Wandlerin zwischen den Welten. Bianca Wörter

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Название Wandlerin zwischen den Welten
Автор произведения Bianca Wörter
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847654605



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im Boden, die abends angezündet werden sollten.

      Ich hatte Hunger und näherte mich dem Buffet. Ich sah, dass Yan mit einem gehäuften Teller neben Ralf stand und beide in eine angeregte Diskussion vertieft zu sein schienen, sodass ich nicht stören wollte. Ich ging zu dem großen Tisch, auf dem sich das kalte Buffet befand und nahm mir eine gewaltige Portion Nudelsalat, Garnelen, dazu Weißbrot. Futternd lehnte ich mich an das Säulengeländer, das die Terrasse eingrenzte und beobachtete die Gäste. Ich war froh, dass ich mich bei meiner Garderobe für mein gutes Kleid entschieden hatte, denn fast alle schienen Markenkleidung zu tragen, entgegen Yans Einschätzungen! Doch es waren keine extravaganten Kleidungsstücke dabei. Die meisten Herren trugen Jeans, Markenjeans natürlich, darüber Hemd und Sakko. Die Damen der Gesellschaft hatten ausnahmslos ihr kleines Schwarzes an. Ich fühlte mich in meinem Kleid sehr wohl. Es war schwarz und so lang, dass es fast meine Schuhspitzen berührte. Ich hatte hochhackige, glänzende Schuhe an, die trotz allem sehr bequem waren. Zwei schwarze Dreiecke wölbten sich über meine Brüste, endeten in schwarzen Schnüren, die kreuzförmig über den Rücken verliefen und dort in einer einfachen Schleife endeten. Dieses Kleid ließ den größten Teil meines Rückens frei. Ich knabberte an meinem Weißbrot und sah amüsiert Ralf beim Geschenke Auspacken zu. Die Geschenke hatten sich auf einem separaten Tisch zu einem riesigen Berg angehäuft. Sie entpuppten sich beim Auspacken von Taschentüchern mit Monogramm über Champagnerflaschen bis zu einer Kristallschale. Wir standen am Schluss alle um Ralf herum und kommentierten die Geschenke, machten lustige oder spöttische Bemerkungen und amüsierten uns prächtig.

      Die Sonne begann ganz langsam unterzugehen und nachdem sich alle mit einem Getränk versorgt hatten, prosteten wir dem Geburtstagskind gemeinsam zu. Ralf entschuldigte sich kurz und ging ins Haus. Nach ein paar Minuten kam aus zwei großen Boxen, die auf beiden Seiten der Terrasse aufgestellt waren, Musik. Ich lauschte kurz. Es war Musik der neuesten Charts.

      Ralf kam auf mich zu und sagte schelmisch: "Nun möchte ich noch ein Geschenk von dir."

      Ich blickte zu ihm auf: "Du hast doch schon eins von mir bekommen!"

      "Aber ich wünsche mir eines von dir, was mir sehr wichtig ist."

      Ralf nahm mich einfach am Arm und zog mich in die Mitte der Terrasse.

      Die Tanzrunde wurde eröffnet.

      Zuerst legten wir einen Discofox auf‘s "Parkett". Alle anderen standen um uns herum und klatschten. Ralf stand trotz seiner Bescheidenheit sehr gerne im Mittelpunkt. Er war aber auch ein guter Tänzer. Wir hatten das gleiche Taktgefühl und er führte sehr gut, sodass wir ohne Probleme diesen Tanz überstanden. Beim anschließenden langsameren Stück wurde ich noch nicht von ihm entlassen, aber wenigstens begannen andere zu tanzen. Paare, Singles bewegten sich im Takt und die, die keine Lust zum Tanzen hatten, standen am Rande, mit einem Gläschen Wein, Sekt, oder Bier und redeten miteinander. Yan gehörte zu denen, die am Rande standen und miteinander redeten.

      Ralf begann sich leise mit mir zu unterhalten: "Du tanzt sehr gut, ich könnte dich ewig im Arm halten."

      Ich schmunzelte: "Meinst du nicht, dass jemand sehr unzufrieden wäre, wenn du nur tanzen würdest?"

      Ralf konterte: "Heißt das, dass du nichts dagegen hättest?"

      Ich lächelte ihn lieb an: "Ich mag dich."

      Ralf drückte mich noch näher an sich heran: "Das klingt gut. Du bist eine sehr schöne Frau."

      "Die Natur hat es eben gut mit mir gemeint!"

      Ralf dachte nach: "Das kann manchmal auch eine ganz schöne Last sein, zumindest habe ich die Erfahrung als Mann gemacht."

      Ich runzelte die Stirn: "Wieso?"

      Ralf rückte ein Stück von mir ab und sah mich ernst an: "Wenn du in dieser Welt gut aussiehst, dann wird entweder vermutet, dass du schwul bist, oder dass zuhause dein treues Eheweib mit fünf Kindern samt Hund auf dich warten. Das erste schmälert deine Chancen im Beruf, das andere deine Chancen beim 'schwachen Geschlecht'."

      Ich lachte lauthals.

      Ralf legte den Kopf schief: "Lachst du mich aus?"

      "Nein", stellte ich richtig, "ich lache dich an. Du scheinst sehr von dir überzeugt zu sein."

      Ralf blickte mich wieder ernst an: "Es ist kein Fehler oder Überheblichkeit, wenn man weiß, dass man gut aussieht. Das Gegenteil wird einem doch nur von der Gesellschaft eingeredet. Wenn du im Job gut bist, es weißt und auch sagst, dann hat irgendwie keiner etwas dagegen einzuwenden. Aber was soll denn das scheinheilige Gerede von 'Oh, mein Gott, ich bin so hässlich, Herr Maier sieht viel besser aus, als ich.', wenn es nicht stimmt. Wieso sollte ich also nicht von mir überzeugt sein?"

      Ich stimmte ihm zu: "Du hast recht. Aber kein Mensch ist so sehr von sich überzeugt, dass er morgens in den Spiegel sieht und nicht den einen oder anderen Fehler an sich erkennt."

      Ralf drückte liebevoll meine Schulter: "Das soll ja auch so sein. Das ist gut so, aber müssen das unbedingt die anderen wissen? Man kommt viel leichter durch das Leben, wenn man sich erkennt und zu sich steht. Dann hat man ein viel sichereres Auftreten und die Menschen erkennen die Aura, die einem umgibt, ob bewusst, oder unbewusst."

      Ich stellte immer mehr fest, dass Ralf ein sehr guter Gesprächspartner war. Dann bemerkte ich, wie seine Hand meinen Rücken ganz leicht streichelte und eine Gänsehaut überzog meinen Körper. Obwohl ich diese Berührungen genoss, meldete sich dieser Druck in meinem Bauch verstärkt.

      Ich versteifte mich innerlich und versuchte etwas Abstand zu Ralf zu gewinnen: "Ich denke, dass es das Beste ist, wenn dieser Tanz für heute unser letzter war."

      Ralf begann zu lachen.

      Ich verzog die Augenbrauen nach unten: "Wieso lachst du jetzt?"

      Ralf zog mich mit leichtem Druck auf meinen Rücken ganz nahe zu sich heran, dann beugte er seinen Kopf an mein Ohr herunter und flüsterte: "Schade. Ich halte dich gern in meinen Armen."

      Ich wusste nicht mehr, was ich noch sagen sollte, wollte aber auch keine Szene machen - außerdem wollte ich es ja, dass er mich streichelte, küsste,...

      Wieso nur drückte mich mein Bauch so?

      Ralf war ganz der Gentleman und rückte am Ende des Liedes von mir ab, nahm mich sanft bei der Hand und zog mich zur Getränkebar. Auf seine Frage, was ich trinken wollte, antwortete ich mit "Batida de Coco", den ich kurz darauf in den Händen hielt. Ich zog erst einmal kräftig an dem Strohhalm, genoss das sämige Gefühl auf meiner Zunge, und zusammen gingen wir zu Yan, der sich immer noch angeregt unterhielt.

      "He", strahlte uns Yan an, "seid ihr schon fertig? Wenn Ralf erst einmal eine Frau gefunden hat, mit der er gut tanzen kann, dann lässt er sie eigentlich nicht mehr aus den Fängen, bevor die Party vorbei ist."

      Ich lachte laut: "Bekommt er so viele Körbe, dass er jede Gelegenheit dermaßen ausnutzen muss?"

      Ralf lachte schief: "Nein. Zu wenige Frauen lassen sich so hervorragend führen wie du."

      Ich rammte ihm den Ellbogen in die Seite. Eins zu Null für Ralf, musste ich ihm schweigend zugestehen. So beschloss ich, alle Bedenken und vor allen Dingen meinen Bauch zu ignorieren - ich wollte mich einfach amüsieren! Ralf zog durch die Abendgesellschaft und unterhielt sich mit allen. Ich warf ab und zu einen Blick auf ihn und beobachtete, dass er fast mit jedem weiblichen Wesen flirtete, sie kurz am Arm strich, Küsschen rechts und links auf die Wangen gab, ihnen wie beiläufig über das Haar im Rücken fuhr und begann zu zweifeln. Er war bei jeder Frau so nett, charmant, lächelte mit jeder sein unwiderstehliches Lächeln mit diesen Grübchen in den Wangen - wieso sollte er bei mir andere Pläne haben? Aber ich verbot mir diese Gedanken, denn ich wollte an diesem Abend wirklich nur meinen Spaß haben, nicht mehr und auch nicht weniger. Ich genehmigte mir noch einen Batida und fühlte mich schon recht angeheitert, als Ralf mich doch wieder zum Tanz aufforderte und nahm seine dargebotene Hand.

      "Nun, wie gefällt es dir?", fragte er mich und ich wusste nicht genau, auf was er die Frage bezog.

      Ich antwortete ausweichend: "Du hast es sehr schön hier.