GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY. Heinrich Düllmann

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Название GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY
Автор произведения Heinrich Düllmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636335



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niedrige Eintrittspreise anboten.

      Dieser Einschnitt ins Theaterleben und die Forderung von Carlos, seichtere Stücke zu spielen, machte mir sehr zu schaffen, sodass ich in den ersten Monaten nicht mehr schreiben wollte und konnte. Mir war jede Inspiration und Kraft abhandengekommen. Ich sehnte mich nach Mut und Kreativität, um einen Ausweg zu finden und zu wagen.

      Ich hatte mich Carlos gebeugt, weil ich mir ein Leben ohne Theater und ohne Bea nicht vorstellen konnte. Die Konsequenzen dieser Entscheidung bekam ich jedoch mehr und mehr zu spüren. Denn wenn du dich einmal gebeugt hast, dann bist und bleibst du angreifbar und anfällig. Da kannst du dir noch so viel schönreden, was ich auch getan habe und noch tue. Du sagst dir dann, dass es ja nur vorübergehend sei. Irgendwann kannst du wieder die Stücke auf die Bühne bringen, die deinen Ideen, Vorstellungen und Visionen entsprechen. Irgendwann kannst du dich von Carlos befreien und mit Bea eine neue Zukunft planen. Irgendwann …

      Aber dieses Denken macht dich schizophren. Auf der Bühne ist alles so einfach. Du zeigst Typen, die sich sogar gegen größte Widerstände nicht fremd bestimmen lassen, die mutig, manchmal todesmutig ihre Überzeugung vertreten. Und dann kommt der Augenblick, wo du als Mensch, nicht als Theaterdirektor, gefordert bist, wo du dich wehren, wo du Farbe bekennen musst und dich nicht einfach der Angst ergeben darfst. Und was passiert? Du ziehst den Schwanz ein und wirfst deine Überzeugungen über Bord. Du hast nicht mehr die Kraft, entschlossen Nein! zu sagen oder nach neuen, vielleicht riskanten Lösungen zu suchen. Du flüchtest ins innere Exil und suchst Befriedung in weniger interessanten und anspruchsvollen Dingen. Du gibst dich jetzt sogar mit den kleinen Freuden des Lebens zufrieden und wirst beruflich sehr bescheiden.

      Ohne Bea jedoch wäre dieses Leben unerträglich.

      DROGENKURIER

      Wenige Kilometer nach Hernandarias halte ich an, um die Ladung zu kontrollieren, die mir von Carlos‘ Leuten übergeben wurde. Der Kofferraum ist mit sechs verschieden großen Paketen gut gefüllt. Sie sind offen, nicht zugeklebt. Bei der Übergabe sagte man mir, dass sich diesmal Fußballhandschuhe darin befinden würden, dessen Marke auch der paraguayische Nationaltorwart Villas trägt. Ich schaue hinein, um bei einer möglichen Kontrolle auch Auskunft geben zu können. In den vier großen Paketen befinden sich die Torwarthandschuhe der Firma Reusch, in den anderen sind von der gleichen Firma Minihandschuhe, sogenannte Keon Deluce, in denen USB-Sticks enthalten sind. Wie bei meinen bisherigen zehn Fahrten mache ich mir auch diesmal keine großen Gedanken darüber, wie viel Rauschgift ich transportiere.

      Jedes Mal waren es andere Gegenstände: Verbandskästen, Werkzeugkisten, Weinkisten und Matepakete. Für den Fall der Fälle fühle ich mich aber heute für eine mögliche Kontrolle besonders gut gerüstet, da ich mich im Fußball auskenne und die fußballverrückten Paraguayer ihren Nationaltorwart geradezu anhimmeln, besonders wegen seiner starken Leistung im letzten Länderspiel, das sie gegen Argentinien sensationell gewinnen konnten. Über diesen historischen Sieg würde ich mit den Polizisten emotional plaudern und ihnen auch noch einen, nicht infizierten, Keon Deluce schenken.

      Ich bin ganz sicher, dass ich so ungehindert weiterfahren könnte.

      Während der Fahrt denke ich besonders an die ersten beiden Touren zurück, in denen ich vor Angst fast gestorben wäre. Wenn ich nur Polizei sah, und die sieht man dauernd in Paraguay, begann ich schon zu schwitzen. Wenn ich dann auch noch von der Verkehrspolizei angehalten wurde, was bei Fernfahrten mehrmals am Tag passieren kann, bekam ich Magenkrämpfe. Ich fühlte mich, als ob ich vor Angst in die Hose gemacht hätte, mein Kopf glühte, und ich glaubte, dass der Polizist mein rasendes Herz schon von Weitem hören müsste. Aber glücklicherweise wollte die Polizei immer nur dasselbe: einen angemessenen Geldschein für unkontrolliertes Weiterfahren.

      So hatte ich, wie früher auch, immer einen zusammengefalteten Schein parat, den ich unter die verlangten Autopapiere legte. Der Polizist fühlte ihn, blickte kurz und unauffällig auf den Wert des Scheines und gab mir die Papiere wieder zurück, um mich dann höflich zum Weiterfahren aufzufordern.

      Ab der dritten oder vierten Fahrt war die Angst fast verflogen und die Kurierdienste verliefen problemlos, nie war ich wegen meiner brisanten Ladung in Schwierigkeiten gekommen. Ich hatte mich daran gewöhnt und schon nach kurzer Zeit mein Unrechtsbewusstsein verloren. Der Kurierdienst war, wie das tägliche An- und Ausziehen, Rasieren oder Essen, selbstverständlich geworden. Ich hatte die möglichen Konsequenzen meines Tuns verdrängt und tat, was ich schon immer getan hatte, einmal im Monat nach Hernandarias zu fahren, dort zu unterrichten und wieder nach Villarica zurückzukehren.

      Wenn ich an den Umbruch meines Lebens mit den schwerwiegenden Konsequenzen dachte, dann geschah das – je länger der Zustand andauerte – ohne Gefühlsregung, fast wie eine sachliche, unabwendbare Tatsache.

      Aber jetzt plötzlich brodelt es mir. Es melden sich Schuldgefühle und schnüren mir die Kehle zu, sodass ich mich ständig räuspern und mir an den Hals fassen muss. Ich trinke etwas, aber es wird nicht besser. Ich hatte geglaubt, mich mit dem Unabwendbaren gut arrangiert zu haben, sodass es eigentlich keine gravierenden Störungen hätte mehr geben dürfen. Schon lange hatte ich die Enttäuschung abgelegt, nicht mehr alle gewünschten Stücke auf die Bühne bringen zu können. Ich hatte mein Leben und meine Arbeit neu organisiert und neue Zufriedenheit getankt. Was konnte ich unter diesen Bedingungen auch anderes erwarten?

      Doch nun bleiben meine Gefühle nicht mehr unter dem Deckel, der Druck wird aus unerklärlichen Gründen plötzlich so groß, dass sie aus dem Topf herausschäumen. Ich versuche, dagegenzudenken, beschwichtige die Gefühle mit den sogenannten Notwendigkeiten des Lebens. Ich verteidige meine Lügen und versuche alles, um meine faulen Kompromisse irgendwie zu rechtfertigen. Aber es klappt nicht! Der Deckel scheint vom Topf geflogen zu sein, denn es kocht ununterbrochen in mir und es schmerzt entsetzlich.

      Ich halte an. Mein ganzer Körper zittert. Ich sitze einfach nur so da und lasse alles wehrlos über mich ergehen. Ich weiß nicht, wie lange es weiterkocht, aber irgendwann lassen die Gefühlsausbrüche nach, die mich willenlos in den Sitz gedrückt oder auf den Lenker geworfen haben. Vielleicht sind die Gefühle wieder eingefangen, der Deckel wieder aufgesetzt und das Gas abgestellt worden. Auf jeden Fall werde ich ruhiger. Ich atme mehrmals tief durch und spüre Entlastung. Ich steige aus, um mich durch Bewegung und frische Luft von den Gefühlsausbrüchen zu erholen, die ihre wütende Kraft verloren haben. Doch ein Gefühl hat sich in einen Gedanken verwandelt, der sich hartnäckig in meinem Kopf festsetzt. Bea ist nicht ehrlich. Sie täuscht dich. Carlos steckt dahinter. Wäre sonst alles so glatt verlaufen?

      Natürlich wehre ich mich gegen diesen unglaublichen Vorwurf, natürlich versuche ich mit aller Macht, diese innere Stimme zu verdrängen, aber es gelingt nicht, weil dieser Verdacht ja auch nicht hundertprozentig von der Hand zu weisen ist. Dennoch hoffe ich, mich davon in meinem Verhalten zu Bea nicht beeinflussen lassen.

      Das kann doch nicht wahr sein! Das darf einfach nicht wahr sein!, hämmere ich mir immer und immer wieder ein, um Ruhe zu bekommen.

      Es sind inzwischen einige Wochen vergangen, die mich und meine Liebe zu Bea verändert haben. Diese Liebe hat einen Riss bekommen, weil ich ihr nicht mehr so unbelastet und unvoreingenommen wie früher gegenübertreten kann. Es ist, als ob meine Augen und Ohren vom Gefühl dieses unerhörten Verdachtes getrübt seien. Unsere Beziehung ist stressiger geworden, weil mich Kleinigkeiten plötzlich aufregen und zu Streitereien führen.

      Auf der Fahrt noch hatte ich mir geschworen, diesen Verdacht anzusprechen. Aber ich konnte nicht, mir fehlte der Mut, Fragen lähmten mich. Was, wenn es stimmte? Würde dann nicht alles zusammenbrechen? Und wenn es nicht stimmte?

      Ich hatte einfach Angst, es anzusprechen. Ich hatte mir Aufschub verordnet, hoffte auf den einen günstigen Moment …

      Ich konnte und kann mir ein Ende unserer Beziehung überhaupt nicht vorstellen, weil ich Bea mit Haut und Haaren verfallen bin. Ich kann nicht von ihr lassen, auch wenn das unbedingte Vertrauen zu ihr verloren gegangen ist. Ich brauche sie und bin trotz allem glücklich mit ihr. Über alles andere will und kann ich nicht mehr nachdenken.

      Und so wird jeder zweifelnde Gedanke sofort und unerbittlich