Lösung. Elisa Scheer

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Название Lösung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737562805



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tanzten ihr ja auf der Nase herum, so klein sie auch waren, besonders der Älteste war ja schon so was von frech, der hatte sogar ihr, Frau Beierlein, schon die Zunge herausgestreckt. Na, die schlugen eben ganz nach dem Vater, das war ja auch so ein ekelhafter Typ, die Frau konnte einem eigentlich nur Leid tun. Wie oft man da Gebrüll und Weinen gehört hatte, die Wände waren ja ganz schön dünn für einen Altbau, der nach außen so solide aussah, wahrscheinlich ein schludriger Bauunternehmer damals, Gauner hatte es ja immer schon gegeben. Und der Kerl war auch noch ziemlich unverschämt zu den anderen Bewohnern, frech, weil er Eigentümer war und sie bloß Mieter, wenn sich jemand beschwert hatte, wegen des Kindergeschreis oder der lauten Musik oder weil er seinen blöden ordinären Wagen irgendwo in den Weg gestellt hatte. Den sollte die Polizei mal hopsnehmen, wegen fortgesetzter Rücksichtslosigkeit!

      Hochinteressant, fand Spengler, als er draußen, leicht benommen, tief Luft holte. Soso, Achim Wenzel war also kein Traumnachbar gewesen? Und auch kein Traumehemann... aber das hatte seine Witwe ja bereits angedeutet.

      Er klingelte bei den Mietern im Stock darüber und darunter, aber nirgendwo war jemand zu Hause. Kunststück – Praxen, Kanzleien, nur eine Privatwohnung. Auch gut, das konnte warten. Ihn interessierte zunächst mal mehr, was Joe Schönberger und Anne Malzahn herausgefunden hatten. Und ob es schon einen Bericht der Spurensicherung und vielleicht sogar der Gerichtsmedizin gab. Die anderen Nachbarn konnte man später immer noch befragen.

       Samstag, 15.4.2005: 11:00

      Joe und Anne kamen als erste ins Büro zurück. Anne schnappte sich sofort den Königsjob, sie füllte eine Karteikarte mit den Daten von Cora Willner, 24, wohnhaft in der Agnesgasse 7, aus und heftete sie an die Magnettafel. Der Pförtner im Verlagshaus war wirklich hilfreich gewesen – diese Cora allerdings trieb sich bei irgendeinem Außentermin herum. Zumindest wussten sie jetzt, wer sie war.

      „Wir müssten noch wissen, wo dieser Wenzel gearbeitet hat“, stellte Joe fest. „Dieses Herzchen hat doch garantiert auch bei den Kollegen so auf den Putz gehauen. Ui, der Bericht der Spurensicherung!“

      Er öffnete den Umschlag und begann zu lesen.

      „Der Autopsiebericht ist auch schon da“, stellte Anne fest. „Äh – und die Tatortfotos. Na, mein Typ wäre der nicht gewesen. Sonnenbank, was?“

      „Garantiert“, murmelte Joe, in den Bericht vertieft. „Goldkettchen und tiefergelegte Friseuse. Leider müssen wir trotzdem ermitteln. Sehr aufregend ist das alles nicht. Kein Handy, nicht mal Splitter. Nichts gestohlen, keine tollen Fasern, kein gar nichts. Nur ein mittelgroßer durchsichtiger Plastikknopf.“ Er hielt eine Beweismitteltüte hoch. Anne kam herüber und sah sich den Knopf an. „Der hilft uns wenig weiter. Das ist ein Innenknopf.“

      „Ein – was?“

      „Einer, der in einer Hose oder einem Rock einen Riegel oder so was hält. Der sagt uns nichts über Farbe und Stoff des Kleidungsstücks. Faden ist auch keiner mehr dran. Das kann alles gewesen sein.“

      Joe grunzte. „Außerdem kann der auch gar nichts damit zu tun haben. Den kann ja sonst wer verloren haben. Bis Freitagabend war es drei Tage lang trocken.“

      „Und er ist mit drei Stichen erledigt worden. Der in die linke Herzkammer war tödlich, der in die Lunge wär´s auch gewesen, wenn er nicht schon post mortem gewesen wäre, und der in den Bauch war harmlos und nur halbtief. Auch post mortem. Sonst nichts, keine Abwehrverletzungen, keine Schlagspuren. Er oder sie muss ihn wirklich überrascht und sofort zugestochen haben.“

      „Nichts Ungewöhnliches also. Schade, das hätte uns vielleicht weiter geholfen. So werden wir das ganze Wochenende mit der Sache verbringen.“

      „Die nächste Woche garantiert auch“, murrte Anne. „Ade, Spaß am Wochenende. Na, München läuft mir nicht weg. Auch wenn der Typ ein Arsch war, müssen wir den Täter doch drankriegen. So geht´s ja auch nicht!“

      „Nach dem Motto Wenn man alle Ärsche umlegen würde, wäre Leisenberg ein Einödhof?“ Anne grinste. „Und ich die Einödbäuerin. Ich bin schließlich die einzig Vernünftige hier.“

      „Na, sind Sie da sicher?“, ließ sich Spengler von der Tür her vernehmen. „Für so blöde halte ich mich eigentlich gar nicht.“ Anne war etwas Farbe ins Gesicht gestiegen, aber sie hielt sich tapfer: „Man sollte Zitate, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, nicht überbewerten.“

      „Danke für den guten Rat. Oh, ich sehe, Sie sind fündig geworden. Sehr gut! Übrigens hat die Wenzel ein Alibi, die Nachbarin fand unser Opfer zum Kotzen und der gute Achim hat bei Criscom gearbeitet. Ich kenne den Chef dort, ich rufe ihn nachher gleich an.“

      „Das ist doch ein ziemlich großer Betrieb“, wandte Anne ein, die dringend punkten musste, „meinen Sie, da kennt der Chef jeden Mitarbeiter?“

      „Der schon. Na, warten wir´s ab. Einen Beliebtheitswettbewerb hat unser Opfer jedenfalls nicht gewonnen. Die Witwe wirkt auch nur mäßig traurig.“

      „Also könnten sie es von daher mal wieder alle gewesen sein“, folgerte Joe.

      Spengler grinste. „Klar. Wenn da nicht die kleine Sache der Alibis wäre. Das von der Witwe hab ich überprüft. Wenn sie nicht gerade mit der Nachbarin, die ja den Wenzel ziemlich furchtbar fand – für die sollten wir auch eine Karte anlegen, sicher ist sicher – gemeinsame Sache gemacht hat, ist sie aus dem Schneider. Die Schwester… da müssten wir noch nachfragen, aber diese Galerie macht erst um eins heute Nachmittag wieder auf. Die Kumpels fanden ihn ja angeblich ganz toll, vielleicht waren sie aber auch neidisch...“

      „Anne hatte da eine ganz tolle Theorie“, petzte Joe. „Au – wieso trittst du mich denn?“

      „Lassen Sie hören“, verlangte Spengler.

      „Ach, es ist sicher nur Schmarrn“, versuchte Anne zu kneifen. „Ich dachte an eine Tippgemeinschaft. Wenn die was gewonnen haben...“

      „Nicht so dumm“, lobte Spengler. „Wir sollten bei der Lottogesellschaft nachfragen. Obwohl, wenn es nur ein Fünfer war... manche morden schon für kleine Beträge, das hängt immer davon ab, wie pleite jemand ist... Da werden die uns nicht weiter helfen können. Aber im Auge behalten müssen wir das. Gute Idee, Frau Malzahn.“ Anne sah ihn verblüfft an. „Ehrlich?“

      „Leider hat die Bedienung die drei Deppen beim Gläserputzen die ganze Zeit im Auge gehabt. Die waren nicht mal auf dem Klo, während Wenzel draußen war. Sie haben dann den Wirt alarmiert, und der hat Wenzel tot aufgefunden. Die drei haben ein bombensicheres Alibi.“

      „Vielleicht haben sie einen Killer engagiert?“, schlug Joe vor, der mit Anne gleichziehen wollte. Spengler und Anne sahen ihn gleichermaßen mitleidig an. „Erstens“, begann Spengler dann, als müsse er einem begriffsstutzigen Kleinkind etwas erklären, „trifft diese Möglichkeit ja nun wohl auf alle Verdächtigen zu – damit wären alle Alibis wertlos. Und zweitens bezweifle ich ernsthaft, dass diese drei Nasen wissen, wo man einen Killer auftut, oder dass sie ihn bezahlen könnten. Das müsste ja schon ein gigantischer Lottogewinn sein.“ Anne ergänzte: „Und erpressbar wären sie dann auch. Das müssten sogar solche Typen schon aus dem Fernsehen wissen.“

      Joe ärgerte sich, vor allem, weil er einsah, dass sein Vorschlag nicht allzu schlau gewesen war. „Bleiben eventuell verärgerte Nachbarn, die aber bis auf Frau Beierlein alle ausgeflogen waren“, fuhr Spengler in seiner Bilanz fort, „und möglicherweise Kollegen. Das erinnert mich an etwas...“

      Er setzte sich an seinen Schreibtisch und wählte eine Nummer aus seinem privaten Adressbuch. Nach einiger Wartezeit legte er auf und versuchte eine andere Nummer. Hier wurde er fündig, denn sein Gesicht, von Joe und Anne gleichermaßen verständnislos wie gebannt beobachtet, hellte sich auf, und er schien einen alten Bekannten zu begrüßen.

      „Ich verstehe“, sagte er dann, „ja, klar.“

      Er notierte sich etwas. „Immerhin. Das hilft uns möglicherweise etwas weiter. Danke. Am Montag dann, gleich am Vormittag? Gut. Grüßen Sie Frau