Terapolis. Tom Dekker

Читать онлайн.
Название Terapolis
Автор произведения Tom Dekker
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748514022



Скачать книгу

zu tun, und vielleicht kannst du an der ein oder anderen ja noch etwas verbessern?“

      Da Greg ohnehin keine anderen Pläne hatte und die Arbeit ihn sicher von düsteren Gedanken abhalten würde, antwortete er, ohne lange zu überlegen: „Ja, das kann ich gern versuchen.“

      „Gut, dann ist das abgemacht.“ Grub rieb sich zufrieden die Hände.

      „Warum habt ihr mich eigentlich umgezogen?“, wechselte Greg plötzlich das Thema.

      Trisha machte eine unwirsche Handbewegung. „Deine Kleidung kannst du hier draußen nicht gebrauchen. Wenn du die Kolonie verlässt oder der Schutzschild zusammenbricht,“, wobei sie Grub einen vorwurfsvollen Blick zuwarf, den er mit einem lausbübigen Grinsen über sich ergehen ließ, „bieten sie dir nicht genug Sonnenschutz. So,“, sie deutete mit dem Finger auf Greg, „ist es wesentlich sicherer für dich. Und praktischer bei der Arbeit mit glühendem Metall.“, fügte sie noch hinzu.

      Greg wollte etwas erwidern, wurde aber von einem lauten Geräusch an der Tür abgelenkt. Er drehte sich um, und sah Mav im Türrahmen auftauchen.

      „Guten Morgen.“, rief der kräftige Junge und stürmte in die kleine Küche. „Na, wie geht es unserem Patienten?“, fragte er aufgeregt.

      „Nun, zumindest kann er wieder essen und reden, wie du siehst.“, erwiderte Grub etwas pikiert. „Aber es ist an der Zeit, dass wir uns das Auge einmal genauer ansehen.“

      Eine angespannte Stille legte sich über den Raum. Alle Augenpaare waren auf Greg gerichtet. Trisha sah ihn besorgt an. Mav versuchte, seine Unruhe zu verbergen und klopfte Greg kameradschaftlich auf die Schulter, so dass dieser zusammenzuckte „Das wird schon!“, murmelte er. „Und mit Augenklappe siehst du auch nicht übel aus. So richtig verwegen.“, fügte er mit gespieltem Enthusiasmus hinzu, als er merkte, wie lahm seine Aufmunterung wirken musste.

      Trisha bedachte Mav mit einem missbilligenden Blick, doch bevor sie etwas erwidern konnte, klatschte Grub in die Hände. „Schieben wir es nicht weiter auf, Kinder. Kommt alle mit in meinen Ruheraum, dort können wir uns am besten anschauen, was noch zu retten ist.“, sagte er munter und erhob sich von seinem Stuhl. Greg blieb nichts anderes übrig, als den dreien mit bangem Herzen durch eine kleine Tür in einen der Nebenräume zu folgen. Dort sollte sich also das Schicksal seines verletzten Auges entscheiden.

      XII

      „Ah, seht Ihr? Er kommt schon wieder zu sich.“ Greg vernahm undeutlich Grubs Stimme wie aus weiter Ferne. „Du hast das Betäubungsmittel gut dosiert, Trisha.“

      „Danke, Meister.“, hörte er das Mädchen murmeln.

      Vorsichtig versuchte Greg, die Augen zu öffnen und zu erkennen, was um ihn herum vorging. Zu seiner Bestürzung konnte er weiterhin nur das rechte Auge benutzen. Panisch rollte er damit hin und her, bis sein Blick auf Grub fiel. Aber natürlich, schoss es ihm durch den Kopf. Er war je eben erst operiert worden. Wie konnte er dann davon ausgehen, dass mit seinem verletzten Auge sofort alles in Ordnung wäre! Er schalt sich selbst wegen seiner Dummheit. Sicher hatten sie ihm einen neuen Verband angelegt. Das war die natürlichste Erklärung.

      „Greg? Wie geht es dir?“, fragte ihn die freundliche Stimme des alten Mannes.

      Greg horchte in sich hinein. „Gut.“, stellte er dann laut und zufrieden fest. Zwar hatte er noch Schmerzen, sowohl am Auge als auch an anderen Stellen seines Körpers, aber alles in allem hatte er sich schon wesentlich schlechter gefühlt. „Wie ist es gelaufen?“, wollte er voller Neugierde wissen.

      „Nun ja,“, druckste Grub herum. „Das kommt darauf an.“

      Greg spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufstellten. Ein eisiger Schauer durchfuhr seine Glieder wie der Schwall aus einem Eimer kalten Wassers. „Worauf?“, presste er hervor.

      „In gewisser Weise hast du Glück gehabt.“, tastete sich Grub langsam voran. „Die Nervenbahnen sind nicht beschädigt.“, versuchte er mit froher Stimme das Positive zuerst zu erwähnen.

      „Aber?“, schnitt ihm Greg scharf das Wort ab.

      „Aber,“, Grub holte tief Atem. Sein grauer Bart bebte leicht und plötzlich trat ein tieftrauriger Zug voller Mitleid auf sein Gesicht, „dein Auge können wir nicht retten. Die Linse ist zerstört.“ Er hob mit bekümmerter Miene ein kleines Glas, in dem ein Augapfel zur Seite rollte und dann leblos liegen blieb.

      Alles um Greg begann sich zu drehen. Er hatte ein Gefühl, als würde ihm der Boden unter dem Körper weggezogen. Verzweifelt versuchte er, sich eine Zukunft mit nur einem Auge auszumalen, aber ein Wirbel aus beunruhigenden Einzelbildern umschwirrte seinen Geist und verhinderte, dass er klar denken konnte. Wie sollte es jetzt für ihn weitergehen?

      „Hey. Ich habe doch gesagt, mit Augenklappe siehst du verdammt abenteuerlich aus. Wie ein echter Pirat.“, versuchte Mav, die angespannte Stimmung aufzulockern. „Schau mal! Ich habe dir etwas gebastelt.“, fügte er hinzu, als niemand auf seinen platten Scherz einging. Er kramte in einem kleinen Rucksack, förderte eine Schweißerbrille zutage und drückte sie Greg in die Hand. Greg musterte sie ausgiebig. Die Brille besaß die seltenen verspiegelten Gläser, die er bei den Schweißern in der Werkstatt von Jesua Fingrey immer so bewundert hatte. Ehrfürchtig strich er über die Legierung.

      „Damit sieht keiner, was unter den Gläsern verborgen ist.“, erklärte Mav. „Außerdem habe ich noch zwei kleine Einbuchtungen eingefügt.“ Er deutete auf zwei Stellen an der linken Seite der Brille. „Hier kann man das Band durchführen, wenn du doch einmal eine Augenklappe darunter tragen musst.“, zwinkerte er Greg sichtlich stolz über seinen Einfall zu.

      „Ich habe auch etwas für dich.“, sagte Trisha, die deutlich spürte, wie unwohl sich Greg bei dem Gedanken fühlte, in Zukunft als einäugiger Augenklappenträger herumlaufen zu müssen. Aus einer Tasche ihrer Hose holte sie ein schwarzes Nietenarmband hervor. Sie streifte es Greg um das linke Handgelenk und befestigte die Schnallen mit geschickten Fingern. Greg führte den Arm vor sein Gesicht und begutachtete die Arbeit. Mehrere Lederbänder waren kunstvoll miteinander verflochten und anschließend mit drei Reihen spitzer Nieten verziert worden. „Damit passt du noch besser zu uns.“, flüsterte Trisha. Greg war sich nicht sicher, aber hatten sich Trishas Wangen nicht eine Spur mehr rot verfärbt?

      „Das ist sehr großzügig von dir.“, sagte er und bereute im selben Augenblick, wie steif es klang. Als Entschädigung versuchte er, Trisha ein dankbares Lächeln zu schenken, aber mehr als eine verzerrte Fratze brachte er nicht zustande.

      „So, jetzt ist aber erst einmal genug geschwatzt.“, mischte sich Grub in die Unterhaltung ein. „Lasst Greg ausruhen. Er hat anstrengende Tage hinter sich und muss sich gut erholen.“ Mit einer wedelnden Handbewegungen trieb er Mav und Trisha aus dem Raum und schloss, nachdem er sich noch einmal mit einem aufmunternden Lächeln umgedreht hatte, die schwere Holztür hinter sich.

      XIII

      „Greg! Mav!“ Nicis fröhliche Rufe waren in dem Gewirr aus Stimmen auf dem morgendlichen Marktplatz nicht leicht zu hören. Greg drehte sich um und sah die unbändigen rotbraunen Haare unter dem hinter dem Kopf zusammengeknoteten Kopftuch auf und ab hüpfen. Nici drängte sich behände durch die Gruppen aus Männern und Frauen, die wie jeden Tag vor der Arbeit zusammengetroffen waren und sich über Neuigkeiten austauschten. Greg musste sich immer noch daran gewöhnen, dass ein Mädchen mit schwarzen Lederhosen herumlief, aber irgendwie wollte es ihm auch nicht gelingen, sich Nici in etwas anderem, etwa einem farbigen Miederkleid, vorzustellen. Greg fiel erneut die Fliegerbrille auf, die locker um ihren Hals hing.

      „Hat es etwas zu bedeuten, dass ihr beide so eine Brille habt?“, fragte er Mav und deutete auf Nici.

      Mav schob die Brust etwas weiter heraus und nickte gönnerhaft. „Und ob das was zu bedeuten hat! Nur Flieger tragen eine solche Brille.“

      „Flieger?“, fragte Greg verwundert. „Ihr seid Flieger?“ Er unterzog Mav einem kritischen Blick.

      „Naja.“, stammelte dieser. Ihm war sichtlich unwohl bei dieser Frage. „Wir sind