R.A.O.D.. Orelinde Hays

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Название R.A.O.D.
Автор произведения Orelinde Hays
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847656807



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hörst du? Du bist jetzt der Mann im Haus, okay?"

      Die nächste Lautsprecherdurchsage ermahnte uns, dass es Zeit wurde.

      "Letzter Aufruf des Fluges 911 nach Dublin! Die Passagiere werden gebeten, sich zum Ausgang 8 zu begeben!"

      Ein letzter Kuss, ein letzter Händedruck und zehn Minuten später saßen wir in der Maschine. Den ganzen Flug über war Paul recht schweigsam.

      "Hey, mein Freund, lass die Ohren nicht hängen! Du siehst sie ja bald wieder!" Vergeblich versuchte ich, ihn aufzumuntern.

      Er sah mich nachdenklich an. "Jetzt lernst du das Land deiner Eltern auf andere Weise kennen, als ursprünglich vorgesehen..."

      Ich seufzte und schwieg, dachte an meinen Vater, der mein letzter Verwandter gewesen war. Nach dem zweiten Weltkrieg war er mit neunzehn Jahren von Irland nach Amerika ausgewandert Dort hatte er sich mit Fleiß und Beharrlichkeit eine Existenz aufgebaut und es sogar zu einem eigenen Geschäft gebracht. Mutter hatte er schon auf der Überfahrt kennen gelernt, sie war seine große Liebe. Leider starb sie viel zu früh und so war mir nur noch Vater geblieben, da wir sonst keine Verwandten mehr hatten. Ach, ja, wie gerne hätte er noch einmal seine Heimat wiedergesehen! Als wir endlich zusammen Urlaub hatten und dort hinfliegen wollten, brach er mit einem Herzinfarkt auf dem Flughafen tot zusammen. Er hatte die Aufregung wohl nicht mehr verkraften können.

      Am Flughafen von Dublin wurden wir Samstagmorgen von Vertretern der örtlichen Behörden in Empfang genommen, die üblichen Formalitäten gingen über die Bühne. Nach einem schnellen Frühstück fand die erste interne Besprechung statt.

      Neben den Engländern sollten wir mit dem französischen Geheimdienst und dem deutschen BKA zusammenarbeiten. Es stand fest, dass wir an zwei Punkten ansetzen würden. Ich sollte über Sean Flannagan mit dem Untergrund Kontakt aufnehmen und Dayle Linneker, einer der Engländer, wollte als vermeintlicher UNO-Mitarbeiter versuchen, einen angeblichen Termin als möglichst geeignet für einen Anschlag aussehen zu lassen. Jetzt konnten wir nur noch hoffen, dass uns keine kurzfristig geplanten echten Meetings die Tour vermasselten.

      Um meine Verbindung zu Paul und den anderen Mitarbeitern nicht auffliegen zu lassen, wurde ich in einem unauffälligen Motel einquartiert. Von dort aus wollte ich Sean, wie vereinbart, das erste Mal anrufen und so tun, als sei ich überraschend zu Besuch. Am Sonntag nahm ich mit ihm Kontakt auf und wir verabredeten uns am nächsten Abend in seiner Stammkneipe:

      Die Operation lief an.

      Kapitel 1

      Mühsam versuchte ich, meine Augen zu öffnen. Mein Kopf dröhnte und der starke Schmerz, den ich nun fühlte, ließ mich laut aufstöhnen. Wo war ich? War es neblig oder war mein Blick so verschwommen? Meine Arme schienen schwer wie Blei, als ich sie anhob und mir durchs Gesicht fuhr. An meinem Kopf befand sich klebriges Blut, wie mir meine Hände verrieten. Verdammt... was war passiert? Für einen Moment schloss ich meine Augen und versuchte, gegen die aufkeimende Übelkeit anzukämpfen. Alles drehte sich... Komm schon... mach die Augen auf... Ich sah, dass ich unterhalb eines Hügels lag. War ich da hinuntergestürzt? War es Morgen oder wurde es Abend? Wo war meine Armbanduhr? Mir war jedes Zeitgefühl abhanden gekommen. Angst kroch in mir hoch und ich versuchte, mich an irgendetwas zu erinnern. Aber da war nichts... Warum war da nichts?! Na los... auf die Beine... Dieses nagende Gefühl in mir trieb mich hoch, ich musste weg, musste weiter... Bei dem Versuch, mich auf die Seite zu rollen, schmerzte plötzlich meine Hüfte derart heftig, dass ich resignierend zurücksank; mein ganzer Körper schien aus einem einzigen Schmerz zu bestehen. Dann sah ich, dass auch meine Hüfte blutig war... Keine Ahnung wie, aber irgendwie schaffte ich es, auf die Knie zu kommen und kroch zu einem Baum, einen Meter weiter. Doch die Schmerzen wurden so stark, dass mein Magen durchdrehte und ich mich übergeben musste. Reiß dich zusammen... tief durchatmen... steh auf... Nur mühsam schaffte ich es, mich an dem Baum hochzuziehen. Wo war ich? Dann sah ich das Haus, ein Stück weiter unten. Schwankend setzte ich einen Fuß vor den anderen; kaum noch fähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Hilfe... bitte... Meine Kräfte verließen mich und ich sank zu Boden. Irgendwo bellte ein Hund... mir war so übel... ein einziger Schmerz... alles flimmerte vor meinen Augen... Dann nahm eine alles umarmende Dunkelheit mir die Sinne. Das nächste, das ich spürte, war eine sanfte Hand, die mir beruhigend über die Wange strich, als ich die Augen aufschlug. Sie hatten mich hinter einem der beiden Cottages gefunden, die parallel an diesem Landweg am Ende des Dorfes Ballyvaughan lagen. Der Hund der Familie hatte mich gehört und verbellt. Doch das wusste ich zu diesem Zeitpunkt natürlich nicht. Ich lag wohl auf einem Behandlungstisch, ein älterer Mann hatte sich über mich gebeugt und war dabei, meine Kopfwunde zu versorgen. "Er kommt zu sich", vernahm ich eine weibliche Stimme hinter mir, dann trat die junge Frau an meine Seite und ich blickte in zwei freundliche Augen, die mich forschend ansahen. "Hallo! Wie fühlen Sie sich? Was ist mit Ihnen passiert? Können Sie mir Ihren Namen sagen?" Es fiel mir schwer, irgendein Wort herauszubringen, stammelte: "Weiß nicht... Name?... mein Name?" Mein Name... warum zum Teufel fiel mir mein Name nicht ein?! Alles begann sich wieder zu drehen und zu verzerren vor meinen Augen, mein Puls raste. "Ruhig, ganz ruhig, das ist jetzt auch nicht so wichtig. Amus, ich glaube, er kollabiert!" Als sie mir eine Kreislaufspritze setzen wollten, musste ich sie entsetzt angestarrt und geschrieen haben, dann erlöste mich eine tiefe Ohnmacht. "Ich möchte wissen, woher die Schussverletzung an der Hüfte stammt! Wie kommt jemand hier bei uns an so etwas? Vielleicht ein Jagdunfall?" Amus Kavanaugh schüttelte nachdenklich den Kopf. Zu meinem großen Glück hatten mich die Nachbarn seiner Schwiegertochter Siobhan gefunden. Sie, die Krankenschwester, und er, der einzige Arzt hier in der Gegend, versorgten mich nun. "Eigentlich müsste er nach Galway ins Merlin Park Hospital", gab Siobhan zu bedenken. "Er hat viel Blut verloren. Ob wir einen weiteren Kollaps auffangen können? Und die Schussverletzung: Eigentlich müssten wir sie melden, oder?" Amus schüttelte den Kopf. "Die Kugel hat weiter keinen größeren Schaden angerichtet, sie ist im Knochen stecken geblieben. Da, ich habe sie schon. Gib mir mal den Faden, dann kann ich zunähen. Hast du dir die Hämatome an den Rippenbögen angesehen und sein Gesicht? Sieht aus, als wäre er geschlagen worden... und dann die Pupillen und die Einstiche an den Armen... der ist mit irgendeinem Zeug vollgepumpt!" "Wie ein Drogenabhängiger sieht er allerdings nicht aus." "Nein, er macht einen eher durchtrainierten Eindruck. Mädchen, ich weiß nicht, was ich davon halten soll!" Siobhan nickte und während sie ihm beim Nähen assistierte, sprach sie seine Befürchtung offen aus: "Du glaubst, er könnte ein Krimineller sein oder so was, nicht wahr? Weißt du, vielleicht bin ich ja naiv, aber mein Instinkt sagt mir, dass wir diesem Menschen unseren Schutz gewähren müssen. Seine Panik hast du doch auch gesehen, als wir die Spritze setzen wollten? So verhält sich doch nur jemand, der wirklich Angst hat! Und wenn er tatsächlich geschlagen wurde oder misshandelt... Ich denke, solange wir nicht mal wissen, wer er überhaupt ist, solange sollten wir die Schusswunde verschweigen!" Amus schwieg und Siobhan kannte diesen verschlossenen Gesichtsausdruck nur zu gut. Er wollte jetzt in Ruhe gelassen werden, brauchte Zeit zum Nachdenken. Stillschweigend verrichteten sie ihre Arbeit.

      Sie hatten mich dann in das kleine Hinterzimmer von Amus' Praxis gebracht, das sie als Notfall-Krankenzimmer hergerichtet hatten.

      In den nächsten Stunden wachten sie abwechselnd an meinem Bett, kontrollierten Pupillen, Blutdruck und Atmung. Anscheinend muss ich wohl wie tot da gelegen haben, jedenfalls vergingen fast vierundzwanzig Stunden, bis ich wieder voll zu Bewusstsein kam.

      Als ich die Augen öffnete, konnte ich das erste Mal alles wieder klar und deutlich erkennen, die Zerrbilder und Halluzinationen waren verschwunden.

      Neben dem Bett stand ein Tropf und als ich mich weiter im Zimmer umsah, erblickte ich Siobhan, die schräg gegenüber in einem Sessel am Fenster saß und Nähzeug in der Hand hielt. Sie sah gerade nach draußen. Ich schaute sie an und versuchte, mich an irgendetwas zu erinnern.

      Der Abend dämmerte, warmes Sonnenlicht fiel von draußen auf ihr Haar und reflektierte das Rot darin, als würde es leuchten. Sie hatte die Hände in den Schoß gelegt und schien mit den Gedanken weit weg zu sein. Ein so beruhigender und friedlicher Anblick, der mich innehalten ließ. Es war, als würde das ganze Zimmer in diese Abendsonne eintauchen, als würde ich selbst durchflutet von dieser Wärme und Ruhe. Meine Seele atmete auf: Es war wie ein Erwachen nach