Heine hardcore II - Die späten Jahre. Freudhold Riesenharf

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Название Heine hardcore II - Die späten Jahre
Автор произведения Freudhold Riesenharf
Жанр Языкознание
Серия Fiktive Biografie Heinrich Heines
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742736116



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wird Beschreibung: sie lag da

       In ihrem Zelt, das ganz aus Gold gewirkt,

       Noch farbenstrahlender als jene Venus,

       Wo die Natur der Malerei erliegt.

       Zu beiden Seiten ihr holdselge Knaben,

       Mit Wangengrübchen, wie Cupidos lächelnd,

       Mit bunten Fächern, deren Wehn durchglühte

       (So schien's) die zarten Wangen, die sie kühlten;

       Entzündend, statt zu löschen.

      Einen weißen Badeanzug trägt auch die schöne Französin Emmanuelle Béart in Chabrols L'Enfer.

      Gibt es eine vorbildlichere Susanna im Bade als Bo Derek in Zehn – Die Traumfrau? Ein spanischer Freund zeigt sie Harry in einer Illustrierten im Bikini am Strand. Das einzige Wort, das ihm dazu einfällt, ist: emocionante aufwühlend, bewegend.

      Die schönsten Frauen der Welt flimmern jetzt sinnberaubend über die Leinwand. Er sieht Gina Lollobrigida in Der Glöckner von Notre Dame nach Victor Hugo, mit Anthony Quinn in der Rolle des verwachsenen Quasimodo. Eine junge Dame, die mir sehr nahesteht, äußerte sich jüngst über diese Hässlichkeitssucht der Hugoschen Muse mit sehr treffenden Worten. Sie sagte nämlich: „Die Muse des Victor Hugo mahnt mich an das Märchen von der wunderlichen Prinzessin, die nur den hässlichsten Mann heiraten wollte und in dieser Absicht im ganzen Lande das Aufgebot ergehen ließ, dass sich alle Junggesellen von ausgezeichneter Missbildung an einem gewissen Tage vor ihrem Schlosse als Ehekandidaten versammeln sollten … Da gab's nun freilich eine gute Auswahl von Krüppeln und Fratzen, und man glaubte das Personal eines Hugoschen Werkes vor sich zu sehen … Aber Quasimodo führte die Braut nach Hause.“

      Er sieht Kim Novak in Hitchcocks Vertigo, Marilyn Monroe in Let's make love, Ingrid Thulin in Der Krieg ist vorbei. Er sieht die umwerfend schöne Julie Christie als Larissa in Doktor Schiwago und ihren Sex zusammen mit Donald Sutherland in Wenn die Gondeln Trauer tragen. Die fragliche Szene wird mehrmals gekürzt, damit der Film in den USA die Bewertung Restricted – Children Under 17 Require Accompanying Parent or Adult Guardian erhält. Der Film ist der größte Nonsens, den man sich denken kann, allein der Sexszenen mit der wunderschönen Julie Christie wegen aber ein unvergesslicher Klassiker. Und was ist mit Anne Hathaway? Selbst Shakespeare hätte keine schönere Frau verdient.

      Der Unterschied zwischen der alten und neuen Zeit ist ja nicht, dass es früher keine so heißblütigen Dichter gegeben hätte wie heute. Ovid, Catull, Villon, Rousseau, Flaubert, Stendhal, Tolstoi, Heine ... sind unübertrefflich. Solche genetisch determinierten Erotomanen gibt es seit der Steinzeit, wenn nicht seit Homo habilis oder, wie schon der Name sagt, Homo erectus. Der Unterschied ist bestimmt auch nicht, dass die kleinen Jungs zu Betty van Geldern's Zeit von den Müttern weniger verzärtelt und erotisiert wurden; „durch Liebessucht verdorbene Kinder“ gab es Gottfried Keller zufolge immer schon. Der Unterschied zwischen der alten und neueren Zeit liegt vielmehr darin, dass in der modernen von vorn bis hinten durchsexualisierten schönen neuen Welt schon die Kinder mit erotischen Reizen geradezu infiltriert werden. Die sexistische Tendenz ist inzwischen universell. Wenn überhaupt, dann hätte der Jugendschutz im Kleinkindalter anzusetzen, was aber ganz aussichtslos wäre. Anderseits, warum die Menschen in ihrer Jugend vor etwas schützen, dem sie als Erwachsene dann sowieso ihr Leben lang exponiert sind?

      Fasziniert ist er vom Düsseldorfer Karneval. Die Leute gehen leichtgeschürzt, benehmen sich wie bacchantisch. Die bürgerliche Wohlanständigkeit scheint auf einmal so urgesellschaftlich außer Kraft, dass es einem ganz unanständig im Blut kribbelt. Darin sieht er seine Chance. Ein bacchantischer Geist ergreift sein ganzes Wesen. Mensch ist man erst recht auf dem Maskenballe, wo die wächserne Larve unsere gewöhnliche Fleischlarve bedeckt, wo das schlichte Du die urgesellschaftliche Vertraulichkeit herstellt, wo ein alle Ansprüche verhüllender Domino die schönste Gleichheit hervorbringt, und wo die schönste Freiheit herrscht – Maskenfreiheit. Für mich hat eine Redoute immer etwas höchst Ergötzliches. Er geht auf den Ball, um sich an die kleinen Mädchen heranzumachen:

      Citronia hab ich genannt

      Das wunderbare Zauberland,

      Das ich einst bei der Hindermans

      Erblickt im goldnen Sonnenglanz –

      Es war so zärtlich ideal,

      Zitronenfarbig und oval,

      So anmutvoll und freundlich mild

      Und stolz empört zugleich – dein Bild,

      Du erste Blüte meiner Minne!

      Es kam mir niemals aus dem Sinne.

      Aber seltsam! Die scheinbare Freizügigkeit ist bloße Fassade, die kleinen Mädchen in ihrer spärlichen Kluft sind genauso anständig wie sonst auch und mögen es nicht, wenn man sie freizügig anfasst. Sie haben sich nur so entzückend verkleidet, sind hinter ihren Masken aber genauso züchtig geblieben wie sonst auch. Vom Fasching enttäuscht, legt er die Pappnase ab.

       Im Söller der Arche Noä liest er jetzt James Fenimore Coopers Lederstrumpf, Karl May, Flauberts Salammbô und L'éducation sentimentale, Eine Liebe Swans von Proust, Lady Chatterley von D. H. Lawrence, Hemingway, Henry Millers Stille Tage in Clichy, Portnoys Beschwerden von Philip Roth. Schon in der Mittelstufe hält er vor der Klasse einen Vortrag über Rilkes Gedicht Der Panther aus dem Jardin des Plantes, Paris:

      Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe

      so müd geworden, daß er nichts mehr hält.

      Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe

      und hinter tausend Stäben keine Welt.

      Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,

      der sich im allerkleinsten Kreise dreht,

      ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,

      in der betäubt ein großer Wille steht.

      Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille

      sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,

      geht durch der Glieder angespannte Stille –

      und hört im Herzen auf zu sein.

      Als er größer wird, bekommen sie in der Schule Physik, Chemie, Biologie. Die Vorgänge in der Natur werden durch die Naturgesetze erklärt. Die Welt ist nicht von einem übernatürlichen Wesen geschaffen, sondern trägt ihre eigene Ursache in sich. Es geht auf der Welt allenthalben mit natürlichen Dingen zu; und ,natürlich' heißt, dass alles in der Welt den Naturgesetzen folgt, wie sie von der Naturwissenschaft erforscht werden. Sind schon so viele natürliche Vorgänge naturgesetzlich-rational erklärbar, dann scheint auch schon alles in der Welt rational erklärbar – und alle metaphysischen Spekulationen erübrigen sich! Der wissenschaftliche Naturalismus hat sich als allein gültige Weltanschauung durchgesetzt.

      Trägt die Welt aber ihre Erklärung in sich, dann trägt sie wohl auch ihren eigenen Grund in sich und es braucht keinen ,ersten Beweger' mehr. Es ist albern, zu glauben, der Kosmos um uns herum könnte durch ein einziges übernatürliches Wesen erschaffen sein!

      1953 entschlüsseln Watson und Crick das Erbmolekül DNS, den molekularen Bauplan der Lebewesen einschließlich des Menschen. Die Lebewesen sind biochemische Maschinen, schreibt der Nobelpreisträger Jacques Monod und bestätigt damit Lamettries materialistische Ansicht der Maschine Mensch. Auch der menschliche Geist ist eine Funktion der Maschine – eine Maschinenfunktion – und endet mit dieser Maschine; die Seele ist die Gesamtheit der Gehirnvorgänge, und endet mit dem Tod des Gehirns. Aus dem frühesten Weltalter scheint uns nichts übriggeblieben als einige triste Formeln des Betrugs. Man muss nur die Augen aufmachen, um das zu sehen. Das ist die naturalistische Identitätstheorie im Geist-Körper-Problem, die sich wissenschaftlich durchgesetzt hat. Schon vor dem Abitur ist er überzeugter Identist: ,Sie', Ihre Freuden und Leiden, Ihre Erinnerungen, Ihre Ziele, Ihr Sinn für Ihre