Adda Fried. Angelika Nickel

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Название Adda Fried
Автор произведения Angelika Nickel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847662853



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sein. Zeigen, was sie konnte. Wie viel kriminalistischer Spürsinn in ihr steckte.

      Sie überlegte, ob sie vielleicht den Kommissar anrufen sollte? Nicht, dass er sie womöglich vergessen hatte. Doch im selben Augenblick fiel ihr ein, dass sie für heute zugesagt hatte, am Pommesstand auf der Mannheimer Oktobermess‘ zu helfen. Seufzend zog Adda die Schultern hoch, um sie auch gleich wieder sinken zu lassen. Also würde es heute wieder nichts mit einer Leiche werden.

      Adda frühstückte, anschließend packte sie zusammen, was sie später brauchen würde. Kurz danach verließ sie ihre Wohnung und lief zu Fuß zum Messplatz.

      Als sie an Fred Maiers Frittenbude ankam, winkte ihr Mathilde bereits schon zu.

      »Adda, schön, dass du’s nicht vergessen hast.«

      »Mathilde, du weißt doch, dass ich meine Versprechen halte.« Adda ging um den Wagen herum und betrat die Frittenbude, während sie sich umschaute, als suchte sie jemanden. »Wo ist denn Fred?«

      Mathilde winkte ab. »Im Krankenhaus.«

      »Im Krankenhaus? Ist er denn krank?« Bestürzung überschattete urplötzlich das Gesicht der älteren Dame. »Was fehlt ihm denn? Auf mich hat er immer einen total gesunden Eindruck gemacht. Nein, für krank hätte ich Fred niemals gehalten. Wird doch hoffentlich nichts Schlimmes sein.« Ihre Sorge war unverkennbar.

      Mathilde Maier schüttelte den Kopf. »Nee, der Manne, den hat’s erwischt.« Sie kramte ein Taschentuch aus ihrer Kittelschürze und schnäuzte sich.

      Adda machte große Augen. »Den Manne hat’s erwischt?« Das durfte doch nicht wahr sein! Ein Mord, und sie war nicht dabei. Und das auch nur ein paar Hundert Meter von da entfernt, wo sie wohnte! Unerhört!

      »Was war’s? Ein Messer oder ‘ne Knarre?«

      Überrascht hob Mathilde den Blick und schaute sie unverständlich an. »Messer oder …, was? Ich versteh nicht …«

      »Na das Tatwerkzeug. Das Ding, mit dem man Manne ermordet hat. Das Tatwerkzeug!«

      »Tatwerkzeug? Ermordet?« Mathilde schüttelte den Kopf. Was redete Adda da nur? »Sein Herz, es ist sein Herz«, flüsterte sie, und wieder schnäuzte sie sich.

      Adda atmete erleichtert auf, aber nur Mannes wegen, nicht etwa deshalb, dass es keine ermordete Leiche gab. »Ach, es war kein Mord?« Sie mühte sich, ihre Enttäuschung darüber, nicht allzu sehr heraushören zu lassen.

      »Mord? Nein! Wie kommst du nur darauf? Mannes Herz, es hat einfach schlappgemacht. Gerade, als er ein Ticket verkaufen wollte, wurde er ganz bleich und kippte um. Zum Glück war Fred dabei. Hat ihn sofort ins Krankenhaus gefahren. Ja, und da ist er noch. Sieht nicht gut aus, für den Manne.« Mit dem Taschentuch wischte sie die Tränen aus den Augenwinkeln.

      »Wenn’s nur das ist.« Adda ging auf sie zu. »Geh, wenn es dir hilft und sieh nach den beiden. Ich halte hier schon die Stellung.«

      »Wird dir das nicht zuviel? Du wärst die nächsten Stunden ganz auf dich alleine gestellt. Ich habe niemanden, den ich sonst noch dazu holen könnte.«

      »Hör mal, ich arbeite von morgens bis nachmittags in meinem Imbisswagen, muss zudem noch jeden Morgen mit der Bimmel, mit Brötchen und allem Möglichen bepackt, nach Käfertal fahren, dann noch eine ewige Strecke laufen … Da hab ich auch keinen, der mich unterstützt. Von daher, glaubst du allen Ernstes, dass ich da mit eurem Stand nicht klarkomme?«

      »Du hast ja Recht, Adda. Wie konnte ich nur so blöd fragen.« Sie zögerte immer noch, und ihr Blick ruhte weiterhin nachdenklich auf Adda. »Du bist ganz sicher, dass ich dich alleine lassen und gehen kann? Ich beeil mich auch mit dem Wiederkommen.«

      »Jetzt mach dich schon ab. Und hetz dich nicht. Ich krieg das schon hin.«

      Kurz danach verließ Mathilde Maier ihre Pommesbude und machte sich auf den Weg ins Krankenhaus.

      Adda richtete unterdessen so einiges, um einem etwaigen Ansturm gewachsen zu sein.

      Gegen Abend war Mathilde zurück. Die mittägliche Anspannung war von ihr gewichen. Das Krankenhaus hatte ihr und Fred mitgeteilt, dass Manne überm Berg war. Er musste zwar diese Nacht noch, zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben, morgen früh aber, konnte er dann allerdings schon wieder entlassen werden. Wie sich bei der Untersuchung herausgestellt hatte, war es nicht, wie anfänglich angenommen, ein Herz- sondern nur ein Schwächeanfall. Von daher gab es keinen weiteren Grund, sich um Manne zu sorgen.

      Kurz vor Messeschluss, bestellte ein älterer Mann eine Currywurst mit Pommes und ‘ne Coke.

      Adda bediente den Mann, nahm sich selbst eine Wurst und setzte sich zu dem Alten auf die Bank, der seinen gegenüber, und unterhielt sich mit ihm über den Tisch hinweg. Sie sah dem Mann an, dass er anscheinend nie großartig jemanden zum Reden hatte. Von daher tat sie dies gern, zumal sie ihre Pflicht und Schuldigkeit für heute an der Frittenbude getan hatte.

      »Ich bin Edgar«, stellte sich der Mann, zwischen Trinken und Kauen, vor.

      Adda neigte den Kopf. »Edgar, hm? Ich kenne auch einen Edgar. Ist ein Kommissar. Bist du auch ein Kommissar, Edgar?«

      »Bei Weitem nicht.« Der alte Mann winkte ab. »Bin Arzt gewesen, aber das ist schon lange her.« Er schob sich ein Stück Currywurst in den Mund. Pommes hinterher.

      »Dir schmeckt’s, wie?«

      »Ja, immer.« Edgar bestellte nochmals eine Coke. »Eigentlich darf ich die Dinger«, er zeigte auf die Fritten, und schlug sich gegen den Bauch, »gar nicht essen. Viel zu fettig.« Mit der Hand fuhr er seinen Bauch entlang. »Meine Bauchspeicheldrüse«, erklärte er ihr.

      Adda nickte. Sie glaubte, zu verstehen. Sie winkte Mathilde, dass sie noch eine Cola brauchte, stand auf und holte sie und stellte die Dose vor dem alten Mann ab.

      »Danke.« Edgar bezahlte die Cola, öffnete die Dose und trank. »Aber ich kann den Dingern einfach nicht widerstehen. Erst recht dann nicht, wenn sie so richtig schön braun, kross und knackig sind.« Er nahm sich erneut ein Gäbelchen mit Pommes. Mit vollem Mund, schwärmte er: »Ich mag dieses Zeug zum Sterben gern.«

      »Nun ja, sterben muss man deswegen ja nicht gleich«, antwortete Adda, und wunderte sich, dass Edgar, in seinem Alter, den Mund dermaßen vollstopfte, dass er schon fast nicht mehr kauen konnte.

      Edgar wollte antworten, aber … Plötzlich hustete er, fuchtelte mit den Armen wild in der Luft herum. Sein Gesicht verfärbte sich krebsrot, während er verzweifelt auf die Pommes und seinen Hals deutete. Kein einziges Wort, das er zu sagen versuchte, konnte Adda verstehen.

      »Was hast du nur, Edgar? Ich verstehe kein Wort.« Sie verfolgte besorgt das Herumhampeln des Alten.

      Edgar hustete noch schlimmer. Japste nach Luft.

      In ihren Blick zwängte sich die Panik des Schreckens »Edgar, du hast dich doch nicht etwa verschluckt?«

      Der Alte nickte verzweifelt, während die Geräusche, die er von sich gab, sich immer lebensbedrohlicher anhörten, und er mit beiden Händen auf den Tisch schlug, dabei fiel das Schälchen mit den Pommes zu Boden, doch das interessierte ihn in diesem Augenblick nicht.

      Adda sprang auf. Rannte um die Bank herum und klopfte Edgar heftig auf den Rücken. Sie rüttelte und zerrte an ihm. »Edgar, du musst den Finger in den Hals stecken, damit sich die Dinger lösen, oder du …« Mit all ihrer Kraft zog sie ihn von der Bank hoch. Mach bloß keine Zicken, du kannst mir doch nicht unter den Händen wegsterben. Der Schweiß brach ihr aus. Ihr Herz hämmerte, derartig strengte sie sich an. »Jetzt mach schon und spuck diese Pommes aus. Los, Mann, wehr dich und würg sie endlich raus«, schrie sie ihn an. »Scheiße, Scheiße, Scheiße, Edgar, tu jetzt endlich, was ich sage! Du kannst mir doch nicht unter den Händen wegsterben.« Ihre Worte waren durchzogen von hysterischem Gekrächze.

      Edgar keuchte, seine Beine knickten ein. Er sackte ihr unter den Händen weg, und fiel dabei vor ihr auf die Knie, um gleich darauf, zur Seite hin, wegzusacken.

      »Mein