Die Rache der Zarentochter. Tatana Fedorovna

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Название Die Rache der Zarentochter
Автор произведения Tatana Fedorovna
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742746184



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wohl!“ Ihm gefiel die Anweisung, der er als Soldat natürlich gehorchen musste.

      Wir lachten. Nur einer seiner Kameraden nicht.

      „Ich spiele nicht mit!“, druckste der herum und machte eine eiserne Mine. Es war natürlich Tatjanas mürrischer Tanzpartner.

      Maria verstand nicht, warum er diese Chance nicht nutzen wollte.

      „Wieso? Du brauchst keine Angst vor uns zu haben. Wir erzählen auch niemandem davon. Sei nicht so ein miesepetriger Stockfisch.“

      „Ich habe keine Angst vor euch!“, schoss es aus ihm heraus. Der Alkohol lockerte auch seine Zunge.

      Plötzlich lag eine ganz andere Stimmung, etwas Ernstes in der Luft.

      „Was dann?“, hakte ich neugierig aus.

      „Ich küsse keine Deutsche!“ Die Worte brausten in den Lüften wie eine Windsbraut. Sie schlugen ein, wie eine Mörsergranate. Sogar die Mauern dröhnten davon, wie vom Erdbeben erschüttert. Anschließend breitete sich grausame Stille aus. Alle schauten pikiert auf ihn.

      Die Stimmung war dahin. Dieser unverfrorene Kerl. Was erlaubte er sich?

      Im gleichen Moment ertönte lautes Glockengeläut. Es war ein Alarmsignal.

      Verdutzt hörten wir alle auf den Klang. Was war passiert?

      In diesem Moment wurde schon die Tür aufgerissen. Ein unbekannter Kadett stürmte aufgeregt in den Raum.

      „Kommt sofort mit, man sucht euch schon!“, rief er seinen Dienstkameraden zu. „Wir werden neu vereidigt!“

      Erst jetzt gewahrte er uns drei Romanow-Prinzessinnen.

      Er nahm für einen kurzen Moment Haltung an.

      „Der Zar hat abgedankt!“

      Der Abend des 16. Juli 1918

      Seit April wohnten wir bereits im Haus des Militäringenieurs Ipatjew in Jekaterinburg. Die Rotgardisten hatten es extra beschlagnahmt, um uns hier unterzubringen. Die ehemalige Villa in klassizistischem Stil war relativ geräumig, hatte weiße Außenwände und befand sich am Rande der Stadt. Ihre eigentliche Schönheit wurde jedoch durch einen riesigen Bretterzaun und drei bedrohliche Maschinengewehre auf dem Dach verschandelt. Die Fenster hatten die Rotgardisten zudem mit weißer Farbe getüncht, damit niemand uns, die unglücklichen Gefangenen, sah. So verlieh man dem wundervollen Bau äußerlich den Charme einer Baracke.

      Die einst schöne Villa war somit zu unserem Gefängnis umgestaltet worden. Niemand sollte wissen, wer hier nun wohnte. Offiziell hieß es, dass das nur zu unserem Schutz wäre. Doch das stimmte nicht. Da sowohl dreißig Bewacher als auch die Dienstboten darin ebenfalls untergebracht waren, standen meiner Familie nur wenige Zimmer zur Verfügung. Das ließ uns und die uns verbliebenen Getreuen noch enger zusammenrücken. Wir waren eine kleine Insel inmitten eines feindlichen Meeres.

      Eine Einheit feindseliger Rotgardisten hatte uns von Tobolsk aus hierher gebracht, nachdem die aufständischen Kosaken die Roten aus Sibirien zu vertreiben drohten. Die kurz aufkeimende Hoffnung auf Befreiung zerschlug sich so. Wir waren inzwischen unseren Bewachern auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Seit 78 Tagen lebten wir nun hier. Jeden Einzelnen davon hatte ich gezählt. Angst und heimliches Hoffen bestimmten unseren Alltag. Ja, Rasputins Voraussagen erwiesen sich leider als richtig. Seit seinem Tod hatte sich unsere Lebenssituation kontinuierlich verschlechtert. Die Deutschen hatten unsere Armee geschlagen und Russland wurde durch die Revolution erschüttert. Alles war im Umbruch. Wir Romanows waren zu Gefangenen im eigenen Land geworden und Papa hatte abgedankt. Anstelle einen Prinzen zu heiraten, flickte ich nun die Socken oder Fußlappen unserer Bewacher. Fast alle unserer nahen Verwandten waren ebenfalls inhaftiert oder inzwischen sogar ermordet worden. Russland hatte inzwischen unter den Bolschewiki den Krieg ganz verloren und einen erniedrigenden Friedensvertrag mit den Deutschen geschlossen, der diesen große Teile Russlands und die gesamte Ukraine überließ.

       Lenin und seinen Helfern hatte der Krieg aber trotzdem viel eingebracht. Die Deutschen bezahlten ihn für den Frieden von Brest Litowsk und er festigte mit dem vielen deutschen Gold seine eigene Macht in Zentralrussland. Der Plan des deutschen Generalstabs und der von Lenin waren aufgegangen. Sie hatten gemeinsam gegen uns gekämpft und gewonnen.

      Papa hatte, obwohl er gar nicht mehr Zar war, den Friedensvertrag mit unterzeichnen müssen. Das Deutsche Reich hatte darauf bestanden. Es stand fest, dass unser Bruder würde nie Zar werden würde. Vielleicht war das auch besser so. Das böse, hinterhältige und grausame Russland verdiente einen so guten Menschen wie ihn ohnehin nicht.

      Auch unser Weiter-Leben war eine der deutschen Bedingungen für diesen Vertrag gewesen. Die Verwandtschaft mit dem deutschen Kaiser hatte uns offenbar das Leben gerettet, da kein königliches Blut vergossen werden sollte. Der Kaiser glaubte daran, dass königliche Macht stets von Gott stammte.

      Durch eine geheime Nachricht des kaiserlichen Botschafters, des Grafen von Mirbach-Harff, erhielten wir vor einiger Zeit die Mitteilung, dass der deutsche Kaiser sogar bereit war, wirklich alles für unsere Befreiung zu tun und ein Sonderkommando beauftragen wollte, da er dem Wort Lenins nicht vertraute. Leider weigerte Papa sich, diese Hilfe zu akzeptieren. Wilhelm der II. tat es sicher mehr für Mama als für seinen Cousin. Man munkelte, dass der Kaiser noch immer unsere Mutter liebte. Er hatte einst ebenfalls um die Hand meiner Mutter angehalten. Diese hatte sich jedoch für unseren Vater entschieden, obwohl alle Seiten dagegen waren.

      Vater wollte jedoch lieber sterben, als sich von Wilhelm II. helfen zu lassen. Mamas eindringliche Bitten nutzten nichts. Sein Stolz stand ihm im Wege. Mama wiederum vermochte ihren Gemahl nicht zu verlassen und schlug eine von Lenin in Aussicht gestellte eigene Ausreise mit allen Kindern ebenfalls aus. Sie liebte ihren Mann. Lenin hatte sogar persönlich angeboten, alle deutschen Familienmitglieder ins Reich zu schaffen. Nur unseren Vater wollte er unbedingt richten. So blieben wir Gefangenen in unserem Schicksal fest aneinander gebunden.

      Erst die Nachricht von der Erschießung unsers Onkels Michail vor einem Monat ließ Papa seine Haltung ändern. Zuvor hatte er offensichtlich nicht geglaubt, dass man ihn und auch uns ermorden wollte. Er kannte das wirkliche Russland nicht und hatte einen verklärten Mythos im Kopf.

      Leider wurde Graf von Mirbach-Harff am 07. Juli durch ein Attentat in Moskau ermordet. Das Chaos übernahm die Herrschaft. Dadurch schien ein gutes Ende für uns nicht mehr möglich. Mama rechnete durch Rasputins Prophezeiung mit dem Schlimmsten. Mit religiösen Gesprächen versuchte sie uns Mut zu machen, doch statt dessen wuchs unsere Angst. Man spürt instinktiv, wenn das eigene Leben bedroht ist.

      Papa und ich wussten, dass sie dem Glauben zum Trotz eine Kapsel mit dem geheimen Elixier dabei hatte. Das angeblich wunderschöne Himmelreich stand also doch hinter dem Leben zurück. Sie verbarg die Kapsel in ihrer Brust, sodass es selbst Papa nicht gelang, ihr diese zu entwenden. Die andere hatte sie notgedrungen mit dem Ei inzwischen verstecken müssen. Wir hatten sie nicht hierher mitnehmen können. Nur ich wusste außer ihr, wo es nun war. Vater war der Meinung, das dämonische Elixier wäre die größte aller Sünden. Der Tod wiege dagegen leichter.

      Was gab es da noch zu sagen?

      Wir bekamen inzwischen nur noch das gleiche Essen wie die Bewacher. Diese Gleichmacherei gehörte zu unserer Erniedrigung. Das Abendessen war zwar auch heute karg und einfach, jedoch hatte der freundliche Koch den Wunsch meiner jüngeren Schwester Maria erfüllt und zusätzlich russische Plinsen mit Apfelstückchen in der Pfanne gebraten. Solche Abwechslungen waren selten für uns geworden. Er konnte sich dadurch schnell den Ärger des neuen Kommandanten zuziehen.

      Aljoscha und ich hatten die Plinsen bisher noch nicht angerührt. Mein Bruder mochte sie gar nicht und ich hatte mir die Leckerei für den Schluss aufgespart.

      Pawel Medwedew, der die Außenwachen befehligte, trat in den Raum, der uns als Esszimmer und Wohnzimmer gleichzeitig diente. Seine Augen musterten unseren Tisch. Interessiert schaute er auf die Küchlein und strich nachdenklich über sein stoppeliges Kinn. Sein Gesichtsausdruck wurde gierig, er sagte jedoch nichts.