DIE REICHE VON ITHOR. Martin Cordemann

Читать онлайн.
Название DIE REICHE VON ITHOR
Автор произведения Martin Cordemann
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783750230354



Скачать книгу

erschreckte. Wenn jemand eine solche Waffe besaß, dann…

      Er sah sich um.

      …musste er sie irgendwie hierher befördert haben. Etwas, das ein solches Feuer erzeugen konnte, musste riesig sein. Man hätte eine Schneise durch den Wald schlagen müssen, um es bis an das Kloster heran zu bringen.

      Wieder lief er über die kargen Hügel. Bis hinunter zur Baumgrenze. Suchte alles ab. Doch er fand nichts. Nichts, das auf die Existenz eines riesigen Gefährtes schließen ließ. Betrübt ging er zurück zu den Überresten des Klosters. Er musste sich eingestehen, dass er nichts herausgefunden hatte. Er wusste lediglich, was nicht passiert war. Er wusste nichtmal, ob alle Mönche gestorben waren, oder ob sie… Ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Vielleicht hatten sie das Kloster ja verlassen, bevor passiert war, was auch immer hier passiert war. Vielleicht hatten sie sich in Sicherheit bringen können. Oder man hatte sie gefangen genommen? Wenn es so war, dann musste er sie finden, denn nur sie konnten ihm Aufschluss darüber geben, was hier passiert war. Wenn sie nicht alle in einen tiefen Schlaf gefallen waren, wie der Mann, den sie aufgenommen hatten…

      Ron Schwert blieb stehen. War er da gerade auf das Warum gestoßen? War all das vielleicht wegen dieses Mannes passiert? War er… ein Gott, der sich krank gestellt hatte, um in die Mauern des Klosters zu kommen und hatte dann mit seiner göttlichen Kraft alle getötet? War er auf der Flucht vor den Göttern, und sie hatten ihn bis hierher verfolgt? Oder war er lediglich jemand, der zuviel gesehen hatte, von einer feindlichen Streitmacht mit einer phantastischen Waffe, und man hatte ihn ausgeschaltet, damit er sein Wissen nicht mit anderen teilen konnte? Es gab viele Möglichkeiten, aber Ron war zu müde, um sie alle im Geiste durchzuspielen. Er suchte sich eine kleine Höhle und schlug sein Quartier für die Nacht auf. Am nächsten Morgen würde er weitersuchen.

      In der fernen Sommerresidenz hatte König Zweitgeborn derweil eine Nachrichtenmöwe von Ron Schwert erhalten. Er war gerade dabei, seinen Dienern dabei zuzusehen, wie sie sein Gepäck in die Fuhrwerke verluden, denn in Zeiten, in denen Schiffe ohne Besatzung vor ihrer Küste auftauchten, war es vielleicht besser, wenn sich der König in der Hauptstadt aufhielt, als die Möwe sie erreichte und ihm einer seiner Untergebenen, Hans Möwenträger, die Nachricht brachte, die die Möwen über hunderte von Meilen transportiert hatten. Schwert schlug vor, ein Schiff zum Seevolk zu schicken, um die Lage zu erkunden. Es sollte herausfinden, ob von dort Gefahr ausging – oder ob das Volk überhaupt noch existierte. Der König nickte zustimmend (der Schriftrolle in seiner Hand zu) und ließ nach dem Kapitän des schnellsten Schiffes schicken.

      Wenig später betrat Stan Kapitän (geborener Stan Seemannsssn, aus dem Stan Schiffsjunge, Stan Kadett, Stan Maat, Stan Smutje, Stan Fähnrich, Stan Leutnant, Stan Degradierter Fähnrich und letztlich doch noch Stan Kapitän geworden war) die Residenz. Der König trug ihm vor seiner Abreise in die Hauptstadt auf, eine Reise in den Süden zu machen und herauszufinden, was sich dort tat, aber ohne Aufsehen zu erregen, am besten, ohne gesehen zu werden. Dann reiste er mit seinem Gefolge ab – und das Schiff des Kapitäns lief in der Mittagsstunde des nächsten Tages aus, einer ungewissen Zukunft entgegen.

      Von der obersten Zinne der Sommerresidenz, das wusste Anna Schwert, denn sie war einmal an ihr empor geklettert, konnte man die weißen Gipfel der Eisernen Berge sehen, wenn man nach Südosten blickte. Es war ein großes Gebirge, das Vant ebenso zwischen Nord und Süd trennte, wie es die Große Mauer viele Meilen weiter im Norden tat.

      Jenseits des Gebirges sollte alles grün sein, hatte sie gehört. Dort gab es Felder, fruchtbare Böden, Wälder, Seen, Flüsse und Burgen. Es musste eine wunderbarer Anblick sein, stellte sie sich vor. Von den Füßen der schneebedeckten Berge bis hin zur Mauer, von der Westküste bis zur Ostküste. Sie seufzte. All das lag in weiter Ferne und fühlte sich unerreichbar an. Denn sie befand sich an der Südöstlichen Küste Kelldors, ließ sich die heiße Sonne ins Gesicht scheinen und genoss den Anblick der Pyramiden.

      Sie waren vor Urzeiten errichtet wurden, warum, darüber gab es viele Geschichten. Als Basis für einen Turm, der bis zum Himmel reichen sollte. Als Zeichen für die Götter, dass ihre Zeit abgelaufen war, da sie gemeinsam eine Warnung an sie boten, die man aber nur vom Himmel selbst aus erkennen konnte und die den normalen Menschen somit auf ewig unsichtbar bleiben würde. Vielleicht auch als riesige Grabmähler für Fürsten, denen es im Tod besser gehen sollte als ihren Untertanen im Leben. Niemand schien es zu wissen – und es war zu heiß, um der Frage wirklich nachzugehen.

      Von ihrem jetzigen Standpunkt aus konnte sie die Berge, selbst wenn sie sich auf die Fußspitzen stellte, die Augen zusammenkniff und ganz angestrengt nach Norden blickte, nicht sehen, dafür waren sie einfach zu weit entfernt. Oft träumte sie davon, die Wüste zu verlassen, die Gebirge zu bewältigen und dann endlich die Grünen Weiten mit eigenen Augen zu erblicken. Wie mochte das sein, Grün, so weit das Auge reichte? Das gab es hier nicht. Sie hatte noch nie so viel grün gesehen. Ihre Welt wurde bestimmt von der Farbe des Sandes und hier und da ein wenig Rötlichkeit. Weites Grün gab es nur hin und wieder mal, wenn das Meer diese Farbe angenommen hatte, aber es war ein anderes Grün als das der Felder, nahm sie an. Felder und Wälder, so weit das Auge reichte. Unvorstellbar.

      Sie blickte noch einmal gen Norden, dann machte sie sich an den Abstieg. Sie war eine Kriegerin, wie so viele Frauen in Kelldor, und sie hatte Aufgaben zu erfüllen.

      Am nächsten Morgen erwachte Ron nach einer kühlen Nacht. Er gab seinem Pferd zu fressen, verschlang ein karges Frühstück und begab sich dann wieder auf die Suche. In seiner alptraumerfüllten Nacht hatten sich ihm einige Möglichkeiten offenbart. Keine davon hatte ihm gefallen. Ob Menschen oder Götter dahintersteckten, es machte kaum einen Unterschied. Wer eine solch mächtige Waffe besaß, der würde sie auch einsetzen. Das glaubte Ron, nur eine Sache glaubte er inzwischen ausschließen zu können. Dass die Zerstörung des Klosters eine natürliche Ursache hatte. Er hatte keine Anzeichen für Vulkane gefunden und auch die Möglichkeit, dass vielleicht etwas aus dem Himmel gefallen war, ein Schweifstern, von denen er gehört hatte, dass sie Schneisen in Wälder schlagen konnten, schien sehr unwahrscheinlich, da dieses Sternchen schon sehr genau das Kloster getroffen haben müsste – und es gab kein Zeichen eines Einschlags, keinen Krater, nichts.

      Und noch etwas gab es nicht, wie er in einer intensiven Suche bis zum Hereinbrechen des Abends feststellen konnte. Spuren. Hatte man das Kloster mit einer Armee heimgesucht, dann musste es eine Armee von Vögeln sein, denn es fanden sich weder Fußspuren noch die von Pferden oder Gespannen. Wer auch immer also eine Waffe besaß, mit der man Stein zerschmelzen lassen konnte, besaß scheinbar auch die Fähigkeit, den Boden nicht zu berühren. Und er hatte lange und intensiv gesucht. Unter dem Neuschnee, in den Verwehungen, unten an der Baumgrenze, nur bis zum Rande der Eisfelder hatte er es noch nicht geschafft. Denn während er noch nach größeren Spuren suchte, fand er eine kleinere. Nur eine einzige. Von einer einzelnen Person. Die offensichtlich verletzt war. Sie führte vom Kloster fort. Eine Person, ein Mönch oder eine Nonne vielleicht, hatte was auch immer hier passiert war also scheinbar überlebt. Und konnte ihm vielleicht berichten, was hier eigentlich geschehen war!

      Ron Schwert nahm sich vor, diese Person zu finden – und hoffte sehr, dass sie kein Schweigegelübde abgelegt hatte!

      Kapitel 4

      Eine mittlere Schneeschicht bedeckte die Spuren, die Ron Schwert gefunden hatte. Teils waren es Fußabdrücke, teils schien die Person ihren ganzen Körper über den Boden gezogen zu haben, so, als könne sie nicht laufen. Handspuren, eine kriechende Person, wahrscheinlich verletzt. Bevor sich Ron an die Verfolgung der Fährte machte, stellte er ein paar Berechnungen an. Sie betrafen die Dicke des Schnees, der die Spuren unter sich begraben hatte. Er wusste nicht, wie oft es in dieser Region schneite und wie intensiv der Niederschlag war, aber er hatte doch eine grobe Vorstellung, wie alt die Spuren sein mussten. Und wenn man davon ausging, dass der Flüchtende ein Überlebender dessen war, was dem Kloster widerfahren war, dann ließ sich daraus schließen, wann in etwa es passiert war.

      Das Ergebnis seiner Überlegungen machte Ron wenig Hoffnung. Wenn er richtig lag, war das Kloster nicht sehr viel später niedergebrannt, nachdem der Abt seine Nachrichtenmöwe an den König entsandt hatte. Möglicherweise zu