Название | Er nennt's Vernunft |
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Автор произведения | Regine Wagner-Preusse |
Жанр | Социология |
Серия | |
Издательство | Социология |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750235328 |
Das Erstaunlichste aber ist, dass Marx die Parallele >Proletariat - Volk Israel< sogar selbst zog. ... in >Die Klassenkämpfe in Frankreich< verwendete Marx selbst dieses Bild und zog selbst die Parallele >Proletariat - Volk Israel<, wenn er schrieb: >Das jetzige Geschlecht gleicht den Juden, die Moses durch die Wüste führt. Es hat nicht nur eine neue Welt zu erobern, es muss untergehen, um den Menschen Platz zu machen, die einer neuen Welt gewachsen sind.
Marx lernte das wirkliche Proletariat erst Ende 1843, Anfang 1844 in Paris kennen, also erst zu einem Zeitpunkt, da seine Vorstellung vom Proletariat als einem modernen Volk Israel bereits ausgebildet war. ...Aber andererseits wurde Marx durch diese apriorische Identifizierung des Proletariats mit dem Volk Israel dazu verführt, das Proletariat - und sein Verhältnis zur Bourgeoisie - zu mythologisieren. Er sah von allem Anfang an nicht das wirkliche, sondern ein idealisiertes Proletariat...Dass es sich hier um eine unbewusste Idealisierung, Mythologisierung des Proletariats handelte, hat keiner überzeugender bestätigt als Marx selbst, der später ein Leben lang in seiner Korrespondenz mit Engels die Arbeiter verachtend als Knoten, Straubinger, eine Bande von Eseln ... titulierte. ...
Für Marx persönlich bedeutete die >Entdeckung< des Proletariats in gewissem Sinne das Ende seiner Entfremdung. Nun hatte er sein Volk gefunden, in dem er zu Hause war, den Ersatz für das verlorene Heimatvolk der Rabbiner-Ahnen und für das nie als solches erlebte preußische Vaterland, sein Volk überdies, dessen er allein schon um seiner Berufung willen bedurfte, brauchte er doch ein Medium, den Auftrag zur Menschheitserlösung zu verwirklichen. ... diese Überwindung der Entfremdung beruhte ... auf einer Projektion, der Identifizierung des Proletariats mit dem Volke Israel, und war deshalb, psychologisch gesehen, eine Pseudo-Überwindung. Ihre Voraussetzung war die Nicht-Überwindung, das Sich-nicht-bewusst-Werdens seines jüdischen Selbsthasses, der seinerseits durch die Verdrängungen, die er implizierte, eine entscheidende Voraussetzung dieser Projektionen war.
Das Proletariat als projiziertes Volk Israel bei Marx hatte mit dem real existierenden Proletariat wenig zu tun. Marx hatte in seiner Dialektik von Sein und Bewusstsein das Sein des einzelnen auf dessen ökonomische Situation reduziert. Wie sich der einzelne auf die Realität bezieht ist jedoch auch von historischen, kulturellen und psychologischen Gegebenheiten abhängig. Marx hatte Faktoren wie die familiäre Situation, den lebensweltlichen Hintergrund, religiöse und kulturelle Einflüsse und die individuelle psychische Disposition unterschätzt. Das hat die Geschichte das Kommunismus und Sozialismus gezeigt.
Hier komme ich nicht weiter mit den marxistischen Kategorien. Auch nicht, wenn ich darüber nachdenke, wie Edwin, der Facharbeiter, und Elsa, die Büroangestellte, ein im marxistischen Sinne „richtiges“ Bewusstsein entwickeln konnten. Richtiges Bewusstsein. Was für ein Ausdruck. Als gäbe es falsches Bewusstsein. Für wen? Warum lassen sich meine Freunde Elsa und Edwin, denen es doch als Mitglieder der Arbeiterklasse recht gut geht, angeblich nicht manipulieren? Wo haben sie es her, ihr „richtiges“ Bewusstsein? Woher wissen sie um ihre historische Offensive aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Heer der Arbeiter und Angestellten? Von der historischen Mission der Arbeiterklasse, sich und die ganze Menschheit von den Fesseln der Ausbeutung zu befreien? Das fragt nur die leise Stimme in mir. Der Gruppendruck war groß, damals. Und Linke übten eine große Anziehung aus auf mich. Demonstrationen, alternative Lebensformen, Protest in Literatur und Musik. Moral, Religion, Erziehung, alles wurde in Frage gestellt. Das gefiel mir, vor allem sollte das Leben freier und leichter werden, wenn autoritäre Erziehungsgrundsätze in Familie, Schule und Gesellschaft überwunden würden.
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