DIE REICHE VON ITHOR. Martin Cordemann

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Название DIE REICHE VON ITHOR
Автор произведения Martin Cordemann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750230354



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war es auch zu großen Teilen. Er musste unendliche Qualen erlitten haben, bevor ihn ein gnädiger Tod endlich zu sich genommen hatte. Von ihm würde er nichts mehr erfahren, dachte Ron, doch dann sah er, dass er sich geirrt hatte. Der flackernde Schein des Feuers gab das Geheimnis des Mönchs nur zögerlich frei. Ron rieb sich die Augen. Wieder und wieder. Langsam fuhr er mit der Fackel an der Wand entlang. Der sterbende Mönch hatte dort etwas hinterlassen. Er musste seine letzte Kraft aufgewendet haben, um diese Worte an die Felsen zu schreiben, Worte, die Ron Schwert kannte. Sie stammten fast alle aus der Ersten Schriftrolle, aus dem Text über die Vertreibung der Götter. Fast alle, bis auf die letzten. Die letzten stammten offensichtlich von dem Mönch selbst – und sie waren es, die Ron Angst machten.

      An der Wand stand, in der krakeligen, von Schmerzen verunstalteten Schrift des Mönchs:

       DHER GHOTT DHES VEUERS SPIEH VLAMMEN AUHS SEIHNEN HÄNDEN UNDT STHEIN SCHMOHLZ, ALS WÄHRE EHS BUTTHER IN DHER SONNE – es ist wahr, ich habe es gesehen!

      Kapitel 5

      Ron starrte noch immer auf die Schrift an der Wand. Das Flackern der Fackel ließ sie noch eine Spur unheimlicher erscheinen. Es war wie die Stimme eines Toten, die ihm sagte, die Götter seien zurückgekehrt, um sie alle zu vernichten. Er musste schlucken. Ein großer Kampf stand ihm bevor. Ein Kampf… in seinem Innern. Bei dem der Verstand, all das, was er von Kindes Beinen an gelernt hatte, die Schlacht gegen Mythen und Sagen gewinnen musste. Das war das Knifflige daran, wenn man in dem Glauben aufwuchs, dass es keine Götter gab – weil man sie erschlagen hatte. Denn wenn man sie erschlagen hatte, hatte es vorher welche gegeben, also gärte der Glaube, dass es sie vielleicht doch geben könnte, irgendwo tief in ihm. Oder war es nur… eine Möglichkeit? Jedenfalls schloss er es nicht sofort aus, dass die Schrift an der Wand die Wahrheit wiedergeben mochte. Eine schreckliche Wahrheit, wie er fand. Denn sollte sie der Wirklichkeit entsprechen, und sollten die Mythologien und Legenden seines Volkes der Wirklichkeit entsprechen, dann wären die Götter nicht zurückgekehrt, um sie für ihr tolles Leben zu belohnen, sondern um sich für das zu rächen, was ihnen die Vorfahren der Kelldorianer angetan hatte.

      Kell-dor, Mörder Gottes, wie eine alte Schriftrolle vermittelte. Vielleicht hätten sie ihre Tat gegenüber den Göttern nicht in dem Namen anpreisen sollen, den sie für ihr Volk gewählt hatten. Wäre er an Stelle der Götter gewesen, er hätte ebenfalls Rache geschworen… wenn es sie denn gab. Und genau das galt es herauszufinden.

      Langsam übernahm sein Verstand wieder sein Denken. Auch das hier konnte ein Trick sein, eine Finte, eine Waffe. Die Angst zu verbreiten, dass die Götter zurückgekehrt wären, um den Feind allein durch diese Furcht zu schwächen. Wenn es denn so wäre, wäre das ein genialer Plan. Doch ein Plan, den es zu durchkreuzen galt, bevor man ihn in bewohnteren Gebieten umsetzen konnte, wo sich die Gerüchte schneller verbreiteten.

      Ron hatte die Waldgrenze abgesucht, aber keinerlei Spuren gefunden. Er vermutete, wohin auch immer diejenigen, die das Kloster zerstört hatten, geflohen waren, sie waren nach Norden gegangen. Dort würde er nach ihnen suchen, Götter oder nicht. Er würde sie aufspüren, er würde nach einer Streitmacht schicken lassen und er würde sie vernichten. Doch zunächst galt es, sie zu finden.

      Er ritt hinauf über den Pass, von dem es eine Schlucht in den Norden gab… und blieb mit offenem Mund stehen. Eine Lawine hatte die gesamte Schlucht unter sich begraben. Das musste der Donner gewesen sein, den er vor einiger Zeit gehört hatte. Eine gewaltige Schneemasse, die ihm den Weg versperrte. Hier gab es kein Durchkommen, nicht in den nächsten Monaten. Wenn er in den Norden wollte, musste er das Eisgebirge umrunden, doch dazu reichten seine Vorräte nicht aus.

      Ein Vogelschrei riss ihn aus seinen Gedanken. Der Schatten des Flugtiers verdüsterte die Sonne und ihm war, als würden riesige Flügel die Luft durchschneiden. Als er aufblickte, sah er jedoch nur einen kleinen Vogel, der dicht über ihm kreiste und ihn mit weniger und weniger Interesse anstierte, bevor er davon flog, wobei er noch einmal diesen merkwürdigen Laut ausstieß, den Ron zuvor gehört hatte. Er kannte die Vogelart. Wegen genau dieses Geräusches, an dem man sie erkennen konnte, nannte man sie „Drachenfinken“… und mit einemmal wusste er, was hier geschehen war.

      „Oh mein…“ entfuhr es ihm. Was mit dem Kloster passiert war, war das Werk eines Draaken oder Drachen, wie er in manchen Regionen genannt wurde. Ein sagenumwobenes Tier, das dereinst auf ihrer Welt gewandelt und sich dann in einen tiefen Schlaf gelegt haben sollte, weil die Menschen es gejagt und… erschlagen hatten, ja, das schien irgendwie ein fester Bestandteil seines Volkes zu sein. Nur, dass die Drachen in allen Legenden erschlagen worden waren. Einer seiner Urahnen war ein Jens Drachentöter gewesen, so hieß es jedenfalls. Aber vielleicht waren diese Legenden falsch? Vielleicht hatte es Überlebende gegeben, die sich für einen Jahrhunderte währenden Winterschlaf in die Berge zurückgezogen hatten? Und nun war einer von ihnen erwacht.

      Ron musste lächeln. Mit einemmal ergab alles einen Sinn! Draaken konnten Feuer speien und damit Stein zerfließen lassen. Draaken konnten fliegen, also würden sie keine Spuren auf dem Boden hinterlassen. Und Draaken hassten die Menschen, also würden sie nicht zögern, sie zu vernichten, wenn sich ihnen die Gelegenheit bot.

      Schwert seufzte. Das war eine soviel bessere Erklärung als die, dass die Götter zurückgekehrt waren. Sicher, er war sich bewusst, dass er nur eine Legende gegen eine andere ausgetauscht hatte, aber die mit den Draaken erschien ihm soviel glaubwürdiger. Sie würden eine Armee aufstellen, um den Draaken zu töten, ja, das war etwas, mit dem man im Volk den Mut zum Kampf schüren konnte – und nicht die Angst vor irgendwelchen Göttern, die zurückgekehrt waren. Aber bevor sie sich für den Kampf gegen die Feuer speienden Monster rüsteten, musste er erst einmal herausfinden, wo diese zu finden waren. Doch das würde wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen.

      Ron seufzte ausgiebig, warf noch einen letzten Blick auf die versperrte Schlucht, dann ritt er langsam zurück zum Kelldorianischen Stützpunkt.

      Zu ihrer Linken konnten sie das Kap des Verderbens sehen, die südlichste Spitze von Vant. Auch wenn es ein sonniger Tag war und die See sich von ihrer besten Seite zeigte, so wusste Stan Kapitän aus Erfahrung, dass die Reise ums Kap nicht so leicht war, wie es das Meer einen an Tagen wie diesem glauben machen wollte. Viele Schiffe waren dort zerschellt, die Felsklippen voll von morschem Holz verfaulender Schiffskadaver, die hier ihr Ende gefunden und dem Kap seinen Namen gegeben hatten. Die Reise nach Kapstadt, für die man das Kap erst besiegen musste, stand heute nicht auf ihrer Tagesordnung, auch, wenn er sie schon mehrmals unternommen hatte.

      Er hatte viele Meere bereist und war ein erfahrener Seemann. Er kannte sich gut aus. Gerade hatten sie das Flackernde Leuchtfeuer passiert, das auf der Westseite der Südspitze Vants auf das Kap hinwies. Auf der Ostseite gab es das Stetige Leuchtfeuer, und zwischen ihnen Kapstadt. Es waren Zeichen, an denen man sich als Seemann orientieren konnte.

      Sie ließen die Westküste von Kelldor hinter sich und schipperten geradewegs nach Süden. Wären sie, wie er es schon oft getan hatte, der Küste gefolgt und hätten in Richtung Osten das Kap umrundet, würden sie schon bald die Türme von Kapstadt erspähen und den fauligen Geruch der Metropole riechen, der weit über das Meer trieb und bei Nebel ein besseres Orientierungsmittel war als die beiden Leuchttürme. Und wenig später hätten sie auf diesem Kurs die Insel des Spuckenden Feuers rechts vor sich…

      Der Kapitän sah Richtung Osten. Der Himmel war klar und blau, aber irgendwo direkt hinter dem Horizont hing eine kleine dunkle Wolke in der Luft. Dort befand sich die Vulkaninsel. Bei Tag war es eine gute Navigationshilfe, bei Nacht, wenn man von Süden kam und man vor sich das Flackernde Leuchtfeuer und rechts von sich den dünnen Feuerschein sah, dann wusste man, dass man zu Hause war, in Kelldor.

      …und wenn sie sie mit ihren Feuerspeienden Bergen zu ihrer Rechten hatten, konnten sie die Südspitze Vants umrunden und an der Ostküste entlang weitersegeln nach Norden, bis man zur Pyramidenstadt mit ihren acht Pyramiden kam, deren Funktion noch niemand entschlüsselt zu haben schien. Von dort war er schon mehrfach mit dem Lord Botschafter und seiner Dame des Schwertes nach Savaan im Osten gereist, wo sie mehrfach die Glocke der Trunkenheit geläutet hatten, ebenso wie die Glocke des Katers und die Glocke der Morgendlichen