Tod auf den Gleisen. Elisa Scheer

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Название Tod auf den Gleisen
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737564281



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aus, nickte zufrieden, lobte die beiden, verteilte das Trinkgeld, ohne sich über das Häuflein Sägemehl aufzuregen, unterschrieb die Rechnung und brachte die beiden samt ihrem Equipment zur Tür.

      Herrlich!

      Wieder allein – mit einem perfekten Schrank.

      Sie war gerade mit dem Stapel T-Shirts auf dem Weg, als das Telefon klingelte.

      Huch? Hatte das, seitdem sie hier wohnte, schon mal geklingelt? Der Festnetzanschluss? Wer kannte eigentlich die Nummer? Wahrscheinlich bloß wieder solche Gauner, die fragten, ob sie nicht einen Bausparvertrag – eine Umfrage – einen billigeren Handyanbieter – ein Diätzaubermittel….

      Nein – Silvia.

      „Na, kleine Schwester?“

      „Ich bin fünf Zentimeter größer als du!“, entgegnete Doro sofort. Silvia lachte. „Und ebenso viele Jahre jünger. Finde dich damit ab, du bleibst das Schwesterchen. Wie geht´s dir so?“

      „Gut. Ich habe gerade die Wohnung fertig eingerichtet.“

      „Na, endlich. Du wohnst doch schon bald fünf Wochen in diesem komischen Kaff.“ Doro ärgerte sich. „Na und? Ich muss doch nicht an einem Tag alles fertig haben.“ So wie du, du blöde Perfektionistin.

      „Na, dir hat es ja noch nie etwas ausgemacht, im Chaos zu hausen. Willst du überhaupt dort bleiben? Lass dich doch nach München zurückversetzen!“

      „Wozu? In Leisenberg lebt es sich viel günstiger. Und die Leute hier sind nett. Was soll ich schon in München?“

      „Und was ist mit Vinz und mir?“

      „Warum soll ich euretwegen nach München ziehen? Als ich noch in der Wörthstraße gewohnt habe, haben wir uns auch so nicht oft gesehen. Vinz hat immer was Trendigeres vor, und du bist ja auch dauernd beschäftigt.“

      „Soll das ein Vorwurf sein?“

      „Quatsch. Nur eine Feststellung. Was gibt´s denn bei euch Neues?“

      Silvia seufzte ausdrucksstark in den Hörer. „Noch nichts!“

      „Wie, nichts?“ Doro war ratlos. „Dass bei euch die totale Langeweile herrscht, kann ich mir nicht vorstellen. Ich denke, du wohnst in einer so pulsierenden Großstadt, kein Vergleich mit dem provinziellen Leisenberg?“

      Silvia hörte den Spott natürlich heraus – man kannte sich schließlich schon etwas länger. „Blöde Nuss, du weißt genau, was ich meine!“

      „Ach herrje, versucht ihr es immer noch? Mensch, Silvia, du hast doch drei wohlgeratene Kinder und die sind gerade aus dem Gröbsten heraus – und da wollt ihr euch das Ganze noch mal antun?“

      „Das verstehst du nicht“, maulte Silvia. „Gerade, weil die drei schon so selbständig sind… da ist man ja gar nicht mehr gefragt. Sogar die Hausaufgaben machen sie unaufgefordert! Ich brauche wieder jemanden, den ich umsorgen kann.“

      „Du hast auch noch einen Mann“, erinnerte Doro sie. „Kümmere dich doch mal um den! Oder um den Wiedereinstieg in den Beruf. Silvi, du bist erst dreiunddreißig, du bist noch nicht zu alt. Oder willst du Kinder kriegen, damit du bis zum Rentenalter gut beschäftigt bist? Viel Rente wirst du dann allerdings nicht kriegen.“

      „Sei nicht so fies. Und ich wüsste nicht, dass du so besonders viel von Männern verstehst, schon gar nicht von meinem.“

      Das stimmte allerdings. Doro kannte Günther, ihren Schwager, eher flüchtig und fand ihn herzlich uninteressant. Harmlos und belanglos. Vielleicht hatte er ja verborgene Tiefen, aber dazu hätte sie ihn besser kennen müssen. Ach, wozu? „Ich will gar nicht fies sein“, begütigte sie also. „Dann wünsche ich dir einfach viel Erfolg bei euren weiteren Versuchen. Was hättest du denn am liebsten, Bub oder Mädel?“

      „Noch ein Mädel… zwei Jungs und zwei Mädels wären doch toll… und von Mädchen hat man ja auch länger was.“

      „Ehrlich? Ich finde, Mädchen sind viel alltagstauglicher. Ich hab in meinen Kursen Jungs, die sind achtzehn und wenn sie was wollen, schicken sie die Mama rein. Den Mädels wäre das schon mit zwölf zu peinlich. Pass bloß auf, dass du nicht in fünfzehn Jahren als Hotel Mama dastehst.“

      „Das fände ich gar nicht so tragisch. Ist doch schön, wenn man noch gebraucht wird.“

      „Zum Frühstückmachen und Wäschewaschen? Silvi, was ist mit deinem Beruf?“ Silvia prustete verächtlich in den Hörer. „Zurück ins Büro? Ich bin doch nicht blöd!“ Silvia war Verwaltungsfachangestellte gewesen, bevor sie geheiratet hatte. Und da sie schon mit einundzwanzig geheiratet und dann zügig Lisa, Sebastian und Benedikt in die Welt gesetzt hatte, die jetzt elf, zehn und neun waren, hatte sie in ihrem Beruf nicht gerade lange gearbeitet. Vielleicht verständlich, dass ihr das jetzt etwas fern gerückt war, überlegte Doro.

      „Ja gut, aber vielleicht könntest du was anderes machen? Irgendein Hobby zum Beruf machen?“

      „In Volkshochschulkurse gehen, was?“, höhnte Silvia.

      „Quatsch. Selber welche geben schon eher. Oder einen Wollladen – ein kleines, aber feines Catering… irgend so was.“

      „Und warum soll ich mich nicht um meine Kinder kümmern? Immerhin muss Benni noch den Übertritt schaffen!“

      Doro verkniff sich eine Bemerkung über Eltern, die ihre Kinder um jeden Preis aufs Gymnasium prügelten, weil sie sich nicht vor den Nachbarn genieren wollten. „Und sonst ist bei euch nichts los?“, wechselte sie also entschlossen das Thema. „Was macht denn Vinzenz? Von dem hört man ja auch nichts.“

      „Weiß ich auch nicht. Geschäfte, denke ich. Mensch! Du kennst doch den Pointner, der bei uns an der Ecke zur Wasserburger diese Riesenscheune gebaut hat, oder?“

      „Den gelben Klotz?“, fragte Doro, die sich vage an das überdimensionierte Ding mit den vielen spacigen Erkern, Terrassen, Balkonen und merkwürdigen Einbuchtungen erinnerte. Dass so was genehmigt worden war?

      „Ja, genau. Der Pointner hat sich ja beim Boom 2000 dumm und dämlich verdient, nicht? Und jetzt hat er alles wieder verspekuliert.“

      „Hui“, machte Doro. „Hatte der nicht diese unglaublich arrogante Zimtzicke zur Frau? Die mit dem roten Sportflitzer und den Riesensonnenbrillen?“

      „Die Vanessa, genau. Naja, Hochmut kommt vor dem Fall. Jedenfalls, der Pointner hat sich vor den Zug geworfen, und die Vanessa muss aus dem Haus raus, wird alles zwangsversteigert, damit die Bank wenigstens einen Teil der Schulden wieder reinkriegt.“

      „Bitter. Der arme Mann. Ich muss zugeben, diese Vanessa tut mir jetzt nicht so furchtbar leid.“

      „Mir auch nicht“, sagte Silvia mit etwas schwankender Stimme.

      „Kicherst du etwa??“, fragte Doro streng, musste aber auch lachen. „Da gab´s doch mal eine Serie, wo ganz Reiche alles verloren haben und sozusagen ins Hasenbergl ziehen mussten… stell ich mir gerade mit Vanessa Pointner vor…“ Sie prustete los, und Silvia lachte mit.

      Schließlich wurde Doro wieder ernst. „Trotzdem, vor einen Zug? Das stelle ich mir total grässlich vor.“

      „Ja, ich auch. Aber anscheinend wollte er seinen Gläubigern und seiner Frau nicht ins Gesicht schauen.“

      „Gut, aber warum nicht eine friedliche Dosis Schlaftabletten?“

      „Musst du erstmal auftreiben. So viele verschreibt dir ja auch keiner. Und wenn du´s eilig hast…“

      „Na gut, dann Auspuffgase.“

      „Geht das mit Kat überhaupt noch?“, wandte Silvia ein.

      „Hm, weiß ich auch nicht“, musste Doro zugeben. „So einfach ist ein Selbstmord wohl doch nicht. Naja, Strick um den Hals geht wohl immer. Übrigens hatten wir hier auch so eine Bahnleiche. War aber wohl einfach ein Besoffener, der den Abhang runtergefallen und auf die Gleise gekullert