren nach Hause. Über die vergangene Situation sprachen wir nicht, es wäre vielleicht nur zu einer peinlichen Szene gekommen. Ich schüttelte ärgerlich den Kopf über mich. Warum beschwerte ich mich denn? Ich hatte einen Freund, der der perfekte Gentleman war und nicht gleich die erste Situation ausnutzte, um seinen Hormonen nachzugeben und über mich herzufallen. Warum reagierte ich dann so beleidigt? Ich wusste die Antwort.

      Ich hätte es mir gewünscht, dass wir miteinander geschlafen hätten. Ich hatte ein solches Verlangen in mir gespürt. Es war schade, denn die ganze Stimmung war an diesem Tag die perfekte Grundlage dafür gewesen. Und der Ort, die schummrige Hütte, wie geschaffen für eine körperliche Vereinigung. Ich ließ meine Gedanken bleiben, trat kräftig in die Pedale und jauchzte dem Regen, der immer noch leicht fiel, entgegen. Erleichtert stimmt Yan in mein Jauchzen mit ein. Es war wieder so herrlich wie zuvor. Träumte ich immer noch? Wieder fuhren wir zuerst bei mir vorbei und ich lud Yan zu mir ein. Dieser verneinte, denn er war wie ich pitschnass und wollte erst duschen und etwas Neues, Trockenes anziehen. Das verstand ich.

      Ich stellte mich unter die heiße Dusche und frottierte gerade mein Haar trocken, als mein Telefon klingelte. Yans Stimme! Er hatte gerade einen Anruf von einem Freund erhalten, den er schon lange nicht mehr gesehen habe. Ob es mir etwas ausmachen würde, wenn wir uns erst den nächsten Tag am See wieder treffen würde. Ich sagte zwar "Nein", aber innerlich traf es mich schon, dass Yan auf einen gemeinsamen Abend mit mir verzichtete. Nun wusste ich nicht mehr, was ich mit mir anfangen sollte. Hatte ich mich in Yan getäuscht? Ich hatte das Gefühl, dass er auch in mich verliebt war, dass er mich begehrte, dass er mich wollte. Klar, dass er über unsere Freundschaft nicht seine Freunde aufgeben sollte, aber ganz am Anfang einer Beziehung war es normal, dass man mehr Zeit miteinander verbringen wollte, oder?

      Der Abend ging trostlos zu Ende und ich legte mich mit zwiespältigen Gefühlen ins Bett, wo ich noch lange nicht einschlafen konnte, sondern grübelte, grübelte, grübelte...

      Verschlafen richtete ich mich auf. Es war Morgen und ich brühte mir einen Kaffee auf, um richtig wach zu werden. Dann holte ich die Zeitung hoch, blätterte sie durch, ohne auch nur ein einziges Wort in mich aufnehmen zu können und schaute nach draußen - typisch! Wenn es bei uns einmal anfing zu regnen, dann hörte es erst wieder nach einer Woche auf, und das in meinem Urlaub! Ganz so schlimm wurde es nicht, aber der Nieselregen dauerte den ganzen Vormittag, den ich zuhause verbrachte und auf einen Anruf von Yan wartete. Ich riss mein Küchenfenster auf, zündete mir eine Zigarette an und blies den Qualm ärgerlich nach draußen.

      Ich hasste es zu warten!

      Warum verfing ich mich erst in einem wunderschönen Traum, der dann wie eine Seifenblase zerplatzte? Ich kannte diesen wunderbaren Mann nach kurzer Zeit besser, wie manch andere nach einem Jahr. Wenn ich Yan in die Augen sah, verstärkte sich dieses Gefühl und ich konnte manchmal kaum mehr atmen. Ich wollte mich in seine Arme kuscheln, sein Herz schlagen spüren, seinen leichten Atem auf meiner Haut fühlen, die Wärme seines Körpers genießen. Hatte ich mich wieder einmal so im Taumel meiner Gefühle in einem Menschen geirrt? Aber was war dann diese verrückte Sache am Anfang mit dem gemeinsamen Traum gewesen? War das auch nur ein Irrtum gewesen? Ich durfte mich nicht so hinein steigern. Es machte mich noch ganz krank, am liebsten würde ich alles und sofort klären. Geduld war noch nie meine Stärke. Aber konnte man Gefühle unterdrücken? Sich während der Verliebtheit in Geduld üben? Sicherlich nicht! Dann wäre man niemals verliebt. Ich legte mich wieder auf mein Bett, hatte die Tür zu meinem Hobbyzimmer etwas geöffnet und ließ mich von der dort laufenden Musik berieseln. Mein Herz beruhigte sich langsam, aber schlug wieder ganz schnell, als das Telefon klingelte.

      "Guten Morgen, Alena. Was machst du gerade?"

      "Ich hatte auf ein Lebenszeichen von dir gewartet."

      "Sei mir nicht böse. Aber ich hatte Ralf schon so lange nicht mehr gesehen. Es war ein netter Abend gewesen. Sehen wir uns morgen wieder? Im Wetterbericht haben sie gesagt, dass wir morgen 25 - 30°C bekommen sollen."

      Ich schwieg.

      "Alena?"

      "Ja?"

      "Warum sagst du nichts?"

      Ich atmete tief durch: "Ich hatte gehofft, dass wir uns heute noch sehen."

      Jetzt war das Schweigen am anderen Ende.

      Dann hörte ich ihn kurz Luft holen: "Es geht heute nicht. Morgen. Okay?"

      Wenig begeistert sagte ich: "Okay."

      Dann legte Yan auf und ich starrte das Telefon böse an. Was sollte das denn jetzt? Wollte er nur die ganze Zeit mit mir flirten und dann, als ich mit ihm schlafen wollte, entfernte er sich? Ich glaubte nicht an typisch männliches Verhalten, aber ich konnte mir auch nicht vorstellen, dass ein Mann an diesem Punkt einer Freundschaft die Fühler zurückzieht.

      Doch was sollte ich jetzt machen? Erst am nächsten Tag konnte ich mit ihm darüber reden. Ich verbrachte den Tag mit Lesen, Einkaufen, Putzen, Musik hören, war aber bei keiner Aktion so richtig bei der Sache. Yans Verhalten verletzte mich.

      Am darauffolgenden Tag am See war ich sehr nachdenklich. Ich redete nicht mit Yan über sein etwas seltsames Verhalten. Er benahm sich ganz normal. Redete, flirtete, scherzte mit mir, aber ich sprang diesmal nicht darauf an. Irgendwie war ich enttäuscht von seinem Verhalten.

      Endlich bemerkte er es: "Alena. Du bist so abweisend. Das vorgestern Abend und gestern hatte nichts mit dir zu tun."

      Ich blickte ihn an: "Weiter."

      Verständnislos sah er mich an: "Was 'weiter'?"

      "Womit hatte es dann zu tun?"

      Er senkte seinen Kopf und wich meinem Blick aus: "Das kann ich dir nicht sagen. Ich hab dich gern. Sei mir nicht böse."

      Was für eine Erklärung! Mir war aber bewusst, dass ich nicht mehr aus ihm heraus bekommen würde, also versuchte ich es gar nicht erst. Mir wurde nur im Laufe des Tages bewusst, dass wir uns wieder voneinander entfernten. Wir redeten zwar, lachten miteinander, aber das Flirten beschränkte sich auf ein Minimum. Wie konnte das so schnell geschehen? Nun ja, wir hatten uns ziemlich schnell ineinander verliebt. Wieso sollte es in umgekehrter Richtung nicht genauso schnell ablaufen?

      Beim Abschied vor meiner Haustür, ich bat ihn diesmal nicht mit mir nach oben zu kommen, war es Yan in den Augen anzusehen, dass er ein wenig traurig war, aber dass er auch irgendwie erleichtert zu sein schien. Ich akzeptierte es, aber als er sich wieder auf seinen Drahtesel schwang und weiterfuhr, da spürte ich einen tiefen Stich des Bedauerns in mir.

      Was hätte aus uns werden können, wo wir doch schon die gleichen Träume hatten...

      Ich schleppte mich mehr nach oben in meine Wohnung, als dass ich ging, drehte meine Musik laut auf, nachdem ich meine Tasche in die Ecke geworfen hatte und lief in der Küche wie ein wilder Tiger auf und ab.

      Wütend, zornig, erbittert – all das war ich. Am liebsten hätte ich irgendetwas an die Wand geworfen, geschrien, getobt, geweint, aber ich tat nichts von alledem, ich resignierte.

      Gab mir die Schuld, dass es wieder einmal so endete. Es war am Anfang so vielversprechend gewesen. Allerdings war noch nicht viel zerstört, wir hatten uns nur ein paar Mal geküsst, nichts weiter.

      Ich hatte Selbstzweifel. War ich so unattraktiv? Nein. Das