Der Kampf der Balinen. Kathrin-Silvia Kunze

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Название Der Kampf der Balinen
Автор произведения Kathrin-Silvia Kunze
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783738002126



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Wind trieb ihm die Tropfen ins Gesicht. Das Geräusch über ihm wurde indes immer lauter. Was auch immer dort oben war, es flog direkt in Trismons Richtung. Die Frage war nur, ob dahinter eine Absicht lag, oder nicht. Trismon glaubte durch Sturm und Regen hindurch das Rauschen von Schwingen zu hören. Besorgt warf er einen Blick nach unten, zum Fuße des Hügels. Dorthin, wo sein Reittier Neminn bis eben noch friedlich gegrast hatte. Wenn das Geräusch am Himmel den Limtaan nun verschrecken würde, überlegte Trismon besorgt. Dann müsste er ihn in dieser dunklen, nächtlichen Einöde erst einmal wieder finden. Und kaum etwas war so schnell wie ein Limtaan auf der Flucht. Trismon rief laut nach Neminn, um dem Tier Sicherheit zu vermitteln. Dann gebot er ihm: „Versteck dich!“ Diesen schon oft eingeübten Befehl verstand das gehorsame Tier sofort. Trismon konnte in der Dunkelheit erkennen, wie es sich von der Grasfläche fort, auf den Hügel zu bewegte. Dort legte es sich schutzsuchend auf den Boden, als eine reglos dunkle Gestalt, die mit der Nacht verschmolz. Trismon war es zufrieden. Und im nächsten Augenblick schon, vernahm er das drohende Rauschen mannigfacher Flügel direkt über ihm. Es war ein irritierendes, surrendes Geräusch, das sie verursachten. Er kannte diese seltsamen Flugtiere nicht. Doch das hatte nun sowieso keinerlei Bedeutung mehr. Denn jetzt waren sie da! Trismon griff mit einer schnellen, geschmeidig eleganten Bewegung nach dem langen, schweren Holzstab, den er auf dem Rücken mit sich führte. Und schon stießen lange Krallen, die so spitz waren, dass sie selbst im Zwielicht des von Wolken verhangenen Mondes funkelten, aus der Dunkelheit auf ihn hernieder. Große Leiber zuckten immer wieder aus der undurchsichtig regennassen Luft hervor. Trismon duckte sich und ließ den Stab über seinem Kopf kreisen. Schneller und immer schneller, bis die Luft über ihm summte und das Geräusch des Regens übertönte. So schnell, das selbst die Regentropfen Trismon nicht mehr treffen konnten. Schreie der Empörung wurden über ihm laut. Kehlig, schrille Rufe, gleich einer Sprache, die von einem uralten, instinktiven Verstand zu künden schien. Das empfand nun selbst Trismon als beängstigend! Seine Nackenhaare stellten sich auf, indes er die übermacht an Angreifern weiterhin tapfer abwehrte. Doch was konnte einer allein gegen so viele schon ausrichten? Noch dazu, wenn sie vereint handelten? Trismon hörte wie der Klang der Schreie über ihm sich zu wandeln schien, kürzer wurde, fast fragend. Diese Kreaturen schienen sich über ihn zu beratschlagen! Nun, vermutlich hatten sie nicht mit solch einem vehementen Widerstand gerechnet. Trismon lächelte grimmig, ungesehen, der Dunkelheit entgegen. Nun denn, dachte er wütend. Dann werde ich euch jetzt zeigen, mit wem ihr es hier zu tun habt. Wenn es meine Haut ist, die ihr wollt, ich werde sie euch nicht freiwillig geben! Trismon ging nun selbst aus der Verteidigung in den Angriff über. Den Stock immer wieder aufrecht nach oben stoßend. Er warf seinen Kopf in den Nacken und fauchte seine Wut lauthals hinaus in den dunklen Nachthimmel. Fauchte den Angreifern entgegen. Ein einzelner, verirrter Blitz zuckte plötzlich aus den dichten Wolkenwogen hernieder. Für einen Augenblick erhellte er die Grasebene und den Hügel. Er offenbarte in einem hellen zuckenden Lichtschein den kämpfenden Mann, so als wäre die Zeit für einen einzigen Moment stehen geblieben. Zeigte, wie er seinen schweren Holzstab in den Himmel stieß, die klatschnassen langen Haare am Kopf klebend, den Mund weit zu einem Schrei geöffnet und die langen, spitzen Zähne, deren Weiß im grellen Licht gefährlich glitzerte. Ein Mann, alleine in einem endlos weiten, leeren Meer aus Dunkelheit. Bedrängt von schemenhaft schwarzen, beflügelten Leibern über ihm. Das Licht verging so schnell wie es erschienen war und hinterließ eine Dunkelheit, die nun noch umso dunkler wirkte. Doch es war auch merklich stiller geworden, fiel es Trismon erst einen Moment später auf. Er blinzelte hinauf in den Regen, der ihm in die Augen drang und versuchte, den Stab abwehrbereit nach oben haltend, zu erkennen, was geschehen war. Trismon rang nach Luft und sein Atem ging stoßweise. Er wollte diese Laute unterdrücken, wollte seinen Angreifern keinerlei Schwäche zeigen. Doch er war völlig erschöpft. Die schwarzen Kreaturen hatten indes in ihrem Angriff verhalten. Trismon konnte sie über sein Keuchen hinweg hören. Dort oben in der Luft tauschten sie kehlige, kurze Rufe miteinander. Offenbar hatten sie sich wirklich leichtere Beute erhofft. Dann folgte plötzlich eine lautlose Stille. Man hörte nurmehr das prasselnde Geräusch des starken Regens und das unterdrückte Keuchen eines völlig erschöpften Mannes. Kurz darauf vernahm Trismon das kraftvolle Rauschen gewaltiger Schwingen, die in den Nachthimmel aufstiegen und in der Ferne verschwanden. Trismon sackte auf die Knie. Aufgeweichte, schlammige Erde spritze hoch. Trismon hielt sich an seinem Verteidigungsstab fest, den er in den matschigen Boden gerammt hatte. Er hielt den Kopf gesenkt und rang immer noch keuchend nach Luft. Der Regen klatschte auf ihn hernieder und rann ihm vom Kopf, über die langen Haare, den Körper hinab. Er wusch Schweiß und Schmutz davon und kühlte die verausgabten Muskeln. Doch trotz allem durchdrang ein Hochgefühl der Freude seinen ermatteten Körper. Er hatte überlebt! Trismon hatte soeben um sein Leben kämpfen müssen. Und er wusste nur zu gut, dass er dabei nur knapp dem Tode entronnen war. Denn lange hätte er dieser Übermacht nicht mehr standzuhalten vermocht. Trismon gönnte sich noch einen tiefen, erleichterten Atemzug, dann raffte er sich auf. Er zog sich an seinem Verteidigungsstab empor. Erst jetzt, wo die Gefahr vorüber war, merkte er langsam, dass er doch einige Wunden davon getragen hatte. Gesicht und Arme waren übersäht von Kratzern und Rissen, die langsam anfingen zu brennen. Das Regenwasser wird sie reinwaschen, dachte Trismon achtlos und machte sich an den Abstieg. Doch was hätte er auch sonst tun können, hier oben, allein. Der Wind zerrte an seiner zerrissenen Kleidung und der Regen hatte ihn schon bis auf die Haut durchnässt. Die überanstrengten Muskeln in Armen und Beinen ließen ihn jede noch so kleine Bewegung seines Körpers genau spüren. Und doch war Trismon klug genug zu wissen, dass er dies alles hinnehmen musste, wie es eben war. Sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen, hätte ihm nur noch mehr kostbare Kraft geraubt. Das lange Steppengras, trocken schon hinderlich genug beim Gehen, war im Regen noch eine weit größere Herausforderung. Nass, schlang es sich nun wie zäher, dicker, grüner Schlamm um seine Knöchel. Und übermüdet wie er war, wurde Trismon in einem unachtsamen Moment von langen klebrigen Grasstricken gefesselt. Am nächsten Schritt gehindert, verlor Trismon das Gleichgewicht und fiel. Kopfüber stürzte er den Hügel hinab. Und wenn er es auch vermochte, den Großteil der Schläge durch gekonntes Abrollen zu mildern, so kam er doch nicht sofort wieder auf die Beine. Er war zu erschöpft, um, wie sonst üblich, bei jedem Sturz immer auf die Füße zu fallen und sich in den Stand hinein abzufangen. Das wusste Trismon genau und deshalb ließ er sich bis zum Fuß des Hügels ausrollen. Denn es gab noch etwas, das Trismon richtig eingeschätzt hatte. Das verhasste lange Gras, das ihm diesen Sturz erst eingetragen hatte, war nun sein bester Schutz. Wie eine dichte, nasse, klebrig fadenreiche Decke aus Grün, dämpfte es jeden Aufprall ab. Und wirklich. Trismon erreichte einigermaßen unbeschadet den Grund. Auf der Seite zum Liegen gekommen, lies er sich auf den Rücken fallen und streckte Arme und Beine von sich. Vollkommen bewegungslos lag er dort. Trismon schloss die Augen. Ihm drehte sich alles und er fürchtete, sich, ausgezehrt wie er war, noch übergeben zu müssen. Trismon versuchte sich auf seinen Körper zu konzentrieren. War er auch wirklich unversehrt? Wie fühlten sich seine Arme an, seine Brust, seine Beine? Doch er war derartig entkräftet, dass er über dieser Aufgabe einschlief. Der Regen wusch sein Gesicht, seinen Körper und die Wunden und kühlte die schmerzenden Stellen, ganz so, als wolle er helfen. Trismons Unterbewusstsein reagierte darauf. Er träumte davon, sich in den ruhigen, kühlen Räumen eines Heilkundigen zu befinden. Der alte, freundliche Mann wollte ihn pflegen und kam mit mildem Lächeln auf ihn zu. Er griff nach einem großen, feuchten Tuch und hielt es Trismon vor das Gesicht. Doch zu Trismons Erschrecken, roch das Tuch wahrlich übel. Trismon wachte auf. „Neminn!“, rief er protestierend. Der treue alte Limtaan leckte mit seiner großen, rauen, fleischigen Zunge Trismon über das Gesicht. „Dein Atem ist ja fürchterlich!“, schimpfte Trismon angeekelt und schob den großen, breiten Kopf seines Freundes zur Seite. Doch der Limtaan schien besorgt, denn nun stieß er Trismon mit seinem großen Kopf, aber dafür erstaunlich sanft, immer wieder gegen das Bein. „Schon gut mein Alter!“, lachte Trismon und setzte sich umständlich auf. Er streichelte Neminn an dessen Lieblingsstelle zwischen den Augen und sagte: „Es geht mir gut. Ich bin nur etwas müde. Aber lass uns diesen scheußlichen Ort jetzt verlassen, bevor noch andere finstere Kreaturen uns hier schutzlos vorfinden!“ Wenigstens hatte es für den Moment aufgehört zu regnen und die aufreißenden Wolkenfetzen gaben den Mond wieder frei. Trismon zog sich an seinem Reittier hoch. Neminn war sein treuer, alter Begleiter. Er war sehr groß, selbst für einen Limtaan. Sein Schädel war lang und vorn aus dem Maul ragten oben und unten je zwei große weiße Zähne. Mit diesen konnte er selbst gröbstes