Grundreinigung. Elisa Scheer

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Название Grundreinigung
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737559751



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ankam, war es nur Heiners Glück, dass seine Redaktionssitzung länger dauerte – ich war so richtig in Stimmung für eine Grundsatzdebatte.

      Während ich weiter an rhetorischen Geschossen feilte, die ich wahrscheinlich doch nie einsetzen würde, putzte ich die Wohnung durch, was bei dem beengten Raum recht flott ging, spülte ab, bügelte – sogar einige T-Shirts von Heiner – und räumte meine Unterlagen ordentlich in ein abschließbares Regalfach. So, nun stammte alle Unordnung nur noch von ihm. Und warum mussten eigentlich T-Shirts, die man als Erinnerung an Live Art oder Ähnliches erworben hatte, immer aus so besonders schlechter Baumwolle sein und besonders stark verdrehte Nähte haben? Genau wie seine Super-Öko-Jeans mit natürlicher Färbung, die musste ich immer noch separat waschen, sonst hätte ich nur noch dunkelblauen Kram besessen.

      Ich sammelte eine Ladung weiße und eine Ladung bunte Wäsche ein und fuhr damit in den Keller, wo wir immerhin eine ziemlich anständige Waschküche hatten. Wieder so ein Punkt, warum Heiner sich nicht mit sinnlosem Konsumschrott belasten musste – er brauchte keine Waschmaschine, denn bei seiner Freundin stand ja eine im Keller, und diese Freundin war auch noch dämlich genug, seine Sachen mitzuwaschen. Alleine deshalb war schon ein grundsätzliches Gespräch dringend notwendig! Ich stopfte den Inhalt der beiden Reisetaschen in die beiden Maschinen und reservierte mir auch gleich den Trockner, dann trabte ich wieder in den zweiten Stock und traf auf Heiner, der missmutig am Tisch saß und auf meinen Laptop einhackte.

      „Was machst du da?“

      „Ich muss einen Artikel schreiben, was denkst du denn?“

      „Dann nimm gefälligst deinen Rechner!“

      Er klappte meinen wieder zu. „Muss ich ja sowieso. Seit wann hast du denn ein Passwort?“

      „Seitdem du mir etwas Wesentliches gelöscht hast.“ Ich verstaute die Reisetaschen im Kleiderschrank, zog den Wäschekorb heraus und kippte ihn um, so dass Heiners Turnschuhe auf den Boden fielen.

      „Wo ist denn das neue FineArts?"

      „Hab ich nicht gekauft. Heiner, ich bin restlos pleite, ich krieg den neuen Job erst in einem halben Jahr und mein Konto ist in den Miesen. Zehn Euro überfordern mich.“

      „Ich hätte es dir schon wieder gegeben“, murrte er.

      „Ja, irgendwann. Überhaupt, ich kann es mir nicht mehr leisten, dich hier durchzufüttern.“

      „Übertreib nicht so“, murmelte er und lud den Akku seines Laptops an meiner Steckdose auf, „ich zahle doch dauernd was.“

      „Einmal Schuhcreme und ab und zu ein Glas Prosecco nützt mir nichts. Ich zahle die Miete ganz alleine!“

      „Das ist doch immer noch deine Wohnung, oder?“

      „Und das Essen für zwei? Alleine hab ich deutlich weniger ausgegeben.“

      Heiner lehnte sich zurück und verschränkte die Arme im Nacken, um von der Höhe seiner intellektuellen Überlegenheit auf mich herabzublicken. Wie ich das hasste – aber er sah wirklich süß aus, das konnte ich nicht bestreiten, schlank und elegant, trotz der Antispießerkluft und der albernen Drahtbrille.

      „Anne, du dokterst doch an den Symptomen herum! Auch wenn ich weniger esse, brauchst du Geld, oder? Such dir vorübergehend einen Job, sei flexibel, anstatt hier herumzujammern.“

      „Das hab ich auch vor“, gab ich scharf zurück, „aber wenn du mir mal erstatten würdest, was ich in den letzten neun Monaten für dich ausgelegt habe, wäre die Sache mit dem Job nicht gar so dringend. Da kämen bestimmt so - na, zweitausend Euro zusammen.“

      Die entspannte Haltung verschwand schlagartig. „Spinnst du?“ Er schaukelte heftig nach vorne, als er die Arme fallen ließ. „So viel? Du hast mich nicht gerade mit Kaviar bewirtet!"

      „Nein, aber mit drei Mahlzeiten täglich, gewaschener und gebügelter Wäsche und kostenlosen Übernachtungen.“

      „Willst du für die Nächte auch noch einen Preis ansetzen?“

      „Für die Nächte nicht, aber für die Übernachtungen schon. Du sparst ganz schön Geld, wenn du hier wohnst!“

      „Und du weißt auch genau, warum!“ Er stand auf und trabte vor dem einzigen Fenster auf und ab. Schmierig und blind war es, stellte ich mechanisch fest, aber Putzen nützte nicht allzu viel, die alte Doppelverglasung war innen angelaufen.

      „Ich kann doch nichts dafür, dass Gisi mich so gnadenlos abgezockt hat!“

      „Sie hat dich nicht gnadenlos abgezockt“, widersprach ich, „sie hat nur das gefordert, was ihr zusteht, wenn sie zwei kleine Kinder zu versorgen hat. Dass du so wenig verdienst, ist nicht ihre Schuld, die Kinder brauchen trotzdem was zu essen.“

      „Was zu essen, ja – aber diesen ganzen sinnlosen Konsumkram doch nicht, hier einen Pulli, hier ein paar Nobelturnschuhe, dort ein albernes Spielzeug...“

      „Kinder wachsen nun mal. In ihre Babysachen passen sie jetzt nicht mehr rein, das hättest du doch schon wissen können, als du die beiden in die Welt gesetzt hast.“

      „Du weißt genau, dass Gisi mich reingelegt hat! Ich war viel zu jung!“

      „Du warst damals sechsundzwanzig, Himmel noch mal! Und ein Fall von Samenraub war er doch wohl nicht, oder?“

      „Samenraub?“ Er hielt inne und musterte mich verdutzt.

      „So wie bei Boris Becker, du weißt schon!“

      „Dass du dich so sehr für das Liebesleben der Möchtegernprominenz interessierst? Sehr kleinbürgerlich!“

      „Wenn schon!“ Ich winkte ab. „Jedenfalls hätte dir doch klar sein können, dass Bumsen zu Kindern führen kann und Kinder zu Kosten führen, oder?“

      „Ich dachte, sie verhütet!“

      „Ja doch – aber du hast sie nicht gefragt, oder?“ Wie oft hatten wir dieses Gespräch eigentlich schon geführt? Wahrscheinlich jedes Mal, wenn er den ausgebeuteten Geschiedenen gab, weil er sich nicht an den Kosten unserer Lebensführung beteiligen wollte. Dabei verdiente er gar nicht so schlecht. „Egal“, schloss ich das Ganze ärgerlich ab, „jedenfalls erwarte ich von dir pro Monat einen festen Unkostenbeitrag, sonst kann es so nicht weiter gehen.“

      „Würdest mich sonst rausschmeißen? Annemaus, das glaubst du ja wohl selbst nicht!“

      „O ja, das würde ich, du wirst schon sehen.“ Er streckte einen Arm aus und zog mich an sich. „Nein, das brächtest du nicht übers Herz“, raunte er und ließ seine Zunge kurz in mein Ohr gleiten. „Nein, wahrscheinlich nicht“, seufzte ich, „aber wenn ich noch einen Rest Hirn hätte, täte ich es.“

      „Für mich hast du noch genug Hirn“, murmelte er und küsste mich genießerisch. Seine Hand stahl sich langsam unter mein Flanellhemd. „Hm... du fühlst dich so gut an“, flüsterte er und zog mich entschlossen auf das immer noch ungemachte Bett.

      Hinterher plagten mich widerstreitende Gefühle. Einerseits war ich so richtig satt und zufrieden, wie immer, wenn Heiner und ich unsere Streitereien im Bett beigelegt hatten. Andererseits ärgerte ich mich, weil das Thema damit für ihn erledigt zu sein schien – aber ich hatte immer noch keinen Cent mehr im Geldbeutel! Und außerdem hatte ich allmählich das Gefühl, dass wir überhaupt nur noch miteinander schliefen, wenn wir uns vorher gestritten hatten. Stritten wir so oft oder bumsten wir so selten? Ich wollte die Frage Heiner vorlegen, aber der war eingeschlafen. Na, typisch! Ich rappelte mich auf und zog mich wieder richtig an – ganz ausgezogen hatten wir uns gar nicht.

      Und jetzt? Woher Geld nehmen? Meine Eltern anpumpen? Nur im äußersten Notfall! Verdammt, ich wurde im nächsten Januar dreißig, da konnte ich doch nicht mehr winselnd nach Hause gerannt kommen! Außerdem hatten meine Eltern schließlich noch mehr Kinder, und drei muntere Spätteenies bzw. Studienanfänger waren kein billiger Spaß. Erst vor einigen Wochen hatte Papi gesagt, wie froh er sei, dass wenigstens eine jetzt mit der Ausbildung fertig war. Als ob er sie bezahlt