Название | Lücken im Regal |
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Автор произведения | Elisa Scheer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783746748634 |
Elli überlegte. „Ich könnte auch die restlichen Bücher in den Safe packen und den Glasschrank mit irgendwelchem ältlichen Kram füllen.“
„Gut! Ich bin gespannt, wer sich dann nach dem Glasschrank erkundigt.“
„Soll ich die anderen Aufsichten entsprechend instruieren?“
„Besser nicht. Theoretisch könnte einer der beiden auch der Dieb und Mörder sein.“
„Sie sind sich sicher, dass Dieb und Mörder identisch sind?“
„Nein, absolut nicht – aber ausschließen kann man diese Möglichkeit schließlich auch nicht. Okay, Sie räumen die Wertsachen aus und ich mache mich auf die Suche nach Dingen, die optisch was hermachen, aber weder wertvoll noch wichtig sind.“
„Percy Ernst Schramm zum Beispiel? Golddruck im Titel, aber genau genommen gelinde veraltet?“
Er grinste. Ein sehr nettes Grinsen, fand Elli, obwohl ihr das ja nun wirklich egal sein konnte. „Danke für den Tipp. Aber etwas mit schrecklichen Abbildungen wäre auch ganz schön. Ich finde schon etwas, keine Sorge. Natürlich lege ich Ihnen alles zur Genehmigung vor.“
„Ich bitte darum!“
Daxenberger verschwand hinter den Regalen und Elli öffnete den Schrank, um die etwas dürftigen Reste herauszunehmen. Schönberger sah ihr zu und wandte sich dann ab, um die Regale der Umgebung zu inspizieren.
„Womit würden Sie hier jemanden niederschlagen?“, fragte er dann.
„Bitte?“ Elli war verdutzt, fasste sich aber rasch wieder. „Jemanden, der mich gerade beim Klauen erwischt hat, meinen Sie? Hm… einen Atlas oder einen Bildband… warten Sie.“
Sie eilte an ein Regal hinter dem Glasschrank und zeigte Schönberger den großen Atlas zur Geschichte des Mittelalters, den Bildband zur Geschichte der Kreuzzüge (größer als DIN A 3 und bestimmt drei Kilo schwer). Daneben bot sie ihm einen (leider recht neuen) Prachtband über sämtliche Kaiser von Karl dem Großen bis Friedrich III, nicht ganz so riesig, aber dafür sehr dick und entsprechend schwer.
„Die Lexikonbände würde ich nicht nehmen, da wäre mir das Format zu klein.“
„Gut beobachtet“, lobte Schönberger, zog sich Handschuhe über und förderte eine Lupe zutage, bevor er die drei empfohlenen Bände in Augenschein nahm.
Elli ließ ihn in Ruhe nach Spuren suchen und schloss den Schrank unter dem Aufsichtstisch auf. Dort befand sich auch ein Tresor und in den schichtete sie die Werke sorgfältig hinein. Die Tür ließ sich danach kaum mehr schließen, aber zu guter Letzt gelang es ihr doch. „Allerdings habe ich keine Ahnung, wer alles die Kombination kennt – aber vielleicht denkt jemand, der die Schätze vermisst, ja auch, wir hätten sie bei der Unibibliothek in Sicherheit gebracht.“
„Hoffen wir mal das Beste“, entgegnete Schönberger abgelenkt, der immer noch den Kreuzzugsband mit der Lupe absuchte.
In diesem Moment kam Daxenberger mit einem hübschen kleinen Stapel zurück und breitete sie gefällig vor Elli aus: „Na, eignen die sich für den Schrank?“
„Schön bunt“, lobte Elli und musterte seine Beute. „Die drei eignen sich hervorragend… bei dem schlagen wir eine gefällige Seite mit Abbildungen auf… das da muss leider zurück ins Regal, das wird in mehreren Seminaren verwendet und wir haben nur ein Exemplar. Oh, das hier ist eine sehr gute Idee!“
Daxenberger grinste wieder so nett. „Irgendwie fühle ich mich, als müsste ich jetzt ein Leckerli kriegen.“
„Als Leckerli dürfen Sie mir beim Arrangieren helfen, weil Sie so brav apportiert haben.“
Gemeinsam verteilten sie die hochstaplerischen Ausstellungsstücke auf die Halterungen in den Schrankfächern und blätterten den Bildband durch, bis sie eine wirklich dekorative Doppelseite gefunden haben, dann bugsierte Elli den Band routiniert auf die Drahtstütze und schloss den Schrank zweimal ab.
„Schaut doch ziemlich überzeugend aus, oder?“
„Nun ja, für jemanden, der aber auch schon gar nichts davon versteht, vielleicht. Ich sehe natürlich sofort, dass das da im Schrank besserer Tinnef ist.“
Jetzt grinste Elli. „Was für ein schönes Wort! Und Sie haben ganz Recht. Vielleicht ärgert sich ja jemand lautstark. Ich habe in der nächsten Woche jeden Vormittag hier Aufsicht und werde gut aufpassen.“
„Und nachmittags?“, fragte Schönberger, während er den Atlas in einer Beweismitteltüte versenkte.
„Sorry. Immer kann ich auch nicht. Vermutlich Hambacher, vielleicht auch Lisa, das sind so die üblichen. Moment, ich schau mal nach!“
Sie blätterte durch das Journal auf dem Aufsichtstisch. „Stimmt, Montag bis Mittwoch Hambacher, Donnerstag und Freitag Lisa Hettl. Na, ich kann zumindest immer sehen, ob sich jemand am Vortag zu schaffen gemacht hat. Aber ganz ehrlich – Hambacher ist ein Sensibelchen und Lisa ist a) harmlos und b) aus wohlhabendem Elternhaus. Teubner macht keine Aufsichten mehr, zu sehr auf seine Habil. fokussiert. Und will so einer sich wirklich die Karriere wegen ein paar Diebstählen versauen?“
„Das klingt wirklich unwahrscheinlich“, fand Schönberger und Daxenberger fügte hinzu: „Zumal der Dieb garantiert nicht den vollen Wert für die gestohlenen Bände bekommen hat. Wenn man die Chance hat, einen Rembrandt zu stehlen, meinetwegen – mit dem Erlös kann man sich in der Karibik zur Ruhe setzen. Aber dafür?“ Er wies auf den Glasschrank.
„Vielleicht hat der Dieb einfach zu nichts Besserem Zugang gehabt“, vermutete Schönberger. „Einen Rembrandt aus dem Museum klauen ist ja schon noch eine Nummer größer…“
„Also muss der Dieb einen Schlüssel für den Schrank haben.“
„Ja, wenn der Schrank auch immer ordentlich zugesperrt ist. Schauen Sie mal her, Frau Eversbach!“
Er drehte den Schlüssel, der noch im Schloss steckte, und schob dann eine Rabattkarte in den Schlitz. Es klickte leise und die Tür sprang einen Zentimeter auf. „Sehen Sie? Ein Kinderspiel für jeden, der die Gelegenheit nutzt und gerade einen unbeobachteten Moment erwischt.“
Schönberger umrundete die anderen beiden und setzte sich auf den Bürosessel der Aufsicht. Dort drehte er sich langsam und nickte befriedigt. „Kein Blick auf diesen Schrank. Ungünstig.“
Elli fühlte sich genötigt, dies zu verteidigen: „Niemand wollte diesen Schrank in den Vordergrund rücken, damit nicht Hinz und Kunz kommt und fragt, ob sie die Handschriften und die Prachtbände mal anschauen könnten. Womöglich mit fettigen Fingern und ohne Handschuhe? Ja, doch, ich weiß“, sagte sie, als sie die skeptischen Blicke der beiden Kommissare bemerkte, „suboptimale Vorgehensweise. Wenn das Zeug keiner sehen soll, hätten wir´s auch gleich in den Safe tun können. Beklagen Sie sich bei Mahlmann, der hat das irgendwann mal so festgelegt.“
„Wie lange arbeiten Sie denn schon hier?“
Elli rechnete zurück. „Zehn Jahre, glaube ich. 2007 habe ich promoviert und dann so einen halbscharigen Vertrag bekommen, ein Seminar, eine Übung, tausend Euro brutto im Monat. Seitdem mache ich Bibliotheksdienst, um das Gehalt aufzubessern. Mittlerweile habe ich natürlich eine ganze statt einer Viertelstelle und bin solider akademischer Mittelbau, allerdings immer noch Jahresverträge. Aber der Bibliotheksdienst ist eigentlich ganz nett und bei den anderen nicht gar so beliebt. Alles klar?“
„Nicht ganz“, antwortete Daxenberger. „Ist dieser Professor Mahlmann schon genauso lange am Institut?“
„Ich glaube, länger. Also, ich habe bei ihm nicht studiert und auch nicht promoviert, aber soweit ich weiß, müsste er etwa seit 2002 hier sein… vielleicht fragen Sie