Die Brücke ins Irgendwo. null michelle_werner

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Название Die Brücke ins Irgendwo
Автор произведения null michelle_werner
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847648390



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zeigte er auf die linke Seite des Raumes.

      „Jedes Paket enthält alle Teile die du für ein neues Leben benötigst. Jedes Paket ist gleich und du schuldest dafür eine bestimmte Anzahl von Gefallen“ erklärte der große Mann. José hatte großes Vertrauen zu ihm, so als er ihn schon ewig lange kennen würde.

      „Ich verstehe das mit der bestimmten Anzahl an Gefallen nicht, wie viele kostet es denn? Kannst du mir das bitte ein bisschen erklären?“ sagte José mit flüsternder Stimme, denn er traute sich hier gar nicht lauter zu sprechen. Um ihn herum war alles so leise.

      „Wie viele Gefallen es sind, kann ich dir leider nicht sagen, denn darüber darf hier nicht gesprochen werden – damit du frei für deine Entscheidung bist. Aber es sind jene Gefallen die du später anderen Menschen machen wirst, ohne dass du genau sagen könntest, warum du es machst oder was es überhaupt für einen Sinn macht, diesen Gefallen zu gewähren. Du wirst sie alle erbringen, da mache ich mir gar keine Sorgen darüber.“

      Dieses Spiel begann José zu gefallen, auch wenn er es noch nicht so ganz verstanden hatte. Bestimmt würde er es später verstehen, wenn er ausgewachsen wäre. José hatte ganz schön zu schleppen, an diesem Basispaket. Es fühlte sich fast so schwer an, wie er selbst war. José wusste, dass man tapfer zu sein hat, wenn man eine Last tragen musste. Dies hatte er schon bei Großmutter gelernt. Wie es ihr wohl jetzt ginge – ganz ohne ihn – ihren Glücksengel?

      Alles was du brauchst – oder möchtest

      „Jetzt werden wir schauen, was du noch alles brauchst, oder möchtest. Gehen wir einmal links in diesen Raum. Hier gibt es Köpfe und wenn du magst, dann kannst du den Kopf aus deinem Basispaket hier ablegen und dir einen anderen aussuchen. Es genügt, dass du es denkst, du brauchst nichts anzufassen. Du kannst dir einen Kopf aussuchen, der so aussieht, wie Albert Einstein, oder wie Ludwig van Beethoven, oder wie Mohandas Gandhi oder was immer du dir wünscht.“

      „Ist das denn nicht egal?“ fragte José zurück. „Ist es wirklich so wichtig wie man aussieht? Dies waren doch bestimmt liebe Menschen, die sich bemühten, ihr Bestes zu geben!“

      „Das solltest du mal den Menschen da unten sagen!“ meinte der Mann ohne Zeit und Alter. „Viele sind unglücklich, wenn sie nicht wie ein bestimmter Star aussehen und die Chirurgen verdienen sich dumm und dämlich, die Haut zu schneiden, zu spannen und so weiter. Manche nehmen sogar in Kauf, dafür zu sterben, aber das ist eine andere Geschichte, für die wir jetzt keine Zeit haben.“

      „Doch nicht so zeitlos“, dachte José und musste ein wenig Schmunzeln. Während er darüber nachdachte, was er denn jetzt tun sollte, fügte der Mann noch etwas hinzu.

      „Manche der Köpfe kosten natürlich mehr Gefallen als der in deinem Basispaket und andere kosten weniger. Wenn du dir jetzt einen sehr wertvollen Kopf aussuchst, dann musst du später bei einem anderen Teil wieder etwas einsparen. Du musst eben dann kürzere Beine, oder irgendwas anderes nehmen, dass diese Gefallen wieder einspart.“

      „Dann sollte ich aber wissen, was jeder Kopf kostet“ sagte José ganz ohne Hemmungen. Der gütige Herr sah ihn mit ganz großen Augen an und sagte dann: Stell dir vor, hier stünde der Kopf deiner Großmutter, der deiner Mutter und andere und alle hätten ein Preisschild dran! Würde dir das denn gefallen?“

      „Natürlich nicht“ musste José schnell protestieren. Wie kann man nur auf so eine Idee kommen?“ und dabei stemmte er seine Hände in seine Hüften.

      „Entschuldige“, sagte der kluge Mann – „du hast gefragt und ich habe dir geantwortet. Aber vergessen wir das mal! Welcher Kopf würde dir denn gefallen?“

      José musste gar nicht lange überlegen, er wusste es schon. „Am liebsten hätte ich meinen, denn an den habe ich mich schon gewöhnt.“ Der mächtige Mann, der offenbar hier das große Sagen hatte, machte ein ganz verlegenes Gesicht, denn so war das eigentlich nicht gedacht.

      Gnusch in der Köpfe-Buchhaltung

      Dann sprach er: „Also wenn ich es mir genau überlege, schulde ich dir auch einige Gefallen dafür, dass du jetzt hier bist und daher soll es so sein, wie du es dir wünscht. Du behältst deinen Kopf, auch wenn das hier jetzt ein kleines Durcheinander in der Köpfe-Buchhaltung auslösen wird.“

      José hätte natürlich jetzt gern gewusst, was das ist, eine Köpfe-Buchhaltung, aber sein Begleiter schüttelte nur den Kopf und schon wusste José, dass man so etwas nicht frägt. Also ging es weiter und José war froh darüber, für seinen Kopf – den Großmutter immer so bewundert hatte – keine anderen Einsparungen vornehmen zu müssen. Schließlich hatte José immer Liliputaner bedauert, weil die mit ihren kurzen Beinen nie lange Hosen anziehen konnten.

      Sie kamen zu den Ohren und als José die Spitzohren von Mr. Spock sah, musste er laut kichern. Hier gab es wieder alles, was man sich vorstellen konnte. Große runde, kleine dünne, eng anliegende, sogar abstehende Fliegerohren und noch eine Menge mehr.

      José meinte nur ganz trocken: „Also wenn du diese Basispakete gemacht hast, dann bin ich mir sicher, dass die Ohren gut zu mir passen werden, da mach ich mir keine Gedanken.“

      Dann kamen Münder, Nasen, Kinn, Haarfarben und viele, viele andere Dinge. José blieb ganz standhaft und fand, dass er nichts tauschen möchte. Nur bei den Wangengrübchen wurde er für einen kurzen Moment schwach. Er hatte diese Grübchen so sehr an seiner Mutter geliebt und manchmal sogar gewünscht, dass er auch so etwas bekommt, wenn er ausgewachsen ist. Dann aber fiel ihm wieder ein, dass er dann wieder wo anders einsparen müsste – zum Beispiel eine Zehe weniger und das wollte er dann auch wieder nicht.

      „Wie mir scheint“, begann der weise Mann wieder zu sprechen, „bist du klüger, als viele andere Menschen. „Ich hatte hier schon welche, die sich mit bestimmten Körperteilen völlig verausgabt hatten und diese Wesen mussten dann am Schluss das Einsparungshirn nehmen, mit dem man dann zwar schön, aber auch ein bisschen unklug ist.“

      Und so blieb es bei dem, was er in seinem Basispaket hatte. Zu guter Letzt gab ihm der Mann mit dem wundervollen Gesicht ein Schächtelchen als Dankeschön zu dem, was er bereits hatte, weil José so bescheiden war. José sollte diese Geschenke verschlossen halten, er würde schon merken, was es alles ist, wenn es so weit war. „Und ja, ein Wangengrübchen ist auch dabei“ sagte der gütige junge, alte, wunderbare und weise Mann.

      José freute sich über alle Maßen über die Grübchen und über alles andere, aber eines musste er noch schnell loswerden; „Wenn du den lieben Gott triffst, dann richte ihm bitte aus, dass ich ihm für alles von Herzen danke und dass ich sehr froh bin, dass es ihn gibt“

      Der wunderbare Mann nickte zustimmend und sagte: „Das werde ich auch gleich tun und ich bin mir sicher, dass Gott sich ebenso über dich freut!“

      Dann zeigte der Mann José noch den Weg und war ebenso plötzlich verschwunden, wie er gekommen war. Gern hätte José noch erfahren, was Jacques erlebt hat, aber José musste sich jetzt auf den langen Weg zurück machen, sonst würde er noch zu seiner eigenen Geburt zu spät kommen und das gehört sich bestimmt nicht. Auf dem Weg hinunter zur Erde vergaß er, was er alles erlebt hatte, wer er zuvor gewesen war, einfach alles, denn er sollte bei einer neuen Familie einen ganz neuen Anfang machen können.

      Laras gebrauchtes Baby

      In demselben Rettungsauto in dem sich zuvor José und Jacques vom Leben verabschiedet hatten – noch bevor sie ins Hospital gekommen waren, lag jetzt eine Frau, die auf dem Weg ins Hospital war. Sie hatte bereits Wehen und der Rettungswagen konnte gar nicht schnell genug fahren, denn das Baby wollte endlich aus seiner Höhle kommen. Als die Wehen schon in ganz kurzen Abständen kamen, meinte der Rettungsarzt, dass sie es wohl nicht mehr bis zur Klinik schaffen würden. Also deutete er dem Fahrer, dass dieser am Straßenrand anhalten sollte. Blaulicht und Sirene waren schon an und so blieben sie leuchtend wie ein Christbaum am Straßenrand stehen.

      Anschließend