Adda Fried. Angelika Nickel

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Название Adda Fried
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847662853



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er erstickt!«

      Mathilde wählte mit zitternden Fingern die Nummer der Notrufzentrale, schilderte mit stotternden Worten, was passiert war, so dass wenige Minuten später der Rettungswagen vor der Bude vorfuhr.

      Doch für Edgar kam jede Rettung zu spät.

      Der Rettungshelfer sah Adda mit bedauerndem Gesichtsausdruck an. »Nichts mehr zu machen. So wie es aussieht, ist er erstickt.« Armin Müller, der Sanitäter, lugte dem Alten fachkundig in den Hals. Mit geschickten Fingern, und mithilfe einer langen Pinzette, holte er drei Pommes heraus. »Weiter komm ich nicht ran. Aber ihm ist ohnehin nicht mehr zu helfen.« Er forderte über Funk den Leichenwagen an, parallel dazu noch eine Streife, da diese sich noch vor Ort, von dem Tod des Alten überzeugen musste, um vorsätzliche Tötung von vorneherein auszuschließen.

      Kurze Zeit später traf der Polizeiwagen ein. Der Wagenschlag öffnete sich, und ein Mann, der Adda wohlvertraut war, stieg aus. Aufgelöst rannte sie auf ihn zu.

      »Edgar, Edgar! Ach, was bin ich froh, dich zu sehen. Edgar ist tot! Einfach so. An 'ner Pommes erstickt, und fertig. Aus war’s mit ihm.« Sie unterdrückte die Tränen, die sich in ihre Augen zwängen wollten. »Der Sensenmann, er hat ihn sich geholt, und dabei ging’s dem alten Mann gerade so gut.«

      »Adda, du, hier?« Kommissar Edgar Braun zog verwundert die Braue hoch. »Und nein, Adda, ich bin nicht tot. Noch nicht.« Edgar sah sie nachdenklich an. »Hab’s mit dem Sterben auch gar nicht eilig.«

      »Du doch nicht, Edgar. Der Tote, er heißt …«, sie druckste herum, verbesserte sich, »der Name des Toten, er hieß auch Edgar. Genau wie du, Edgar.«

      »Ah, so.« Edgar Braun wechselte einige Worte mit dem Sanitäter, überzeugte sich vom Tod des Alten, um gleich darauf die Leiche zum Abtransport freizugeben. Danach wandte er sich Adda zu. »Eigenartig, dass, wo immer du auch auftauchst, die Leute sterben wie die Fliegen.«

      Adda biss sich auf die Zunge. »Das war kein Mord, Edgar. Das war wieder nur ein Unfall. Immer noch keine Leiche, wie ich sie suche.«

      »Mein Gott, siehst du denn nicht, wie endgültig der Tod ist?«

      »Als wenn ich etwas dafür kann, dass Edgar den Mund zu voll genommen hat. Er hätte die Pommes ja Stück für Stück essen können, dann wäre er jetzt ganz bestimmt immer noch am Leben.«

      Braun schüttelte den Kopf. »Und schon wieder Pommes. Wieder ein Tod, bei welchem Pommes frites eine Rolle spielen; und auch du bist ebenfalls schon wieder am Ort des Geschehens.« Braun konnte nur noch weiterhin mit dem Kopf schütteln. Diese Frau, sie treibt mich noch an den Rand des Wahnsinns.

      »Ich habe heute hier ausgeholfen. Deswegen bin ich da.« Addas Augen blitzten Edgar Braun an. »Du tust geradeso, als wenn ich an Edgars Tod die Schuld trage.«

      »Hab ich mit keinem Wort gesagt«, brubbelte Braun, mehr zu sich selbst, vor sich hin.

      »Halt! Ich will mich von Edgar noch verabschieden!«, rief Adda, als sie sah, dass die Leichenträger Edgars Leiche in einen Leichensack packen wollten. Hastig eilte sie auf die Männer zu. Kopfschüttelnd stand sie da und schaute auf den toten Mann hinunter. Sie kniete sich neben ihn. »Edgar, Edgar, wenn du doch gewusst hast, dass Pommes dein Tod sein können, warum hast du dann die Dinger nur in dich reingestopft, als wenn es morgen keine mehr gäbe? Du bist doch Arzt gewesen, du hättest es doch besser wissen müssen. Ach, Edgar, da haben wir uns gerade erst kennen gelernt, und dann stirbst du einfach so weg. Direkt vor meiner Nase!«

      »Fertig? Können wir mit unserer Arbeit weitermachen?«, fragte einer der Leichenträger, der keine Lust hatte, länger als nötig, mit dem Leichensack in der Hand, herumstehen zu müssen.

      Adda nickte. »Ja, danke.« Sie sah den Sargträgern zu, wie sie den Mann in den schwarzen Sack legten. Das Geräusch des sich schließenden Leichensacks ging ihr durch und durch. Dennoch siegte ihre Neugierde. »Wo bringen Sie Edgar hin? In die Gerichtsmedizin?«

      Der Leichenträger brummte ein Ja vor sich hin.

      »Hör mal, Edgar, da Edgar doch in die Gerichtsmedizin muss …Weshalb fahren wir denn nicht gleich mit? In die Gerichtsmedizin, meine ich.«

      »Wir? Du und ich?« Kommissar Edgar Braun schüttelte den Kopf. »Nein, Adda, wir beide fahren auf gar keinen in die Gerichtsmedizin.«

      »Nicht? Wieso nicht? Ich dachte …«

      »Der Sanitäter hat die Todesursache soweit bereits festgestellt, von daher gibt es keinen Grund, dass ich zur Gerichtsmedizin muss.«

      »Aber vielleicht muss ich dorthin. Einfach nur, um auch sicherzugehen«, wandte Adda ein.

      »Das musst du mit deiner Dienststelle abklären. Wenn du glaubst, bei diesem Fall, der gar kein Fall ist, noch etwas unternehmen zu müssen …« Er ließ den Satz unvollendet, dabei hob er abwehrend die Hand, ließ sie jedoch gleich darauf wieder sinken. Langsamen Schrittes schlenderte er auf seinen Wagen zu und stieg ein. Als er wegfahren wollte, sah er Adda im Rückspiegel. Er seufzte. »Irgendwann raubt sie mir noch den letzten Nerv.« Er öffnete die Wagentür, blickte über seine Schulter und rief ihr zu: »Was ist, soll ich dich nach Hause fahren?«

      Adda wandte den Blick ab und schaute fragend Mathilde an.

      »Geh nur, Adda, für heute reicht es. Du hast genug getan, und ich für meinen Teil habe auch keine Lust mehr, noch weiter geöffnet zu halten. Ich schließe jetzt. Ein Toter für heute, das reicht mir voll und ganz.«

      »Also bis morgen, Mathilde.«

      »Danke. Bis morgen, Adda.« In ihrem Blick lag Besorgnis. »Und denk nicht soviel darüber nach. Das Leben ist, einfach, wie das Leben ist. Niemand von uns weiß, wann wir an der Reihe sind.« Aufmunternd nickte sie ihr nochmals zu.

      Adda nickte verstehend zurück, danach stieg sie zu Kommissar Edgar Braun in den Wagen, nannte ihm ihre Adresse und ließ sich von ihm nach Hause fahren. Beim Abschied, sagte sie: »Hey, Edgar, wenn wir uns wieder treffen, dann besser bei ’nem Toten, ohne Pommes.«

      »Wenn es nach mir geht, brauchen wir uns bei gar keiner neuerlichen Leiche wiederzusehen.«

      »Magst du mich nicht mehr?«, schmollte Adda, und stieg beleidigt aus dem Wagen.

      »Doch schon. Aber in deiner Nähe lebt es sich anscheinend doch recht gefährlich. Zwei Tote, innerhalb von so kurzer Zeit, und jedes Mal warst du in der Nähe.«

      »Vergiss die Fritten dabei nicht.«

      Braun riss die Augen auf. »Was bist du nur für eine Frau?«

      Darauf ging Adda nicht ein, sondern langte durchs geöffnete Fenster und legte, wie tröstend, ihre Hand auf Edgars Schulter. »Edgar, ganz sicher, irgendwann werden wir beide eine Leiche haben, bei der ich nicht zuerst am Ort des Geschehens sein werde.«

      »Kann ich fast nicht glauben.«

      »Trotzdem: Vergiss nicht, was du mir versprochen hast!«, erinnerte sie ihn, an sein Versprechen.

      »Nein, ganz bestimmt nicht.« Er sah sie traurig lächelnd an. »Ich bin mir sicher, dass du alles tun wirst, um dass ich es nicht vergesse.«

      Adda lachte. »Wie gut du mich doch schon kennst, Herr Kommissar.« Sie nahm die Hand von seiner Schulter und verabschiedete sich von ihm.

      »Gute Nacht, Adda.«

      »Ja, gute Nacht, Edgar. Und denk dran, so wie du einen echten Mord hast: Sofort mich anrufen.«

      »Ja, ja.« Edgar konnte es bald nicht mehr hören. Er startete seinen Wagen und fuhr davon. Überzeugt davon, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er erneut auf Adda Fried und eine weitere Leiche treffen würde.

      13 - Novemberluft

      Adda stand kerzengerade im Bett. Das Funkgerät! War da nicht gerade das Funkgerät angegangen? Schnell sprang sie aus dem Bett. In übertriebener Eile, hurtig wie der Wind, sprintete sie ins Wohnzimmer