Mitten in OstHolstein. Andrea Lieder-Hein

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Название Mitten in OstHolstein
Автор произведения Andrea Lieder-Hein
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783847655725



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Schritt dahin war der Verkauf seiner Klinik. Die „Privatklinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie“ in Eutin war äußerst erfolgreich, da er und sein Team wirkliche Wunder verbringen konnten. Das betraf sowohl verbrannte und schwer entstellte Menschen als auch die sogenannte Schönheitschirurgie.

      Die gutgehende Klinik hatte er von seinem Vater geerbt, als dieser mit 55 noch einmal heiratete und in die Vereinigten Staaten zog.

      Mit dem Erlös der Klinik war sein Leben mit Amelie mehr als gesichert.

      001 Sechs Jahre später

       Es ist noch zu früh, Amelie. Die Einschulung beginnt erst um 10 Uhr.

       Ja, aber ich möchte noch zu Mami ans Grab. Die Schultüte zeigen.

       OK, dann aber los. Hast du alles?

       Ja, Papa.

      Hand in Hand gingen Amelie und ihr Vater auf den Dorndorfer Friedhof. Das taten sie mindestens einmal die Woche, aber inzwischen nicht mehr traurig, sondern freudig und lachend, um Freya die neuesten Dinge zu berichten. Amelie nahm auch immer ihre Stoffpuppe Mukkel mit, das war Pflicht, denn die hatte ihr Mama zur Geburt geschenkt.

      Es war ein warmer August-Samstag und Amelie trug schwer an der prall gefüllten Schultüte und Mukkel.

      Der Friedhof befand sich etwas außerhalb von Dorndorf. Die Gräber lagen geschützt vor zu viel Sonne, Regen oder Schnee zwischen Fichten und Birken. Amelie liebte diesen stillen Ort, an dem ihre Mama lag. Ihre Mutter, die sie nie kennen lernen durfte.

      Kurz vor zehn fuhren die beiden zur Christophorus-Kirche. Dort begann die Einschulung jedes Jahr mit einem Gottesdienst. Die kleine Kirche war immer voll, obwohl der Gottesdienst nicht verpflichtend war. Alle Eltern und Verwandten freuten sich mit den Erstklässlern auf diese gemeinsame Stunde in der Kirche. Das Besondere war nämlich, dass die Jahrgänge 2-4 die gesamte Stunde selbst gestalteten. Immer. Die Kleinen sangen oder spielten kleine Szenen. Die Großen lasen kleine Texte oder spielten auf ihren Instrumenten. Sogar die kurze Predigt wurde von den Kindern mit kleinen Text-Einschüben begleitet.

      Auch dieses Mal war es wieder ein ganz wunderbares Erlebnis für alle in der kleinen, alten Backsteinkirche mit den bunten Glasfenstern.

      Nach dem gemeinsamen Gottesdienst ging es endlich in die Klassen. Die kleine Grundschule lief zwei- bis dreizügig. Dieses Jahr wurden in zwei Klassen je 21 Kinder eingeschult.

      Es war ein schöner Einstieg und Amelie verkündete stolz: „Jetzt beginnt der Ernst des Lebens“, worüber ihr Vater herzlich lachte. „Ein wenig altklug, aber doch wahr“, dachte er und schmunzelte in sich hinein.

      002 Versetzt in Klasse ZWEI

       Papa, Papa, hier, mein Zeugnis.

       He, Amelie, Ferien!!!

       Ja, aber schau mal, mein Zeugnis... hier

       Oh, Sozialverhalten prima, selbstständig arbeiten,

       Zahlenrechnen auch, sicher und gewandt bei Addition und Subtraktion, ... Amelie, du bist großartig. Was machen wir heute? Als Belohnung?

       Zoo gehen... Zoo gehen... Erlebnis-Zoo Grömitz.

       OK, dann zieh dich locker an, es ist ziemlich warm. Willst du noch was essen?

       Nein, machen wir da.

       Gut, bis gleich. Ich zieh mich auch eben um.

      Der Grömitzer Zoo war ein Erlebnis-Zoo auf einem riesigen Gelände von über 10ha. Da Leif und Amelie sportlich waren und den ganzen Tag über Zeit hatten, konnten sie alles begutachten, was Amelie so liebte. Und dann waren sie endlich da!

      Der weiße Multi-Van schwenkte von der B501 ein zu den kostenlosen Parkplätzen am Zoo. Amelie zeigte Mukkel, ihrer kleinen blauen Stoffpuppe, den Eingang und sagte: „Mukkel, immer schön bei mir bleiben, der Zoo ist riesig und ich will dich nicht verlieren.“

       Was wollen wir machen, Amelie? Schon einen Plan?

       Hmmm, erst essen, dann Seehunde und Stachelschweine gucken.

       Gut. Warte, Fütterung der Seehunde 16:00 Uhr und Stachelschweine ...ahh, 15:30. Das passt. Also auf zum Essen.

       Ich LIEBE die Arche Noah, Papa, hier ist es soooo super schöööön.

       Gut, wo willst du sitzen? Im Schatten unter dem roten Schirm?

       Au jaaaaa...

       Such dir was zum Essen aus. Ich schau auch mal.

       Ich möchte Fischstäbchen mit Pommes oder Kartoffelpuffer mit Apfelmus. ODER Kinderschnitzel mit Pommes und Gemüse. Oder ....

       Amelie, du suchst dir jetzt eine der drei Speisen aus, die du wirklich möchtest und ich such noch etwas für mich.

       OK, ich ess’ Milchreis mit Kirschen.

       Das ist vernünftig bei der Hitze. Aber du bist ganz sicher? Milchreis?

       Ja, Papa. Und eine Cola. Und du?

       Hmmm, ich esse die Kartoffelpuffer mit Apfelmus. Currywurst ist auch lecker, aber nicht bei der Hitze.

      ***

      Gegen 15:00 Uhr machten sich Vater und Tochter auf zu den Stachelschweinen. Viele Besucher standen schon dicht gedrängt bei den Tieren, und die beiden hatten alle Mühe, dichter ran zu kommen. Viele Kinder lachten und juchzten und feierten ihren ersten Ferientag in den Sommerferien.

      Als Vater und Tochter einen halbwegs guten Platz gefunden hatten, griff Leif in seine Tasche und holte eine kleine pinke Lumix heraus. Er strahlte seine Tochter an und reichte ihr die Kamera. „Hier, mein Schatz, da kannst du alles festhalten, was dir heute gut gefällt. Mach ganz viele Fotos und Videos, die schauen wir uns dann zu Hause an.“

      Amelie fiel ihrem Vater trotz Platzmangel um den Hals und rief „DANKE, Papa, Danke“, und plötzlich fingen einige Leute an zu klatschen, lachten, zeigten auf Vater und Tochter, bis die ganze Zuschauer-Schar klatschte und sich mit Amelie freute.

      Gegen 18:00 ging es dann heim, kurz bevor die Arche Noah schloss. Beide waren super glücklich und wohlig erschöpft, als sie in den Van stiegen.

      Zu Hause angekommen packte Amelie ihre Kamera aus, entnahm ihr die 16MB Speicherkarte und steckte sie in den Schlitz am Laptop ihres Vaters. Wenig später waren alle 272 Fotos und 7 Filmchen geladen. Bei einem Eistee und Schokoladenkuchen setzten sie sich feierlich ins Wohnzimmer und betrachteten Fotos und Videos.

       Morgen zeigen wir die Mami. Oder ist auf dem Friedhof kein Netz?

       Wenn wir die Fotos über den Fotostream auf das Tablet ziehen, dann können wir das machen. Aber die Videos, die können wir nur per Whatsapp oder Mail versenden und dann Mami zeigen. Wir kriegen das hin.

      ***

      Pia Stein öffnete die Augen und schaute nach draußen. Eigentlich gab es nix zu meckern, aber Pia war schlecht drauf. Seit mehr als drei Wochen versuchte sie, aus ihrer jetzigen Stelle wegzukommen. Pia arbeitete als Journalistin beim Bremer Kurier (BK). Aber seit sie dort auch durch