GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY. Heinrich Düllmann

Читать онлайн.
Название GEFÄHRLICH VERLIEBT IN PARAGUAY
Автор произведения Heinrich Düllmann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847636335



Скачать книгу

in denen wir uns außerhalb des Theaterlebens begegnen können, bleiben weiterhin sehr begrenzt. Wir sprechen jetzt zwar intensiver und offener miteinander, dennoch haben wir noch keine befriedigende Lösung für unsere Zukunft gefunden. Dafür genießen wir die kurzen Momente des Beisammenseins ausgelassen und können es gar nicht erwarten, bis sich wieder eine neue, meist spontane Gelegenheit bietet. Es sind immer wieder bezaubernde und glückliche Augenblicke, in denen wir uns wie auf einen anderen Stern katapultiert und der Alltäglichkeit völlig entrückt fühlen. In dieser Alltäglichkeit jedoch werden wir zerrissen, weil wir uns und unsere Liebe zueinander in der Öffentlichkeit verleugnen müssen. Bisher waren wir immer nur Stunden allein beieinander, um uns nicht verdächtig zu machen. Weder im Theater noch in der Rosa Villa können wir sicher sein, nicht verraten zu werden.

      Wie glücklich waren wir, als Bea erfuhr, dass Carlos für eine Woche in den etwa achthundert Kilometer entfernten Chaco fahren würde. Wir wollten zwar in diesen Tagen auch vorsichtig sein, uns aber mehr Zeit als sonst füreinander nehmen, um uns endlich einmal unbeschwert zu vergnügen und uns ein bisschen besser kennenzulernen. Wir verabreden uns zu einem günstig erscheinenden Zeitpunkt.

      Wir sind im Schlafzimmer, liegen unbekleidet ohne Decke auf dem Bett und lieben uns. Plötzlich geht die Tür auf und drei Personen poltern ins Zimmer. Wir schrecken auf, lösen uns abrupt aus unserer Umarmung und starren in den Raum. Wir sehen Carlos und zwei hünenhafte Männer, die ihn rechts und links eskortieren.

      Seine tiefe Stimme donnert uns an. »Erwischt, ihr Hurenpack! Ich werde euch zeigen, was es bedeutet, den Don zu hintergehen!«

      Wir sitzen zitternd vor Angst im Bett und pressen uns ganz fest aneinander.

      Carlos schaut auf Bea und schreit sie an: »Ich will dich nie wieder sehen! Du hast mich betrogen! Das verzeihe ich dir nie!«

      Inzwischen sind die beiden Muskelprotze an die Bettseiten gekommen und reißen uns auseinander. Carlos geht an die Seite von Bea.

      Nach seinem Tobsuchtsanfall hat er sich etwas beruhigt und er spricht jetzt mit fast melancholischer Stimme. »Was habe ich nicht alles für dich getan, Bea? Ich habe dich aus dem Sumpf der Armut geholt, dir ein Leben in Luxus ermöglicht, dir große Freiheiten gegönnt, die ich meinen anderen Frauen so nie gewährt habe. Du konntest Sprachen lernen, Schauspielunterricht nehmen, Freundinnen einladen und, und, und … Ach!« Von einem Moment zum anderen verändert er sich wieder, wahrscheinlich wird ihm der Anflug von Sentimentalität bewusst, die er nun ganz und gar nicht an sich leiden kann. Er richtet sich wieder machtbewusst auf und erhebt seine Stimme, die wie ein Keulenschlag wirkt.

      »Hau ab! Und das ganz schnell, bevor ich mich vergesse. Ich lasse dich leben, weil du viel für mich getan hast. Du kannst machen, was du willst, aber verschwinde jetzt! Hau ab!«

      Der Bodyguard packt sie und wirft sie auf den Boden.

      Bea richtet sich auf, blickt auf Carlos und fleht ihn an: »Was ist mit Richi? Lass ihn doch auch frei, er hat doch überhaupt nichts getan!« Sie will zu mir rennen, doch das Muskelpaket nimmt sie einfach unter den Arm. Sie wehrt sich mit Händen und Füßen und schreit:

      »Lass ihn frei, lass ihn frei!«

      Doch der Bodyguard lässt sich auch von ihrem Fuchteln und Strampeln nicht beeinflussen, sondern schnappt sie noch fester und wirft sie in hohen Bogen durch die Tür, sodass sie vor Schmerz laut aufschreit.

      Carlos ruft ihr höhnisch hinterher: »Jetzt werde ich mich um deinen Geliebten kümmern! Verschwinde, bevor ich es mir doch noch anders überlege!«

      Ich versuche ihr zu folgen, doch der andere Hüne packt mich so hart, dass auch ich vor Schmerz aufschreien muss und nicht von der Stelle komme.

      »Zu spät, mein Lieber, das hättest du dir vorher überlegen sollen. Mit meiner Frau ins Bett zu gehen, das ist sehr gefährlich, du hinterhältiger Ehebrecher«, reagiert er genüsslich auf meinen Ausreißversuch.

      »Deine Frau? Dass ich nicht lache. Du hast ihr doch schon lange alle Gefühle abgetötet, du Barbar!«

      »Halt die Klappe, Theaterling. Sie war meine Frau, mein Besitz! Und was mir gehört, das gehört mir und steht nicht zur Disposition!« Er knallt mir die Worte brüllend an den Kopf und gibt dabei seinem Bodyguard einen Wink, der sofort handelt und mir einige schmerzhafte Ellbogenchecks verpasst.

      Carlos steht jetzt vor dem Bett, die Hände in die Hüften gestemmt und die Ellenbogen dabei weit abgewinkelt. Den Bauch hat er eingezogen, sodass der eher kleine Mann viel größer und noch furchterregender erscheint. Er wippt mit den Zehenspitzen und ein dreckiges Grinsen legt sich über seine Visage. Er genießt es, seine Worte wie einen guten Wein durchzubeißen, in jedes Wort so viel Bösartigkeit zu legen, dass mir schon der Klang seiner Stimme wehtut und mich im Innersten aufwühlt. Er zelebriert geradezu seine Hässlichkeit. Es scheint einstudiert, denn der Rhythmus der Sprache wird durch gezielte Stöße und Schläge des Leibwächters auf meinen Körper gespielt.

      »Theaterling«, redet er mich wieder zynisch an und legt seine ganze Abneigung in dieses eine Wort. »Theaterling, hier spielt das Leben, nicht auf deiner Bühne. Bei dir ist Blabla, bei mir sprechen die nackten Tatsachen. Und Tatsache ist, dass du sterben wirst! Aber bei einem wie dir kann man es ruhig ein bisschen dramatisch machen. Sterben – das kannst du auch noch später. Heute will ich Gnade vor Recht ergehen lassen, denn schließlich bin ich kein Unmensch. Wenn du mir nützlich bist, kannst du weiterleben wie bisher, von mir aus auch mit meiner Hure Bea. Sie ist sowieso für mich gestorben. Hast du mich verstanden, Theaterling? Schau mich an!«

      Ich hebe meinen gesenkten Kopf.

      »Hast du verstanden. Theaterling? Solange du mir nützlich bist, schieben wir einfach deinen Tod noch ein wenig hinaus. Das gefällt dir doch sicherlich, nicht wahr?« Er verzieht seine Visage zu einer furchterregenden Fratze und blickt mich genüsslich an. »Aber bei mir gibt es nichts umsonst. Zwei Dinge verlange ich von dir. Erstens, du hörst sofort mit den sozialkritischen Stücken auf, mit denen du die Tagelöhner gegen uns Großgrundbesitzer aufwiegelst. Ich bestimme ab sofort, was im Theater gespielt wird. Ist das klar?«, donnert er mir entgegen, um dann leise, aber scharf fortzufahren: »Wenn nicht, Theaterling, dann lasse ich dein Theater in Flammen aufgehen!« Er blickt mich konzentriert an und zeigt mir dann pantomimisch, wie ein großes Feuer aufflammt. Er spürt meine Fassungslosigkeit und wiederholt die Gesten nochmals.

      »Zweitens: Du wirst für mich Drogenkurier.«

      Ich schrecke auf und will zu einem Protest ansetzen, den er aber mit einer schnellen Handbewegung unterbindet. »Keine Angst, es ist ein ganz einfacher Job. Einmal im Monat fährst du doch nach Hernandarias, um dort zu unterrichten. Das passt mir gut. Du bringst mir einfach auf der Rückfahrt jedes Mal etwas mit, das mir Freunde aus Brasilien schicken. Wie das funktioniert, erfährst du immer kurz vorher über Handy. Mehr hast du nicht zu tun.«

      Hämisch setzt er noch eins drauf: »Es ist doch eine sehr, sehr kleine Dienstleistung, wenn ich bedenke, was du mir angetan hast!«

      Der Drangsalierer hat aufgehört, mich zu peinigen. Trotz starker Schmerzen kann ich noch klar denken und ermessen, worauf ich mich einlassen würde. Doch bevor ich weiter überlegen kann, setzt Carlos seine Rede ganz sachlich fort.

      »Nur so nebenbei, es lohnt sich nicht, mich zu hintergehen oder zu täuschen oder gar zu betrügen. Das klappt nicht! Viele haben diesen Versuch schon mit dem Tod bezahlt. Willst du unbedingt auch zu denen gehören? Also versuche es erst gar nicht! Ich habe meine Augen und Ohren überall. Du hängst doch an deinem Leben, nicht wahr?« Er macht eine Pause und schreit mich dann an: »Ja oder nein? Bedenkzeit kriegst du nicht.« Er genießt meinen entsetzten Blick in dieser ausweglosen Lage.

      »Ja oder nein!«, schreit er erneut.

      »Ja, aber nur, wenn du Bea endlich in Ruhe lässt und wir ungestört zusammenleben können, ich liebe sie nämlich.«

      Er muss dem Bodyguard wieder irgendein Zeichen gegeben haben, denn ich kassiere erneut einen festen Stoß in die Rippen.

      Carlos sagt emotionslos mit tiefer Stimme: »Diese kleine Strafe war für deine Frechheit, mit mir handeln zu wollen. Dann