Das magische Armband. Janine Zachariae

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Название Das magische Armband
Автор произведения Janine Zachariae
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783748565260



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Es ist gut, wenn eine Diskussion läuft. Aber das nächste Mal vielleicht nicht ein ganz so deutliches Bild erklären, okay?« Er versuchte, streng zu klingen, aber ich erkannte ein leichtes Schmunzeln und wusste, wie er selbst zu diesem Thema stand.

      »Natürlich. Tut mir leid.«

      »Der Elternabend wird eine Weile dauern.«

      »Okay. Ich bin in der Nähe.«

      »Viel Spaß.« Vor der Tür traf ich Marie.

      »Bist du soweit?«, fragte ich sie und kannte natürlich die Antwort.

      »Wie sehe ich aus?«, erkundigte sie sich und ich schaute in ihr Gesicht. Die blauen Flecken schimmerten wieder hervor.

      »Warte mal kurz«, bat ich sie und ging zurück. Fragte Jacob, ob er mir den Wohnungsschlüssel geben könnte.

      »Ja, ich sollte dir mal endlich einen Nachmachen lassen, oder?«

      »Das ist es nicht. Marie sollte sich umziehen und ich glaube, duschen wäre auch ganz praktisch.«

      »Du bist wirklich lieb.«

      »Ich versuche, nur zu helfen.« Er reichte mir den Haustürschlüssel und ich versprach rechtzeitig wieder hier zu sein.

      »Keine Eile, wie gesagt, es kann ziemlich spät heute werden.«

      »Ich kann auch zu Hause warten, Molly ist ja da.« Er dachte kurz nach und nickte.

      »Okay, du kommst jetzt erst mal mit zu mir.«

      »Wirklich?«

      »Ja, nein, eigentlich ist es ja Herr Traums Wohnung, aber da ich da wohne, kommt es aufs Gleiche raus.«

      Langsam schloss die Tür auf und Molly kam uns entgegen. »Marie, darf ich dir Molly vorstellen?«

      »Wow.«

      »Ja, das war auch mein erster Gedanke bei ihr«, kicherte ich. »Okay, also du wirst erst einmal duschen. Das wird dir guttun und in der Zwischenzeit suche ich dir was zum Anziehen raus.«

      »Danke.«

      Ich bereitete im Bad alles vor und machte das Radio an. »Lass dir ruhig Zeit.« Sie lächelte und schlüpfte ins Bad. Ich suchte ihr ein T-Shirt raus, welches etwas weiter war und noch eine etwas ältere Jeans, die ich aufbewahrte. Als die Dusche wieder ausging, fragte ich, ob ich kurz reinkommen könnte. Vorsichtig reichte ich ihr die Klamotten. »Brauchst du noch irgendwas?« Sie war in ein Handtuch gewickelt.

      »Unterwäsche?«, sie klang sehr verschüchtert. Ich hob das T-Shirt und da lag es. »Danke.«

      »Gerne. Du kannst dich bedienen. Und wenn du willst, kann ich dich wieder etwas schminken. Bodylotion und alles, was du eventuell benötigst, findest du im Spiegelschrank.« Sie sah mich an und erinnerte an einen kleinen Welpen. Ich nickte und verschwand wieder. Als sie die Tür öffnete, wirkte sie wie ein neuer Mensch. »Das passt ja alles«, quietschte sie entzückt.

      »Ja, ich hab ein gutes Augenmaß. Ich würde dir die Klamotten gerne schenken.«

      »Wow, danke.«

      »Wenn ich dir sage, dass du oft etwas zu altmodisch rum läufst, meine ich das nicht böse. Aber du brauchst Farbe an dir.« Sie lächelte dankend. Mit einer Bürste begann ich schließlich ihr Haar zu bearbeiten. Bis es locker auf ihre Schulter fiel. Sie hatte sich die Haare etwas geföhnt, der Rest würde durch die Sonne trocknen. »Okay, heute Morgen musste ich improvisieren. Aber ich hatte eben genug Zeit gehabt, um mir ein Make-up für dich auszudenken. Wenn du mich lässt?« Sie lächelte und ich machte mich ans Werk, die Grundierung auf zu tragen. Sie trug eine stonewashed Bluejeans, dazu ein lila T-Shirt mit einem Frosch drauf. Also wählte ich rosa Lidschatten, der ins lila überging. Etwas Kajal und Wimperntusche und sie sah frisch aus. Ich drehte sie zum Spiegel und sie konnte kaum glauben, was sie da sah. »Du bist nicht hässlich. Und ich hoffe, du erkennst es auch endlich an.« Sie wirkte verlegen. »Lass uns raus gehen.« Ich selbst war kurz im Bad von Herrn Traum. Aber umziehen brauchte ich mich nicht. Wir setzten uns in ein Café, welches nicht weit von der Schule war. Ich schaute in die Karte und als die Kellnerin kam, bestellte ich - zum Kaffee - noch ein paar Kekse. Als sie unsere Bestellung brachte, schob ich den Teller mit dem Gebäck zu Marie. Nahm mir aber selbst auch einen. »Du brauchst das auch ab und zu. Es ist wichtig, damit dein Blutzucker oben bleibt.« Sie nahm sich einen und biss rein. Zuerst zaghaft, doch dann nahm sie Geschmack. Als hätte sie seit Tagen nichts mehr gegessen. Und vielleicht war es das ja auch - abgesehen vom Sandwich vor wenigen Stunden.

      Als wir unsren Kaffee tranken, spürte ich, wie sie etwas sagen wollte, es sich aber nicht traute.

      »Marie«, begann ich, »du kannst mir vertrauen. Wenn du darüber reden willst, was dir deine Eltern antaten, dann kannst du es mir sagen.«

      Sie überlegte.

      »Du hast die Blessuren gesehen.« Ich nickte und tätschelte ihren Arm.

      »Was war es für ein Gerücht, welches sie so verstörte?«

      »Sie hörten, ich sei lesbisch.« Das dachte ich mir schon.

      »Und sie haben so reagiert?«, ich war entsetzt. Sie nickte traurig. »Das ist nicht fair«, fügte ich hinzu. »Es gibt nichts, was ich jetzt sagen könnte, damit du dich besser fühlst. Gibt es Verwandte, die du besuchen könntest?«

      »Meine Schwester wohnt nicht weit weg.«

      »Würdest du zu ihr gehen? Du musst dringend von deinen Eltern weg.«

      »Ich könnte sie anrufen.« Ich wartete, während sie sprach. »Heute Abend kann ich zu ihr. Ich müsste zu mir, um ein paar Sachen zu packen.«

      »Ich helfe dir.« Marie bedankte sich und wirkte noch immer so verloren. Ich bezahlte und wir gingen zu ihr. Ihre Eltern waren nicht da. Was gut war, denn sonst hätte ich vielleicht etwas gesagt, was ich bereuen würde. Als wir in ihr Zimmer ankamen, schaute ich mich etwas um. »Du hast es schön hier«, bemerkte ich und setzte mich auf ihr Bett. Als sie fertig packte, gesellte sie sich zu mir. »Ich hab grade nachgeschaut, wann der nächste Bus fährt«, erklärte ich ihr, als ich mein Smartphone weglegte. »Ich kann dich in anderthalb Stunden hin begleiten.«

      »Danke.«

      »Kein Thema. Wie geht es dir eigentlich?«

      »Dank dir, besser«, sie lächelte.

      »Schön.«

      »Hast du eigentlich kein Problem damit, was ich dir erzählt habe?«

      »Ich habe ein Problem damit, wie dich deine Eltern behandelt haben und es macht mich wütend. Aber nein, damit hab ich kein Problem. Ich bin sogar froh, dass du es aussprechen konntest.«

      »Wieso?«

      »Weil nicht viele den Mut haben es, zu riskieren.«

      Sie nickte. Und wurde plötzlich sehr traurig. Ich nahm ihre Hand. »Mach dir keine Sorgen, deine Eltern werden darüber wegkommen und sie werden sich selbst hassen, für das, was sie dir antaten.«

      »Glaubst du das wirklich?« Ich nickte. »Und was, wenn nicht?«

      »Sobald sie dein Verschwinden bemerken, werden sie es einsehen. Ihre Reaktion war absolut falsch. Du kannst sie anzeigen, weißt du. Du kannst dafür sorgen, dass sie es nicht noch mal machen.«

      »Es war das erste Mal.«

      »Es war immer das erste Mal«, sagte ich leise.

      »Wie meinst du das?«

      »Niemand hat das Recht, seine Kinder zu schlagen oder irgendjemandem Gewalt anzutun.« Während ich das sagte, wusste ich, ihre Mutter hörte zu. Ich hatte ihre Schritte gehört und fügte, etwas lauter hinzu: »Du hast ein Recht zu lieben, wen du willst. Du hast ein Recht darauf, geliebt zu werden. Es spielt keine Rolle, ob du - glaubst - zu dick zu sein. Es spielt auch keine Rolle, ob du lesbisch bist oder nicht. Du musst dich akzeptieren. Du bist so, wie du bist. Nur das zählt. Lass dir, besonders von deinen Eltern, nicht einreden, es nicht wert zu sein geliebt