Название | Mitten in OstHolstein |
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Автор произведения | Andrea Lieder-Hein |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783847655725 |
Pia schaute noch einmal an sich hinunter, ob auch alles korrekt saß. Dann betrat sie das Gebäude. Eine junge, blonde Frau führte sie zu der Geschäftsführerin Merle Nissen.
Eine etwas abgearbeitete Mitvierzigerin mit kurzem Haar und Riesenbrille begrüßte sie und bat Pia, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Sie stellte sich als Merle Nissen vor. Kurze Zeit später brachte die junge Frau vom Empfang Kaffee und Kekse.
Nach einer knappen halben Stunde schien die Sachlage geklärt. Pia fühlte sich ab sofort als neue Mitarbeiterin der Zeitungsgruppe OstHolstein. (ZGOH)
Frau Stein, Sie fangen zwar erst am 1. Oktober bei uns an. Allerdings habe ich da noch eine Bitte. Möglicherweise haben Sie in den DN schon von dem tragischen Unfall der siebenjährigen Amelie Jorgensen gelesen. Sie wurde auf dem Zebrastreifen von einem Jugendlichen überfahren und starb in den Armen ihres Vaters.
Nein, leider nicht. Ich habe noch keine Wohnung hier in der Nähe von Dorndorf, weil ich erst Ihre Zusage brauchte. Noch lese ich das „Bremer Tagblatt“.
Ach, richtig. Sie wohnen ja noch in Bremen. Nun denn, besorgen Sie sich im Empfang die entsprechende Ausgabe und studieren Sie den entsprechenden Artikel sorgfältig. Das anhängige Gerichtsverfahren birgt Sprengstoff, den wir gerne unseren Lesern hautnah berichten wollen. Sie sehen gut aus, der Vater der Kleinen ist völlig alleine. Seine Frau starb vor sieben Jahren an Krebs. Er verkaufte damals seine Schönheitsklinik, um nur für seine Tochter da sein zu können. Und dann stirbt sie auf so tragische Weise. Da benötigt er jetzt eine tröstende Hand. Seien Sie diese Hand. Dann setzten wir Sie auf den Artikel der Gerichtsverhandlung an. Das mag sich noch Monate hinziehen, aber Sie sind ja auch noch in Bremen.
Ich wünsche uns und Ihnen eine gute Zusammenarbeit. Dr. Leif Jorgensen hat übrigens einiges zu bieten. Nutzen Sie jede Gelegenheit, um an brisante Informationen zu kommen.
Mit diesen Worten wurde Pia verabschiedet. Während sie langsam zu ihrem Land Rover ging, freute sie sich auf einen reichen, gut aussehenden Arzt, der ihre Hilfe brauchte. Und sie sein Geld.
***
Leif Jorgensen schaute aus seinem Wohnzimmer auf die Terrasse. Fast vier Wochen lag Amelie nun schon bei Freya und er war jeden Tag dort. Leise erzählte er dann immer seinen beiden Liebsten am Grab von seiner Einsamkeit, seinem Kummer und der Leere in seinem Herzen. Während er ein paar Schritte auf den gepflegten Rasen machte, schaute er blinzelnd in die Sonne. DA oben ... irgendwo ... sagt man ...
Zurück im Wohnzimmer fiel sein Blick auf seine kleine alkoholische Bar. Er trank wenig bis kaum, da er es sich als Arzt nicht leisten konnte, mit einer Fahne zu operieren. Nein, er trank wenig, mit Genuss und nur an Wochenenden oder im Urlaub.
Aber er war seit sieben Jahren nicht mehr im Dienst. Trotzdem hatte sich sein Trinkverhalten nicht geändert, ... bis auf diesen Tag.
Sein Blick glitt suchend über die Flaschen. Whisky, den wollte er jetzt.
Es war erst später Nachmittag, aber der Whisky, verdünnt mit Eis, schmeckte herrlich. Gegen 20 Uhr hatte er das erste Drittel der Flasche geleert und freute sich auf ein nächstes Glas, als es an der Türe gongte. Er erwartete niemanden, kannte auch niemanden mehr näher, da er sein ganzes Leben seit Freyas Tod ausschließlich seiner Tochter gewidmet hatte. Also reagierte er nicht. Erst, als es mehrmals hintereinander gongte, störte es doch so, dass er ungelenk aufstand und zur Türe ging.
Er öffnete die Haustür. Vor ihm stand eine junge Frau. Groß, schlank aber nicht dürr, mit kohlrabenschwarzem Haar. Sie trug das leicht gewellte lange Haar im Nacken gebunden.
Unter einem exakt gerade geschnittenen Pony blitzten ihm zwei dunkelbraune, schwarz umrandete Smokey Eyes entgegen. Ihre vollen Lippen öffneten sich und er hörte so etwas wie „Darf ich eintreten?“
Er kannte die Frau nicht, wollte sie auch nicht kennen lernen! Nicht jetzt und nicht in Zukunft. Aber ehe er die Türe wieder schließen konnte, schob sie ihn vorsichtig beiseite und trat ein.
Leif wankte etwas unsicher zur Couch und die Fremde folgte ihm. Sie platzierte sich auf den Sessel gleich neben ihm.
„Ich heiße Pia Stein und habe von dem traurigen Schicksal ihrer Tochter Amelie gelesen. Meine große Schwester starb damals ebenfalls mit sieben, bei einem Badeunfall. Ich war erst fünf, aber ich habe bis heute diese Leere im Herzen, diese Schuldgefühle im Kopf. Deshalb hat mich Ihr Schicksal so berührt.
Ich weiß genau, wie Sie sich fühlen. Der Schmerz. Nach dem Tode Ihrer Frau und nun auch die kleine Amelie“. Bei diesen Worten berührte sie ganz leicht mit ihrer rechten Hand seinen Oberarm, kurz vor der Schulter. So, wie sie es in den drei Rhetorik-Kursen gelernt hatte, um zu überzeugen oder gar zu manipulieren. Denn eine Schwester hatte Pia nie gehabt.
Leif wusste nicht, woher die Frau das alles wusste, aber er fühlte sich plötzlich nicht mehr so alleine, so einsam. Der Trauer-Panzer zerplatzte und einige Tränen liefen ungebremst über sein Gesicht. Pia setzte sich neben ihn, nahm seinen Kopf beruhigend an ihre Brust und strich zärtlich über seine hellbraunen Locken. Das tat ihm gut. Er wurde ruhiger. Er fühlte sich zum ersten Mal nach Amelies Tod wieder aufgefangen.
Als er am nächsten Morgen erwachte, lag sein Kopf immer noch an der Frau, die sich Pia nannte. Allerdings war Leif völlig nackt. Beim näheren Hinschauen entpuppte sich auch diese Pia als nackt. In seinem Bett. Wie war sie da hinein gekommen? Was hatten sie gemacht? Was wollte sie?
Vorsichtig stieg er aus dem Bett und ging unter die Dusche. Als er nach ungefähr zwanzig Minuten geduscht und geföhnt wieder ins Schlafzimmer kam, war die Frau weg.
Verwundert, aber doch froh, machte er sich auf zu seinem Dorndorfer Lieblings-Bäcker und bestellte ein ausgiebiges Frühstück mit Rührei, Brötchen, Käse, Marmelade und Wurst. Dazu zwei Becher Kaffee. Das tat ihm jetzt gut.
***
„Nun erst eine Weile zappeln lassen, damit er gut am Haken sitzt“, dachte Pia, als sie sich in Bremen um die Auflösung ihrer Wohnung kümmerte. In Dorndorf hatte sie bereits eine kleine drei-Zimmer-Wohnung ab August gemietet. Ganz in der Nähe von Dr. Leif Jorgensen. Was für ein Zufall.
***
Im August und September war Pia nur mit auspacken, einrichten und zusammenschrauben beschäftigt. Da sie in Dorndorf noch niemanden näher kannte, erledigte sie alles selbst. Sie stammte aus einer Tischler-Familie und ihr Vater war ihr bester Lehrer gewesen.
Nachdenklich blickte sie auf ihr Smartphone. „Jetzt oder nie“, dachte sie. Etwas nervös machte sie sich auf zum „Café Linde“ im „Baumviertel“ und bestellte sich einen doppelten Espresso. Dann rief sie ihn an.
Jorgensen.
Hallo, Leif, hier ist Pia, Pia Stein.
Wer ist da, bitte?
Ich hatte Sie Ende Juli besucht, weil ich von Ihrem Schicksal erfahren hatte.
Ach ja, ich erinnere mich schwach. Und was wollen Sie noch?
Ich sitze gerade in Dorndorf im „Café Linde“ und trinke Kaffee. Haben Sie Lust, auch einen Kaffee zu trinken? Mit mir? Hier?
Ja, also, ... gut, ich bin in zehn Minuten bei Ihnen.
Eine Viertelstunde später saß er neben ihr und trank Kaffee schwarz.
Wohnen Sie hier?