Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Название Der Kampf der Balinen
Автор произведения Kathrin-Silvia Kunze
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738002126



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das gleichmäßige Ein- und Ausströmen ihres Atems. Ganz so, wie Trahil es sie dereinst gelehrt hatte. Nach wenigen Augenblicken schon, war ihr Geist vollkommen frei von jeglichen Gedanken, ruhig und klar. Seline öffnete zufrieden die Augen. Ihr Blick glitt hinaus auf die Stadt. Auf das schöne Melan, das soeben vom Licht der aufsteigenden Morgensonne übergossen wurde. Der rote Sandstein, aus dem alle Gebäude und Straßen in Melan geschaffen waren, leuchtete geheimnisvoll auf. Ganz so, als würde ein Wesen aus Fleisch und Blut erweckt. Denn was zuvor noch leblos schien, aber wohl doch nur geschlafen hatten, ward nun lebendig. In der aufgehenden Sonne wurde der rote Sandstein zu strömendem Blut, das Melan Leben einhauchte. Dies lag auch an der harmonisch, gleichförmigen Struktur aller Gebäude in der Stadt. Sie hatten eine abgerundete Kuppelform und sahen aus wie umgestülpte Tonschalen aus Sand. Wie ein Leib aus vielen ineinander greifenden Bergen, dachte Seline verträumt. Berge, deren Spitzen und Zacken im Laufe der Zeit durch die Anstrengungen des ewig währenden Kampfes ums Überleben, abgeschliffen worden waren. Als würde man in einem lebendigen Gebirge leben, lächelte Seline. Sie ließ ihren Blick über die Gebäude gleiten. So als würden ihre Augen über die Dächer dahin springen, von Kuppel zu Kuppel. Einige der Gebäude waren sehr hoch und darum bemüht, sich über die anderen hinweg zu strecken. Manche Gebäude wiederum waren besonders klein und suchten in ihrer geduckten Haltung unter den anderen nach Schutz. Seline lächelte noch immer. Sie liebte ihre Stadt. Die Rote, so wurde Melan auch von vielen genannt. Sie liebte es, wenn die ersten Bewohner am frühen Morgen ihre farbenfrohen Decken und Tücher aus den Fenstern hingen, um den Atem der Nacht daraus zu vertreiben. Oder wenn die Straßen und Plätze sich dann langsam füllten und alle ihr Tagwerk begannen. Sie liebte die vielen dichten, grünen Gärten, die das Rot der Stadt noch stärker betonten. „Die Gärten!“, rief Seline plötzlich erschrocken und ihr Lächeln erstarb. „Oh, nein!“, jammerte sie. Heute war es an ihr, den Zentralgarten der Stadt zu bewässern. Und sie stand hier herum und träumte! Dabei mussten die Gärten immer rechtzeitig am frühen Morgen gewässert werden. Denn wenn die Sonne ersteinmal zu hoch steht, verbrennt ihr Licht die Körper der Pflanzen, wenn sie dann noch nass sind. Seline drehte sich ruckartig um und stürmte durchs Zimmer. Sie riss die bunt bemalte Holztür auf und eilte aus dem Raum, ohne die Tür wieder hinter sich zu schließen. Dabei hatten ihre schnellen Schritte das noch immer achtlos am Boden liegende, feine grüne Haartuch aufgewirbelt. Und während Selines eilige Schritte auf dem Weg nach unten schon auf der Treppe verhalten, da schwebte das Tuch langsam und lautlos wieder zu Boden. Sein Grün im Sonnenlicht schimmernd, wie die lieblichen Augen der erwählten Empathin. Und seine Berührung mit dem Grund so zart und sanft wie ihr Herz.

      3. Kapitel

      Die sternenlos dunkle Nacht, in der es immer wieder angefangen hatte zu regnen, war einem trüben Morgen gewichen. Zwar fiel nun kein Wasser mehr vom Himmel, aber er war von trostlosem Grau und mit schweren Wolken verhangen. Alles war ungemütlich feucht und nass. Und so früh im Jahr, war es auch noch kalt, wodurch die Nässe noch ärger zusetzte. Trismon hatte eine unfreiwillige Rast eingelegt. Denn weder er, noch sein alter Limtaan konnten weiter. Es wäre töricht und unvernünftig gewesen, dies länger zu ignorieren. Ihre Gesundheit zu gefährden, hieße ebenso gut ihre dringliche Aufgabe zu gefährden. Die Frühjahrsstürme, die auf der schutzlosen Grasebene über sie hinweg getobt waren, hatten Tier und Reiter einfach zuviel Kraft abverlangt. Doch zumindest diese unwirkliche Landschaft lag nun – dem Allliebenden sei Dank – hinter ihnen. Am Ende der Nacht hatte Trismon in der Ferne auch schon das große Gebirge erblicken können. Direkt dahinter lag Melan, die rote Stadt, ihr Ziel. Und allmählich war dann auch das ermüdend eintönige Grasland von vereinzelten Gesteinshügeln, Büschen und kleinen Baumgruppen unterbrochen worden. Bei Einbruch der Morgendämmerung erreichten Trismon und Neminn sogar einen Waldausläufer. Und sie tauchten ein, in die vertraute, grüne Geborgenheit seines schützenden Dickichts. Zwar wuchsen hier keine Nadelbäume, wie in Trismons Heimat im hohen Norden. Aber auch die Laubbäume reichten aus, um seine Erinnerungen zu wecken und seinem aufgewühlten Herzen Trost zu spenden, als er zu ihren Wipfel aufsah. Zudem hatten die Laubbäume einen ganz eigenen Reiz, nannten eine ganz eigene Schönheit ihr Eigen. So auch, wenn der Wind durch ihre Zweige wehte. Dann begannen ihre Blätter zu rauschen, dass es Trismon erschien, als sängen sie ihr einsames, trauriges Lied. Im Wald hatte er schließlich einen geeigneten und windgeschützten Platz für die Rast gefunden. Er war von Buschwerk zugewuchert und lag in dunklem Halbschatten. Aber dafür war er auch einigermaßen trocken geblieben. Welch ein unverhoffter Segen! Und während ein eilig entzündetes Feuer begann fröhlich zu knacken und zu knistern, da war es nach der anstrengenden Reise ein mehr als verlockender Gedanke, sich hier für einige Zeit auszuruhen. Neminn knabberte an vereinzelten Kräutern und Gräsern, als Trismon kam, um ihm das Brustgeschirr abzunehmen. Dann untersuchte er noch kurz die großen Füße des Tieres nach Dornen oder eingetretenen kleinen Steinen. Das alles kannte Neminn schon zu genüge und lies es bereitwillig geschehen. Er hob Trismon seine Läufe sogar freiwillig entgegen, als dieser abschließend noch prüfte, ob auch keine der langen, dicken Krallen des Limtaan eingerissen war. Doch Trismon fand alles zu seiner Zufriedenheit und so griff er nach altem, trockenem Laub, das auf dem Boden lag. Damit rieb er in kräftigen Strichen das Fell des Limtaan, um es von Feuchtigkeit, Schweiß und Schmutz zu befreien. Als Neminn trocken gerieben war und sein Fell schon fast glänzte, warf Trismon das gebrauchte Laub achtlos bei Seite und griff nach seinem Wasserbeutel, der beim Feuer lag. Er fühlte, dass darin nur mehr wenig Wasser übrig geblieben war. Also nahm er nur einen kleinen Schluck und hielt ihn erst noch im Mund, bevor er ihn hinunter schluckte. Denn er wusste, dass schon das Spüren von Wasser im Mund ausreichte, um den Durst erst einmal zu vertreiben. Dann ging Trismon mit dem Wasserschlauch zu Neminn. Er goss etwas Wasser in seine hohle Hand und reichte es dem Tier vor das Maul. Der Limtaan trank sofort begierig. Trismon gab ihm eine zweite Hand voll Wasser und verschloss danach den Wasserbeutel wieder. „Von nun an müssen wir nach einer Wasserstelle Ausschau halten“, sagte er zu Neminn und tätschelte dem treuen Tier den Rücken. Dann zuckte er kurz die Schultern und fügte hinzu: „Oder wir Dürsten bis Melan.“ Denn Trismon wusste genau, sehr weit konnte der Weg nicht mehr sein. Zudem deckte Neminn einen Großteil seines Wasserbedarfs über das Grünzeug, das er zu sich nahm und den Morgentau, den er von Gräsern und Blättern leckte. Zufrieden setzte Trismon sich ans Feuer und griff nach seiner Vorratstasche. Schon beim anheben merkte er, dass sie nur mehr spärlich befüllt war. Zwei trockene Stücke Brot, das war alles, was noch übrig geblieben war. Na wenn schon, dachte Trismon und griff nach einem der Brotstücke. Ihm machte so etwas nichts aus. Da war er schon mit weit weniger ausgekommen. Fasten und Hungern waren ihm nicht fremd. Auch wenn er noch jung war, so hatte er schon viele lange Reisen in seinem Leben hinter sich gebracht. Denn Trismon war ein Gebietserkunder. Er gehörte zu jenen des Volkes, die große Strecken zurücklegten, um unbekannte Landstriche zu erforschen, notwendige Waren von weit her zu beschaffen, oder wichtige Botschaften zu übermitteln. Und diesmal, dachte Trismon voller Bitterkeit, um schlechte Kunde zu überbringen. Missmutig biss er in das alte, harte Brot. In diesem Augenblick sah er aus dem Augenwinkel eine feine, unscheinbare Bewegung hinter der Feuerstelle. Dort waren zwei kleine Mäuse, beide mit kornbraunem Fell und spitzen Näschen. Von der Wärme des Feuers angelockt und der eigenen Neugier getrieben, hatten sie den Schutz der Sträucher verlassen. Offenbar hungrig, erschnupperten sie am Boden entlang den Geruch der Brotstücke und kamen dabei unvorsichtig nah an Trismon heran. Begierig stellten sie sich auf die Hinterbeine und hielten ihre zuckenden Nasen in die Höhe. Einen kurzen, instinktiven Augenblick lang, hatte Trismon das absolut widersinnige Empfinden, die zwei kleinen Mäuse packen zu müssen. Irritiert schüttelte Trismon den Kopf und dachte unwillig: „Der nagende Hunger muss mir die Sinne verwirrt haben.“ Dann jedoch lachte er belustigt auf und dachte: „Und was soll ich dann mit ihnen machen? Essen womöglich? Also wirklich. Mäuse essen! Alleine der Gedanke daran ist schon widerlich!“ Noch immer lachend beugte Trismon sich nach vorn und zerkrümelte einen Teil seiner kargen Mahlzeit auf den Boden. Vertrauensvoll, denn sie witterten, dass das große Wesen vor ihnen kein Fleischfresser war, kamen die Mäuse zu Trismon. Sie ließen sich auf ihre kleinen pelzigen Hinterteile sinken. Dort unten, direkt vor seinen übereinander geschlagenen Beinen, hockten sie nun und verspeisten genüsslich die Brotkrumen. Immer wieder nahmen sie Stücke davon in ihre kleinen Pfoten auf und knabberten dann mit zitternden Barthaaren an der unverhofften Mahlzeit. Der Anblick belustigte Trismon zutiefst. „Als